Digitalisierung in Quartieren

Wie können digitale Technologien zur Verbesserung von Quartieren beitragen?

Digitalisierung dient idealerweise keinem Selbstzweck, sondern der Verbesserung menschlicher Lebenswirklichkeit. Dies lässt sich anhand des Quartiers veranschaulichen, da es ermöglicht, städtische Vielfalt auf eine handhabbare Größe herunterzubrechen.

Hagen Schmidt-Bleker 12. August 2024

Quartiere stellen Bereiche innerhalb einer Stadt dar, in denen Bewohner ihren Lebensalltag verbringen. Obgleich Quartiere nicht eindeutig abgrenzbar sind, ist es doch so, dass die Menschen, die dort leben, mögliche Veränderungen direkt spüren. Bei aktiver Beteiligung entsteht sogar ein Gefühl von Selbstwirksamkeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Kapitel „Quartier und urbane Resilienz: Themenfelder, Befunde und Forschungsbedarf" aus dem recht aktuellen Buch „Die resiliente Stadt"* hinweisen, das ich sehr hilfreich fand, um einen Überblick über die vielfältigen Themen im Quartier zu bekommen.

Die Autoren heben die Bedeutung von Quartieren als kleinste soziale Einheiten innerhalb der Stadt hervor, die als solche eine zentrale Rolle für urbane Resilienz spielen. In Krisenzeiten, wie der Corona-Pandemie, haben Quartiere gezeigt, dass soziale Netzwerke und bauliche Strukturen Anpassungs- und Solidaritätsmöglichkeiten bieten. Um die Resilienz von Städten zu stärken, sollten Quartiere stärker in der Stadtplanung berücksichtigt werden. Es gilt ihre Potenziale zu nutzen, um soziale Ungleichheiten zu reduzieren und nachhaltige Lebensbedingungen zu schaffen.

Mein Impuls dazu: Resilienz bedeutet natürlich auch immer „gesicherte Funktionalität" und „wirtschaftliche Attraktivität". Aus der Vielfältigkeit der Quartiere und den Anforderungen um sie herum ergibt sich eine zunehmende Komplexität, die die große Herausforderung für die Immobilienbranche darstellt. Sie kann nur durch den Einsatz digitaler Technologien erfolgreich gemeistert werden. Von der effizienten Ressourcenverwaltung über die Förderung sozialer Interaktion bis hin zur nachhaltigen Entwicklung – digitale Tools bieten zahlreiche Möglichkeiten, um Quartiere resilienter und lebenswerter zu gestalten.

1. Komplexitätsmanagement als Antwort auf Vielfältigkeit

In modernen Quartieren finden wir eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensstile, Bedürfnisse und Anforderungen. Dies verlangt nicht zuletzt technische und bauliche Lösungen, um die verschiedenen Qualitäten eines Quartiers optimal zu nutzen. Digitalisierung spielt hier eine entscheidende Rolle. Sie ermöglicht die Erfassung und Analyse der Anforderungen, um spezifische Lösungen für jedes Quartier zu entwickeln. Sei es in der Planung neuer Wohnräume oder der Optimierung bestehender Infrastrukturen – digitale Technologien bieten die nötige Flexibilität und Präzision.

2. Effiziente Ressourcenverwaltung und Krisenmanagement

Effiziente Ressourcenverwaltung ist ein Schlüsselaspekt für nachhaltige Quartiere. Dank digitaler Technologien wie dem Internet der Dinge (IoT) und Echtzeitdatenanalysen können Immobilienbetreiber den Verbrauch von Wasser, Energie und anderen Ressourcen genau überwachen und optimieren. Zusätzlich ermöglichen diese Technologien eine schnelle Reaktion auf Probleme. Ein umfassendes Monitoringsystem kann beispielsweise abnormale Wasserverbräuche frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten, bevor größerer Schaden entsteht.

3. Förderung sozialer Interaktion und Partizipation

Ein weiteres wichtiges Ziel in der Quartiersentwicklung ist die Förderung sozialer Interaktion und Partizipation. Digitale Plattformen bieten hier unterschiedliche Optionen. Sie ermöglichen es Bewohnern, sich stärker zu vernetzen und sich in die Gestaltung ihres Umfelds einzubringen. Durch Beteiligungsplattformen können Meinungen und Wünsche der Nachbarschaft direkt in die Planungsprozesse einfließen. Dies führt nicht nur zu lebenswerteren Quartieren, sondern stärkt auch das Gemeinschaftsgefühl und die Resilienz der Gemeinschaft.

4. Integrierte Planung und nachhaltige Entwicklung

Nachhaltige Entwicklung ist ohne eine integrierte Planung kaum denkbar. Digitale Planungstools bieten umfassende Simulations- und Analysemöglichkeiten, um langfristig angelegte, ressourcenschonende und resiliente Infrastrukturen zu entwickeln. Diese Tools ermöglichen es, verschiedene Szenarien durchzuspielen und die besten Lösungen für die jeweiligen Herausforderungen zu finden. Von der Verkehrsplanung bis zur Grünflächenentwicklung – digitale Technologien helfen, die Balance zwischen Klimaschutz, Quartier und Kostendruck zu halten.

