Der Autor
Jan GrabowGeschäftsführender Partner, Curacon
Dies führt auch in der Pflege und Betreuung zu schlechten Abläufen. Maßstab für die technische Grundausstattung in der stationären Pflege sollten moderne Wohngebäude sein. 7,5 Tonnen beträgt der durchschnittliche CO2-Ausstoß, den ein Pflegeplatz jährlich verursacht. Es bedarf daher umweltschonender und energiesparender Bauweisen als Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels. Schlecht isolierte Pflegeimmobilien und alte Heizungen schaden dem Klima.
Sämtliche Trägerbereiche haben sich ambitionierte klimapolitische Ziele gesetzt:
- Diakonie Deutschland: „Spätestens bis zum Jahr 2035 klimaneutral“
- AWO-Bundeskonferenz 2021: „Klimaneutralität aller Einrichtungen und Dienste vor 2040“
- Delegiertenversammlung des DCV: „Caritas soll bis 2030 klimaneutral werden“
Für die Erreichung dieser klimapolitischen Ziele und eine zügige Umstellung auf eine klimaschonende Sozialwirtschaft ist ein strategisches Vorgehen gefragt. Hierbei ist an energetische Investitionen in Immobilien zur Reduzierung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie die Nutzung eigener Dächer, Fassadenflächen und Bodenflächen zur autarken Stromproduktion zu denken. In Bezug auf energetische Investitionen in Immobilien oder die Anschaffung von PV-Anlagen bestehen in der Refinanzierung Investitionshemmnisse. Darüber hinaus honoriert eine weitgehende kostenbasierte Finanzierungslogik der Betriebskosten effizientes Verhalten nicht, so dass die Gefahr besteht, dass Einsparungen bei den Energiekosten nicht zur Kompensation von höheren Investitionskosten genutzt werden können. Des Weiteren sind in Bezug auf Mieterstrommodelle, Erzeugungs- und Kooperationsmodelle insbesondere sozial- und steuerrechtliche Spielregeln im Bereich des Umsatz- und das Ertragssteuerrechts in den Blick zu nehmen.
Investive Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs können in der Regel nicht über die IK-Sätze refinanziert werden, da diese von den Sozialhilfeträgern üblicherweise nicht als betriebsnotwendig beurteilt werden. Des Weiteren erfolgt von den Sozialhilfeträgern bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung üblicherweise keine Lebenszyklusbetrachtung. Im Beispiel Photovoltaik reduzieren sich bei Eigenproduktion und Selbstnutzung des Stroms die Sachkosten (Energiekosten ohne investive Kostenbestandteile); die Kosten der Investitionen werden aber nicht beim IK-Satz anerkannt. In einer ganzheitlichen Lebenszyklusbetrachtung stehen aber höheren Investitionskosten geringere Sachkosten (Energiekosten ohne investive Kostenbestandteile) gegenüber.
Es ist im Einzelfall in der Abstimmung mit den zuständigen Sozialhilfeträgern zu klären, ob Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz in Berlin tatsächlich nicht über die IK-Sätze refinanziert werden. Es handelt sich immerhin inzwischen um eine gesetzliche Verpflichtung, den Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral zu sanieren (siehe Neufassung des Klimaschutzgesetzes von 2023). Darüber hinaus hat 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 30.11.2023 Klagen der Deutschen Umwelthilfe und des BUND stattgegeben und die Bundesregierung verurteilt, ein Sofortprogramm nach § 8 Klimaschutzgesetz zu beschließen, das die Einhaltung der im Klimaschutzgesetz genannten Jahresemissionsmengen der Sektoren Gebäude und Verkehr für die Jahre 2024 bis 2030 sicherstellt. Zur Klärung dieser Frage der Refinanzierung ist auch eine Klärung auf dem Klageweg in Betracht zu ziehen.
Soweit investive Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs nicht über die IK-Sätze refinanziert werden können, stellt sich die Frage nach einem Plan B.
Wenn der Betreiber selbst derartige Maßnahmen realisiert, besteht die Gefahr, dass Einspareffekte bei den Sachkosten (Energiekosten ohne investive Kostenbestandteile) im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen zu einer Pflegesatzkürzung führen können. Auf der anderen Seite entstünden für den Betreiber durch die Anschaffung einer PV-Anlage investive Kosten, die nicht über höhere IK-Sätze refinanzierbar wären.
