Der Autor
Benno ZankerLeiter Development, Aurelis Real Estate GmbH
Das Beispiel Nürnberg-Lichtenreuth zeigt, wie wichtig vor diesem Hintergrund die konsequente Entwicklung von Brownfields ist – und welche Vorteile Kommunen, Unternehmen und Anwohner davon haben.
Im Jahr 2021 wurden bundesweit täglich rund 55 Hektar als Siedlungs- und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Auf ein Jahr gerechnet wurde somit eine Fläche von rund 28.500 Fußballfeldern beplant, umdefiniert und damit in gewisser Weise „verbraucht“. Die Auswirkungen sind spürbar: Die Zersiedelung nimmt zu, wertvolle Ackerflächen und Landschaftsräume gehen verloren. Gleichzeitig geht die Siedlungsdichte in vielen Regionen zurück, weshalb die Rentabilität von Versorgungseinrichtungen, benötigter Infrastruktur und öffentlichen Verkehrsmitteln sinkt. Der gefürchtete Donut-Effekt tritt ein. Hierbei entstehen am Rand von Städten oder Kommunen immer neue Siedlungen, während das Zentrum durch Leerstände eine Abwertung erfährt.
Die Aurelis als einer der führenden Immobilienentwickler in Deutschland versucht seit langem, diesem Prozess entgegenzuwirken. Seit vielen Jahren erwirbt das Unternehmen Brownfields, um ihnen neue und nachhaltige Nutzung zuzuführen. Industriebrachen werden revitalisiert, Baulücken geschlossen, Leerstände behoben.
Jüngstes Beispiel: Nürnberg-Lichtenreuth. Auf einer Gesamtfläche von mehr als 100 Hektar entsteht hier in den kommenden Jahren ein neues Stadtviertel mit 2.500 Wohnungen, Nahversorgungseinrichtungen, Büros und sozialer Infrastruktur. Mehr noch: Lichtenreuth wird auch Standort der neuen Technischen Universität Nürnberg, die einmal bis zu 6.000 Studierenden Platz bieten wird.
Entwickelt wird all das auf dem Gelände des ehemaligen Südbahnhofs, einem klassischen Brownfield in unmittelbarer Nähe des beliebten Volksparks Dutzendteich und nur wenige hundert Meter von der Innenstadt entfernt. Jahrzehntelang lag das Areal mit seinen alten Bahngebäuden und Industriehallen brach, bis die Aurelis das Gelände übernahm und mit den Planungen begann. Nach einigen Jahren intensiver Arbeit werden nun in wenigen Monaten die ersten Anwohnerinnen und Anwohner in Lichtenreuth ihre Wohnungen beziehen. Die neue TU Nürnberg hat bereits 2022 ihren vorläufigen Studienbetrieb dort aufgenommen. Wo über Jahrzehnte Stillstand herrschte, zieht neues Leben ein.
Lichtenreuth und die neue TU Nürnberg entstehen nicht auf der grünen Wiese, sondern in Zentrumsnähe und innerhalb bestehender urbaner Strukturen. Das bietet viele Vorteile, weit über die Vermeidung eines zusätzlichen Flächenverbrauchs hinaus. Der Blick auf die Karte zeigt, dass der neue Stadtteil eine riesige Lücke im Stadtbild von Nürnberg schließt. Große Quartiere wie der Hasenbuck im Norden oder die Bauernfeindsiedlung im Süden werden plötzlich vernetzt und durch die neu entstehende Infrastruktur aufgewertet. Beispielhaft hierfür sind das neu entstehende Radwegenetz und die Verlängerung der Trambahnlinie 7. Sie erschließt künftig nicht nur Lichtenreuth und das Uni-Gelände, sondern wird bis zur Bauernfeindstraße weitergeführt.
Die äußere Erschließung kann über bestehende Verkehrsachsen wie die Münchner Straße oder die Ingolstädter Straße abgebildet werden. Neue Zubringerstraßen, deren Bau zusätzliche Flächenversiegelungen und Belastungen für die Anwohner mit sich bringen würde, sind nicht nötig. Auch die Medienanbindung des neuen Stadtteils ist zum Großteil bereits vorhanden, was den ökologischen Fußabdruck mindert. Ausgedehnte und hochwertige Park- und Grünflächen verbessern die Ökobilanz zusätzlich.
Die Entwicklung eines Brownfields wie in Lichtenreuth ist im Vergleich zu einem Greenfield aber auch mit höheren Kosten verbunden ist. Ein wesentlicher Kostentreiber sind die Maßnahmen zur Bodensanierung und Altlastenbeseitigung, die aufgrund der Vornutzung notwendig sind. In Lichtenreuth fanden sich keine toxischen oder anderweitig kritischen Stoffe. Doch allein die Beseitigung der gewaltigen Schuttmassen, die sich aus dem Abriss der alten Gebäude und Hallen zur Zwischennutzung ergaben, war mit viel Aufwand verbunden. Rentabel ist die Entwicklung von Brownfields daher in der Regel nur, wenn nach der Sanierung eine höherwertige Nutzung der Fläche möglich ist.
In Lichtenreuth sollen einmal bis zu 6.000 Menschen wohnen. Sie profitieren von kurzen Wegen, einem breiten kulturellen Angebot und vielen weiteren Annehmlichkeiten, die ein Leben in der Stadt bietet. Aber sie stärken eben auch den Standort Nürnberg mit ihrem Know-how, ihrer Arbeitskraft und ihren Konsumausgaben.
Projektentwicklungen wie Lichtenreuth sind wegweisend. Denn „Boden“ ist gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ein endliches Gut. Die Bundesregierung strebt an, den Flächenverbrauch in Deutschland bis 2050 auf Netto-Null zu senken. Anstelle von Neuausweisungen für Siedlungen und Verkehrswege soll eine Kreislaufwirtschaft treten. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich umso mehr, die Prozesse rund um die Entwicklung ehemaliger Industriebrachen gründlich zu evaluieren und wenn möglich weiter zu optimieren und zu vereinfachen. Denn Brownfields gehört die Zukunft.