5. Adressierung sozialer Diversität

Ein oft vernachlässigter, aber ebenso wichtiger Aspekt ist die Adressierung sozialer Verhältnisse. Funktioniert eine möglicherweise angestrebte soziale Durchmischung? Wie gut ist der Zusammenhalt? Durch gezielte Datenerhebung und -analyse können benachteiligte Quartiere identifiziert und spezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität implementiert werden. Dies kann etwa durch den Aufbau von sozialen Einrichtungen, Förderprogrammen oder gezielten Investitionen in Bildung geschehen. Ziel kann es sein, soziale Quartiere zu schaffen, die als Orte der Begegnung und des Austauschs fungieren. Ich bin kein Freund des Begriffs „Real-Labor", aber natürlich kann man aus den Erfahrungen eines Quartiers (insbesondere aus den Daten) auch in anderen Quartieren lernen.

Die Rolle von Investoren

Investoren kommt bei der Entwicklung smarter Quartiere maßgebende Bedeutung zu. Sie sind nicht nur für die Finanzierung der Infrastruktur verantwortlich, sondern haben auch ein Interesse an einem Gelingen des Gesamtprojektes in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Eine klare Investorensicht ist entscheidend, um langfristige Strategien für Stadtentwicklungsprojekte zu entwerfen, die sowohl ökonomische als auch soziale Erwägungen berücksichtigen.
ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) gewinnen in diesen Kontexten an Bedeutung, da Investoren sich zunehmend für Projekte interessieren, die ökologische und soziale Verantwortung übernehmen.

Wie oben exemplarisch erläutert, ist Digitalisierung mittlerweile ein unverzichtbarer Helfer, um die Komplexität von Quartieren zu beherrschen: Digitale Technologien bieten die Werkzeuge, um die vielfältigen Herausforderungen zu analysieren und zu managen. Sie tragen dazu bei, Quartiere resilienter und lebenswerter zu gestalten, was die effiziente Verwaltung von Ressourcen, die Förderung sozialer Interaktion und Partizipation sowie die gezielte Adressierung sozialer Ungleichheiten umfasst. Für Immobilienentwickler bedeutet dies, dass sie durch den Einsatz digitaler Technologien nicht nur Kosten sparen, sondern auch einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz und zur Lebensqualität leisten können.

Ganz konkret heißt das: Schon angesichts der Höhe der Investition, die gerade bei der Neuerstellung von Quartieren üblicherweise getätigt wird, bietet sich die Erstellung einer umfassenden Digitalstrategie an, und das bevor die ersten konkreten Ideen zu Papier gebracht sind. Daten aus der Standortanalyse können in der Planung genutzt werden, Daten aus der Planung für den Gebäudebetrieb, und Systeme aus dem Gebäudebetrieb für einen höheren Nutzwert der Bewohner. Die Digitalisierung bietet also die Chance, aus jedem Quartier ein „Smart Quarter" zu machen – einen Ort, der auf die Bedürfnisse seiner Bewohnerinnen und Bewohner zugeschnitten ist und gleichzeitig nachhaltig und effizient betrieben wird. Es liegt an uns, diese Chance zu nutzen und uns für eine bessere Zukunft unserer Städte und Quartiere einzusetzen.

Ausblick

Das digitale Quartier steht erst am Anfang seiner Möglichkeiten. Im Bereich der Smart Cities gibt es bereits einige Vorzeigebeispiele, doch auch hier liegt noch viel ungenutztes Potenzial. Zukünftig werden immer mehr Smart Quarter entstehen, die dank digitaler Technologien besser verwaltet und betrieben werden können. Dies erhöht nicht nur die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner, sondern erreicht auch wichtige Ziele wie Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit.
Sicher werden wir in diesem Zusammenhang in Zukunft viele spannende Angebote aus dem Bereich Digitalisierung sehen, die versuchen, diese Bedürfnisse abzubilden. Die wesentliche Herausforderung sehe ich darin, eine Vielzahl schwer einzubindender Insellösungen zu vermeiden. Wenn ich hier einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass bei der Auswahl von Systemen generell die nachhaltige Vernetzung mit anderen Systemen ermöglicht wird.

*(Schmidt, A., Pößneck, J., Haase, A., Kabisch, S. (2024). Quartier und urbane Resilienz: Themenfelder, Befunde und Forschungsbedarf. In: Kabisch, S., Rink, D., Banzhaf, E. (eds) Die Resiliente Stadt. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66916-7_5)

 

 

Der Autor
Prof. Hagen Schmidt-Bleker
Vorstand, Formitas AG

Das Event zum Thema

Mittwoch, 28. August - Donnerstag, 29. August 2024
8. Immobilien-Dialog Düsseldorf
Düsseldorf