Plan B besteht vorliegend darin, im Betreiber-Investor-Modell investive Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs über den Vermieter (konzerneigene Gesellschaft oder fremder Dritter) zu realisieren, um bei Ansatz eines marktüblichen und pflegesatzfähigen Strompreises die Selbstkosten der Stromproduktion inkl. Investiver Kosten (in Eigenregie) decken zu können. Alternativ wäre auch ein Contracting-Modell oder eine Strombelieferung über eine (Service-) Tochtergesellschaft in Betracht zu ziehen.
Der Strompreis berücksichtigt bei einer Stromversorgung über den Vermieter oder eine (Service-) Tochtergesellschaft die Herstellungskosten inkl. investiver Kostenbestandteile. Hierin könnte ggf. eine rechtliche Grauzone zu sehen sein, da gemäß § 82 Abs. 2 Nr.1 SGB XI in der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung bei einer Stromselbstversorgung innerhalb eines Rechtsträgers grundsätzlich keine investiven Aufwendungen berücksichtigt werden dürfen. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter, die sich im Eigentum befinden.
Allerdings umfasst auch der in der externen Speiseversorgung anzusetzende Preis je Beköstigungstag in einer Vollkostenbetrachtung üblicherweise investive Kostenbestandteile. Des Weiteren darf nicht übersehen werden, dass auch bei einer externen Stromversorgung zum Beispiel über die Stadtwerke im Strompreis in einer Vollkostenbetrachtung üblicherweise investive Kostenbestandteile enthalten sind.
Die konkrete vertragliche Gestaltung sollte auch einer vertiefenden zivil-, sozial- und steuerrechtlichen Betrachtung unterzogen werden. Einer weitergehenden Betrachtung wäre auch die Amortisation im Rahmen einer Projektrealisierung zu unterziehen.
Minimalziel zur Schaffung von Anreizen für Gebäudesanierungen im Pflegeheimsektor besteht darin, dass mit der Durchführung derartiger Maßnahmen keine finanziellen oder sonstigen Nachteile verbunden sein sollten. Hierzu wären Anpassung im Ordnungs- und Leistungsrecht notwendig. Wenn die Reduzierung der CO2-Emissionen gesamtgesellschaftlich und politisch gewollt ist, dann sollte ordnungsrechtlich eindeutig geregelt werden, dass eine energetische Sanierung als betriebsnotwendig im Sinn von § 82 Abs. 3 bzw. 4 SGB XI anzusehen ist und leistungsrechtlich ein zwingender Refinanzierungsanspruch besteht. In diesem Zusammenhang wäre auch in den Blick zu nehmen, ob und wie etwaige Übergangsregelungen für Bestandseinrichtungen zu gestalten sind.
Als Instrumente kommen, ergänzend zu Fördermaßnahmen auf Bundesebene, Sonderförderungen auf Landesebene für energetische Sanierungen in Betracht, so dass Bewohner nicht stärker belastet oder sogar entlastet werden. Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass Einsparungen, die den Ländern als Träger der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen, zur Investitionskostenfinanzierung von Pflegeeinrichtungen herangezogen werden sollten. Die Länder kommen dieser gesetzlichen Vorgabe überwiegend nicht nach. Eine öffentliche Förderung trägt zur Entlastung der Pflegebedürftigen bei. Subjektförderung in Form von Pflegewohngeld bieten zurzeit nur Bayern, NRW und Schleswig-Holstein an. Die Objektförderung durch die Länder wurde dagegen weitestgehend eingestellt.
Der Handlungsbedarf und Zeitdruck zur Erreichung klimapolitischer Ziele ist auch bei Immobilien erheblich. Obwohl die Fördermöglichkeiten bei der energetischen Sanierung von Gebäuden noch nie so umfänglich wie zurzeit waren und die Gebäudeförderung zwischenzeitlich auf einem Rekordniveau lag, ist bspw. der Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser in Wohngebäuden in den vergangenen Jahren nicht gesunken, sondern weiter gestiegen.
Die enormen Energie- und CO2-Effizienzpotentiale werden gegenwärtig aufgrund o.g. Hemmnisse in den Pflegeeinrichtungen nicht gehoben, so dass dieser Sektor – wenn überhaupt - nur einen eingeschränkten Beitrag leistet, um die gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen. Zahlreiche Pflegeeinrichtungen sind aktuell angehalten, aufgrund geänderter ordnungsrechtlicher Vorgaben der Landesheimgesetze (Stichwort Einbettzimmerquote und direkter Bäderzugang) ihren Gebäudebestand umzubauen. Sinnvoll wäre es, in diesem Zuge auch Energieeffizienzmaßnahmen in den Gebäuden umzusetzen und damit die Weichen für Klimaneutralität zu stellen.