Der Autor
Jens WeymannHead of Sustainability and ESG Germany, Cushman & Wakefield
"Flight to Quality“: die Bereitschaft von immer mehr Büromietern, steigende Mietpreise von 60 Euro/m²/Monat und mehr für Standorte in den absoluten A-Lagen unserer Städte zu zahlen. Gleichzeitig stehen um zwei Drittel günstigere Büros, nur wenige S- und U-Bahn-Haltestellen entfernt, leer. In vielen 1A-Innenstadtlagen deutscher Top-Bürostandorte wie Frankfurt, München oder Hamburg bewegt sich der Büroflächenleerstand aktuellen Marktanalysen von Cushman & Wakefield zufolge im Bereich der Fluktuationsreserve (also quasi Vollvermietung), während in angrenzenden Lagen 15-20 % Leerstand keine Ausnahme sind.
Begründet werden hochpreisige Flächenangebote mit der Notwendigkeit, Unternehmen für ihre Mitarbeiter bessere Argumente für „Back to Office“ liefern zu können. Diese Argumentation ist einerseits zwar schlüssig, andererseits sehe ich weitere strukturelle Aspekte, die dahinterstehen.Die Attraktivität von A-Lagen hat gerade in den vergangenen Jahren noch einmal zugelegt. Das Nachsehen haben B-Lagen, die mit wachsendem Leerstand zu kämpfen haben. Doch was sind die Ursachen? Mit welchen Maßnahmen können Planer, Projektentwickler und Investoren gegensteuern?
B-Lagen wurden oft mit deutlich weniger Liebe zum Detail entwickelt. Sie bieten in vielen Fällen eine eintönige Architektur, die mit der Lebendigkeit und Abwechslung der Innenstadt nicht konkurrieren kann.
Für Planer gilt es deshalb umso mehr, Quartiere zu schaffen, die auch außerhalb der Innenstadt Anziehungskraft besitzen. Als Beispiel kann das Werksviertel in München gelten. Hier ist es gelungen, trotz der Lage außerhalb der Innenstadt, ein Quartier mit Charakter und Aufenthaltsqualität zu schaffen. Der hohe Vermietungsstand spricht für sich. Daneben bedeutet dies Entlastung für die City, denn mit zunehmender Attraktivität der B-Lage sinkt auch der Preisdruck in der A-Lage.
Auch das Mobilitätskonzept in B-Lagen ist oft nicht optimal. Manchmal fehlen Stellplätze, oft eine adäquate ÖPNV-Anbindung. Und wenn die Mitarbeiter das Büro dann erreicht haben, tragen unambitionierte Innenausbau-Konzepte und -Qualitäten eher zur Abschreckung bei.
Infolge der Transformation der Arbeitswelt könnte der Bedarf an Büroflächen zukünftig auf niedrigerem Niveau bleiben. Nicht nur Homeoffice reduziert den Flächenbedarf, auch die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen unter Einbeziehung von modernen Softwarelösungen und AI-Anwendungen dürfte dazu führen, dass weniger Büroarbeitsplätze gebraucht werden. Der Ausweg für manche leerstehende Büroimmobilie kann derweil in der Umnutzung zu Wohnraum liegen. In den meisten deutschen Städten sind mittlerweile handfeste Preis- und Verfügbarkeits-Krisen am Wohnungs-Mietmarkt entstanden und Entlastungen sind hier dringend gefragt. Die Herausforderung an dieser Stelle sind aktuell noch die Excel-Sheets der Investment-Abteilungen. Bezahlbaren Wohnraum nach notwendigen Umbaumaßnahmen zu schaffen, lässt sich nur realisieren, wenn die aktuellen Werterwartungen dieser „Leerstandsbüros“ wesentlich nach unten korrigiert werden.
Westliche Gesellschaftsmodelle stehen aktuell oft unter Druck. Es besteht die Gefahr einer Destabilisierung des demokratischen Systems, das in den letzten 70 Jahren Grundlage für die Prognostizierbarkeit von Investment-Entscheidungen war. Die gesellschaftliche Unzufriedenheit und die individuell geminderten Erfolgsaussichten haben zu Wahlerfolgen für demokratiefeindliche Kräfte geführt.
Auch Verantwortliche der Bau- und Immobilienbranche handeln nicht im luftleeren Raum. Wir bauen im doppelten Wortsinne auf ein breites Fundament aus Stabilität, Transparenz und Fairness – kurz: die Grundlagen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung. Demgegenüber nehmen verunsicherte Wirtschaftsakteure eine abwartende Haltung ein, die in einem schrumpfenden Investmentmarkt für Immobilien mündet.
Die drei beschriebenen Themenkomplexe haben eins gemeinsam: es sind prinzipielle, eventuell auch strukturelle Probleme einer ganzen Branche. Es gilt zusammenzuarbeiten, um den Trend langfristig wieder umzukehren. Dafür bedarf es einer engen Kooperation von Investoren, der öffentlichen Verwaltung und der Politik – langfristig, aber durchaus auch mit dem Blick auf kurzfristige Umsätze und Quartalsergebnisse. Für viele dürfte dieser Spagat eine Kraftanstrengung werden.
Insofern sind die leerstehenden Büroimmobilien in B-Lagen möglicherweise ein ganz passendes Bild für die größeren Herausforderungen, denen wir mit neuen Antworten kollaborativ entgegentreten müssen.