Der Autor
Dipl.-Ing. Architekt Christoph BierschenkGeschäftsfeldleiter, pbr AG Architekten Ingeniuere, Osnabrück
Die Konversion der ehemals von den britischen Streitkräften genutzten Flächen hat sich für Osnabrück als Glücksfall erwiesen. Die Stadt hat den Abzug der Briten nicht als Problem aufgefasst, sondern erfolgreich als neue Chance für Wohnraum, Wissenschaft und Wirtschaft genutzt. Die frei gewordenen Flächen prägen mit ihrer wertigen Architektur das Osnabrücker Stadtbild und stellen eine zeitgemäße Infrastruktur bereit. Damit tragen sie zur Adressbildung, Identitätsentwicklung und dem Standortwachstum bei. Dies ist insbesondere auch für vor Ort ansässige Unternehmen und jene, die sich ansiedeln wollen, ein wichtiger Standortfaktor.
Mit insgesamt sechs Kasernenarealen auf einer Gesamtfläche von 160 Hektar sowie zusätzlich 1.350 Wohnungen war Osnabrück der größte britische Garnisonsstandort außerhalb des Vereinigten Königreichs. Als ab 2009 die britischen Truppen aus der Stadt abzogen, wurden innerhalb kurzer Zeit Flächen in der Stadt frei. Bei der Umnutzung der Kasernenareale verfolgte die Stadt den Ansatz eines umfangreichen Planungs- und Beteiligungsprozesses, der zugleich eine Gesamtperspektive bieten und die Entwicklung der einzelnen Kasernenstandorte betrachten sollte. Sehr gut sichtbar ist die Aufwertung des Stadtbildes im Rahmen dieses Prozesses auf den Konversionsflächen am Westerberg.
Das 5,5 Hektar große Areal der ehemaligen Von-Stein-Kaserne wurde aufgrund seiner Lage als Erweiterungsfläche für die Universität und die Hochschule Osnabrück umgenutzt. Den Beginn der neuen Campus-Entwicklung bildete 2013 der Neubau der Mensa für die Universität und die Hochschule. Es folgten ein Hörsaalgebäude und eine neue gemeinsam genutzte Bibliothek. Alle drei Gebäudeentwürfe gingen aus Wettbewerben hervor und zeichnen sich durch eine hochwertige Architektur aus, gleichzeitig nehmen sie Bezug zu den z. T. historischen Kasernengebäuden. Weil hier die Stadt weitergedacht und neu geplant werden konnte, ist ein Ort mit hoher baukultureller Qualität und Funktionalität entstanden. Darüber hinaus schließen die Maßnahmen an vorangegangene Vorhaben wie den Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes und den Umbau von Bestandsgebäuden, z. B. einer denkmalgeschützten Reithalle und Reitställen zu einem Hörsaalgebäude, an. Der Campus-Standort ist jetzt als Einheit entlang der Achse Barbarastraße/Caprivistraße nicht nur für Studierende erlebbar, sondern bietet auch den Bürgern eine hohe Aufenthaltsqualität. Das städtebauliche Entwicklungskonzept der Entwurfsgruppe pbr AG Architekten Ingenieure und Landschaftsarchitekten Lützow 7 aus Berlin bildete die Basis für den Bebauungsplan.
In direkter Nachbarschaft befindet sich die ehemalige Scharnhorstkaserne: Die Bebauung erfolgt auf der Basis des städtebaulichen Masterplans Wissenschafts- und Wohnpark. Das Areal ist aufgeteilt in zwei Nutzungsbereiche: einen dem Campus zugewandten Wissenschaftspark im Osten und ein urbanes, gemischt genutztes Wohnquartier im Westen. Junge, aus den Hochschulen heraus gegründete Unternehmen sollen hier einen Standort für ihr Startup finden. Ausgangspunkt dafür ist das neue Technologie- und Gründerzentrum InnovationsCentrum Osnabrück (ICO). In Verbindung mit dem Hochschulcampus der Von-Stein-Kaserne entsteht hier ein fruchtbarer Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Im Wissenschaftspark hat auch die pbr AG ihren neuen Hauptsitz.
Die Konversion zu Hochschulflächen ist auch an anderen Standorten erfolgreich. Komplett neue Campusanlagen sind u. a. für die Hochschule Hamm-Lippstadt in Hamm am Standort eines ehemaligen Bundeswehrkrankenhauses und für die Hochschule Rhein-Waal am Standort Kamp-Lintfort auf einem ehemaligen Zechenareal entstanden. In beiden Fällen haben sich neue Orte mit hoher Aufenthaltsqualität in der Stadt herausgebildet.