Der Autor
Sebastian TheißenGeschäftsführender Gesellschafter, List Eco
Eine Sache vorweg: Eine Patentlösung oder einen einheitlichen Fahrplan, an den wir uns alle halten können, gibt es nicht. Der sinnvolle Fokus im ESG-Umfeld ist so individuell wie die Unternehmen, die sich dort bewegen. Sämtliche Akteure – von Projektentwicklern über Investoren, Bauunternehmer bis hin zur öffentlichen Hand – stehen einem Transformationsprozess gegenüber, der in diesem Umfang in unserer Branche bisher nicht vorkam. Im Verhältnis zu den Umwälzungen, die Taxonomie, CSRD und Co. mit sich bringen, war zum Beispiel der flächendeckende Einsatz der BIM-Methode eine Kleinigkeit. Übrigens: Ohne digitale Tools sind wir auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit ohnehin verloren.
Es ist bei der Orientierung im ESG-Dschungel zwingend notwendig, das Thema in einem ganzheitlichen Kontext zu betrachten. ESG-Anforderungen ergeben sich auf allen Ebenen eines Unternehmens – von den eigenen Mitarbeitenden über die Regulatorik bis zu Gestaltung und Ausstattung des Firmengebäudes oder des einzelnen Arbeitsplatzes.
Entsprechend wichtig ist es, bei der Entwicklung einer ESG-Strategie all diese Bereiche und auch alle Hierarchieebenen im Blick zu haben. Das betrifft beispielsweise die Unternehmensstrategie, Vergütungsmodelle, das ESG Reporting, die Produktentwicklung, Ankaufsstrategien und weitere Portfoliomaßnahmen, Datenquellen und das Management vorhandener Daten und natürlich auch die Energieeffizienz, Materialökologie und Zirkularität einzelner Projekte bzw. Objekte im Portfolio. Außerdem sollten Unternehmen sich Gedanken machen, auf welchem Ambitionslevel sie sich mit ESG-Themen befassen möchten. Wir unterscheiden zwischen Pionieren, Adoptern und Compliern. Während Pioniere eine Vorreiterrolle einnehmen möchten, positionieren sich Adopter „nur“ markt- und branchenkonform. Complier haben in der Regel kein Interesse daran, ESG-Produkte zu verwalten und möchten daher ausschließlich die regulatorischen Mindestanforderungen erfüllen. Sind diese Entscheidungen getroffen, alle wesentlichen Daten erhoben und aufbereitet und in einer ESG-Matrix zusammengeführt worden, entsteht eine Entscheidungsgrundlage, welche ESG-Standards und Scoringmodelle sowie Zertifizierungssystem für ein Unternehmen relevant ist. Die passende Lösung hängt also direkt mit den individuellen Eigenschaften eines jeden Unternehmens zusammen und kann nicht pauschal bestimmt werden.
Allgemein gültig sind jedoch die Rahmenbedingungen: Das ESG-Reporting nach CSRD wird 2025 zur Pflicht, bei Nicht-Erfüllung drohen schmerzhafte (finanzielle) Strafen. Es lohnt sich also, frühzeitig Orientierung zu gewinnen. Zudem ist abzusehen, dass ESG-Compliance weiter Einzug halten und sich zu einem relevanten Wirtschaftsfaktor werden wird. Wer sich zukunftsfähig aufstellen möchte, sollte auch einen Blick in diese Richtung wagen.