23.11.2018
Markus Wotruba

Handels-Dialog Bayern 2019

Hört den Gastronomen besser zu!

Keine Frage: Gastronomische Angebote werde für den Handel immer wichtiger. Kein neues (oder neu positioniertes) Shopping-Center ohne ausgedehnten Food Court, kein Fachmarktzentrum ohne großflächigen Systemgastronomen.

Von Markus Wotruba, Leiter Standortforschung, BBE Handelsberatung

Der sichtbaren digitalen Transformation und Polarisierung des Einzelhandels steht damit die Gastronomie als ein „Rettungsanker“ des stationären Ladengeschäfts gegenüber.

Die Popularität der Handelsgastronomie erklärt sich letztlich vor allem daraus, dass Gastro nicht so einfach „amazonisiert“ werden kann, ein Modegeschäft von H&M oder Buchhandlung von Thalia aber schon. Außerdem steigern Gastronomen den Erlebnischarakter und damit die Verweildauer der Kunden im Umfeld der Händler. Hinzu kommt der sozio-kulturelle Wandel: Unsere Gesellschaft ist mobiler und ruheloser geworden. Das verfügbare Einkommen der Deutschen wächst, gleichzeitig wohnen immer mehr Menschen in Single- oder Zwei-Personen-Haushalten – alles Voraussetzungen, die den Außer-Haus-Verzehr begünstigen. Berechnungen der BBE Handelsberatung zufolge wird der Umsatz mit dem Außer-Haus-Verzehr allein in Deutschland bis 2020 auf 59,5 Milliarden Euro wachsen. 2010 lag er noch bei 41,3 Milliarden Euro. Damit wächst die Handels- und Systemgastronomie schneller als alle Umsätze im gesamten stationären Einzelhandel zusammen.

Zeitgenössische Shopping-Center wie die jüngst unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit eröffnete East Side Mall im Herzen Berlins haben rund ein Fünftel ihrer Fläche für Gastronomie reserviert. Sie profitieren vom gegenwärtigen Trend zur Reurbanisierung, der nicht nur viele Einzelhändler und Nahversorger, sondern eben auch die Gastronomie erfasst hat. Sie ziehen gewissermaßen mit ihren Kunden zurück in die Groß- und Mittelstädte. Es gilt das Motto: Hauptsache man ist möglichst nahe am Gast. 

Ein Allheilmittel gegen den Vormarsch von Amazon, Zalando & Co. sind die Gaumenfreuden jedoch nicht. Auch Angebote für den Außer-Haus-Verzehr wollen vorher gut positioniert sein. Bleiben wir bei unserem Beispiel Berlin: Weil sich das Center im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg befindet, gibt hat sich dort beispielsweise besonders auf vegane Speisen im Angebot konzentriert, um ein Lifestyle-bewusstes junges Großstadtpublikum abzuholen. Vor allem die Innenstädte müssen heutzutage ein breites Angebot von Fast Food bis anspruchsvollen Full Service Gastronomie bieten, um tatsächlich als Kundenmagnete zu funktionieren. Hinzu kommt, dass Investoren, Betreiber und Entwickler von Handelsimmobilien die Ansprüche ihrer gastronomischen Mieter oftmals noch nicht richtig verstehen.

Großflächige System- und Erlebnisgastronomen etwa wollen meist so unabhängig wie möglich von der externen Infrastruktur agieren können, weil sie frische Lebensmittel benötigen und somit zu anderen Tageszeiten und Wochentagen beliefert werden müssen als Modegeschäfte oder Buchhandlungen. Hinzu kommt, dass die viele dieser Anbieter sieben Tage in der Woche geöffnet haben, wenn andere Mieter ihre Tore längst geschlossen haben. Das Problem ist, dass viele Shopping-Center und Fachmarktzentren aber nur über eine einzige Anlieferungszone und wenige Haupteingänge verfügen, die sich alle Mieter teilen müssen. Wäre es dann nicht sinnvoll, eigene Kundenzugänge und Lieferzonen für die Gastronomie zu schaffen, sodass auch am Sonntag weiterhin Umsatz mit Food generiert werden kann? Sicher ist vor allem, dass hierzu in der Immobilienwirtschaft noch sehr viel Aufklärungsbedarf herrscht. Ich bin optimistisch, dass der Handels-Dialog Bayern hierfür einen wichtigen Beitrag leistet.

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Der Autor
Markus Wotruba
Leiter Standortforschung
BBE Handelsberatung