Die Autorin
Stefanie LüttekeAssociate Partnerin und Head of Sales & Operations NRW, Drees & Sommer
Da fast alle anderen Branchen und Sektoren Gebäude und Infrastrukturen benötigen, kann sich die Bau- und Immobilienwirtschaft deren Bedarfen anpassen und flexibel auf wechselnde Investitionsflüsse reagieren. Ein langfristiges Wirtschaftswachstum ist ohne das Bauen und Revitalisierungen von Gebäuden und Infrastruktur nicht möglich. Warum also nicht die Bau- und Immobilienwirtschaft als eigenen Treiber für Wachstum begreifen und nicht als Leidtragende einer holprigen Gesamtwirtschaft?
Die Fundamentaldaten sind in den meisten Assetklassen solide. Die Assetklasse Residential hat – wie allseits bekannt – ein gravierendes Unterangebot in den urbanen Zentren. Durch die weiter steigende Nachfrage wird sich dies noch verschärfen. Auch die Assetklasse Logistik verzeichnet eine langfristig positive Perspektive und ist für die vorteilhafte Entwicklung der Gesamtwirtschaft unerlässlich.
Bei der sozialen Infrastruktur, z.B. bei Schulen, Krankenhäusern und öffentlichen Einrichtungen, liegt die ausbleibende Bautätigkeit ebenfalls nicht am fehlenden Bedarf. In der technischen Infrastruktur werden sich nicht getätigte Investitionen in Gebäude und Infrastruktur sogar wirtschaftlich negativ auswirken. Wenn man auf die Bedarfe schaut, ist aktuell also ein sehr günstiger Moment für neue Projekte und strategisches Wachstum. Die Realität zeigt aber ein anderes Bild – Abwarten anstatt Weitermachen.
Projekte rechnen sich nicht. Wer aber glaubt, dass die Baukosten und Zinsen noch deutlich sinken, könnte den Zeitpunkt verpassen sich für die Zukunft aufzustellen.
Die aktuell wieder zunehmende Verfügbarkeit von Bauunternehmen und der spürbar zugenommene Wettbewerb suggerieren, dass bald wieder mit den alten Geschäftsmodellen weitergemacht werden kann. Die notwendige Transformation der Branche erscheint nicht mehr notwendig. Was wir beim Bauen der Zukunft aber wirklich brauchen ist eine deutliche Effizienz-Steigerung. Projekte müssen von der ersten Idee an digital gedacht und geplant werden. Aus der digitalen Single-Source-of-Truth lassen sich digitale und automatisierte Bauprozesse generieren.
Die Möglichkeiten der industriellen Vorfertigung und automatisierungsunterstützten Ausführung können in einem bisher nicht genutzten Umfang in Projekte implementiert werden. Materialien können ressourcenschonend eingesetzt, getrackt und der Circular Economy wieder zugeführt werden. Die Digitalisierung der Planung sowie die Industrialisierung und Automatisierung der Ausführung bieten die Chance, die Baukosten durch reduzierte Materialverbräuche, kürzere Projektlaufzeiten und weniger Personaleinsatz zu senken. Nebenbei wird die Qualität der Planung und Ausführung gesteigert.
Es braucht den Mut und Willen, neue Technologien schneller und progressiver in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu implementieren. Dafür ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Projektentwicklern, Kommunen, Beratern, Bauunternehmen und der Bauindustrie erforderlich. Es müssen flexiblere und technologieoffene Rahmenbedingungen geschaffen werden. Produkte und Bauprozesse sind hinsichtlich ihrer Digitalisierungs- und Automationsfähigkeit kritisch zu prüfen und gemeinsam in Pilotprojekten umzusetzen.
Eine transformierte Bau- und Immobilienwirtschaft hat das Potential, auch in Zukunft ein entscheidender Wirtschaftsfaktor zu sein.