Der Autor
Ludger WibbekeGeschäftsführer, HANSAINVEST Hanseatische Investment-GmbH
Der europäische Gesetzgeber hat gut gewerkelt: Die Tür zu Europas Sachwerten hat seit Januar 2024 einen neuen Rahmen. Und dieser Rahmen erlaubt mittlerweile ganz neuen Anlegern den Zutritt, zu ganz anderen aufsichtsrechtlichen Optionen. European Long-Term Investment Funds heißt, was eigentlich schon seit 2015 als ELTIF am Markt bekannt ist – und immer öfter den Rahmen für Erneuerbare Energien, Private Equity, Venture Capital und Infrastruktur insgesamt – jeweils als Equity- und Debt-Fonds – bildet.
Die Idee des ELTIFs ist eine gute: So soll nicht nur die deutsche Regierung mehr Kapital in die Infrastruktur investieren, auch private Haushalte sollen und müssen besonders jetzt vermehrt mitziehen. In ganz Europa. Der ELTIF soll dieses Kapital motivieren, kanalisieren und in die Wirtschaft schleusen: als Unternehmensbeteiligungen, Infrastrukturprojekte oder Fremdkapitalvergaben. Sprich: Neben institutionellen sollten auch private Investoren in die bereits genannten Fonds investieren können.
Doch das ELTIF-Projekt der Europäischen Union schien zwischenzeitlich schon zu scheitern. Denn die erste rechtliche Grundlage des ELTIFs aus dem Jahr 2015 war gewissermaßen verpufft; der Markt dümpelte bei einem Gesamtvolumen von etwas über 13 Milliarden Euro herum. Zum Vergleich: Laut Bundesbank liegen allein in Deutschland deutlich über 3 Billionen Euro als Bargeld oder auf Konten herum. Die Ende 2023 gerade mal 100 verschiedenen ELTIFs konnten also nur einen winzigen Teil davon mobilisieren, zumal die meisten Anleger eher aus dem Ausland kamen. Der gute Gedanke des europäischen Gesetzgebers blieb also zunächst nur ein Gedanke. Das Problem lag im ELTIF-Rahmen selbst. Zu starr die Vorgaben für das Portfolio, zu wenig revolutionär die für den Vertrieb. So durften die Fondsmanager der ELTIFs nicht in einzelne Assets investieren, deren Wert unter 10 Millionen Euro lag. Außerdem sollten die Manager der Fonds maximal 10 Prozent des Fondsvolumens in andere Fondsstrategien investieren. Im Vertrieb konnten Asset Manager den ELTIF nur Kunden anbieten, die mindestens 10.000 Euro in die ELTIFs investierten. War das gesamte Kundenportfolio weniger als 500.000 Euro wert, sollte der ELTIF maximal 10 Prozent davon ausmachen. Das ist nun Geschichte.
Als der europäische Gesetzgeber im Januar 2024 die Verordnung (EU) 2023/606 für den ELTIF 2.0 in Kraft setzte, hatte die Asset-Management-Branche ihr deshalb also schon entgegengefiebert. Viele Beschränkungen aus dem ersten Aufschlag fallen im ELTIF 2.0 weg. Was wiederum heißt: Asset Manager können zusammen mit der KVG die Fonds besser strukturieren, breitere Portfolios bauen und sie an neue Kundengruppen vertreiben. Trotzdem bleiben Schutzmechanismen für Privatanlegerinnen und -anleger – wir als Kapitalverwaltungsgesellschaft müssen etwa Geeignetheitsprüfungen nach MiFID durchführen und prüfen, ob die Assets zur Strategie passen. Die Chance, einen größeren Teil der brachliegenden 3,4 Billionen Euro sicher und effektiv zu mobilisieren, ist gewachsen.
Die neuen Vorgaben wirken: Im vergangenen Jahr stürmten in Europa 55 neue ELTIFs an die Märkte, auch wir als KVG legten die ersten Produkte auf, weitere sollen folgen. Das Volumen des ELTIF-Markts kletterte innerhalb von zwölf Monaten um 38 Prozent auf über 20 Milliarden Euro Ende 2024. Europas ELTIF-Anbieter gehen davon aus, dass auch dieses Jahr der Markt um mindestens 25 Prozent wachsen wird.
Verglichen mit den 3,4 Billionen Euro Bargeld und Bankeinlagen sind die aktuell noch 20 Milliarden Euro zwar Tropfen auf den heißen Stein. Auf der anderen Seite: Die 50 Milliarden Euro, die die Bundesregierung um Neu-Kanzler Friedrich Merz jährlich in Infrastruktur investieren möchte, finanziert der Staat über neue Schulden. Da scheint es doch die deutlich bessere Perspektive zu sein, wenn private Sparer Europas Wirtschaft und Infrastruktur künftig direkt unterstützen, neue Anlageklassen erschließen und mit dem ELTIF einen Rahmen haben, durch den sie guten Gewissens in Richtung Sachwerte gehen können.
Die Win-Win-Win-Situation würde entstehen, wenn die Bundesregierung ihre Budgets zusätzlich nutzen würde, dieses private Kapital zu mobilisieren: Das ist besser für die Rendite der Anleger, besser für die Möglichkeiten, uns als Bevölkerung die entsprechenden Assets in der Infrastruktur nutzbar zu machen. Und besser für die Möglichkeit, die Verschuldungsquote zu begrenzen – trotz sinnvoller Investitionen für nachfolgende Generationen.