Interview mit Alexander Langendörfer, Geschäftsführer, DIRINGER & SCHEIDEL Wohn- und Gewerbebau GmbH

Auf welche Prioritäten kommt es bei Revitalisierungen wirklich an und wie wichtig ist die Erfahrung mit anderen Assetklassen?

Wie man „lame ducks“ vermeidet und warum die „geräuschlose“ Vorbereitung eines hochkomplexen Revitaliserungsprojektes sehr wichtig ist, erklärt Alexander Langendörfer im Interview mit Karin Hanten.

Alexander Langendörfer Karin Hanten 30. Oktober 2023
Immobilien-Dialog Revitalisierung von Handelsflächen
Quelle: Heuer Dialog

Heuer Dialog: Die Liste der Referenzen der Diringer & Scheidel Unternehmensgruppe ist lang – und breit gefächert. Ihre Expertise insbesondere im Bereich der Entwicklung und Revitalisierung von innerstädtischen Standorten lässt sich exemplarisch an zwei großen Projekten in Mannheim aufzeigen. Trotz aller Individualität der Situationen: Was ist Ihrer Meinung nach immer die erste Herausforderung, die es zu meistern gilt?

Alexander Langendörfer: Als Mannheimer Projektentwickler kennen wir natürlich unsere Stadt und ihre grundsätzlichen Bedarfe. Dennoch beginnt auch hier jede Entwicklung mit einer Idee und ihrer Machbarkeit. Der Erfolg einer Projektentwicklung wird sich nur einstellen, wenn sich auch die Stadtgesellschaft dafür gewinnen lässt. Die Frage ist also: Wo liegt der Mehr-Wert? Es gilt, relevante Stadtakteure und ihre aktuellen Anliegen von Beginn an zu kennen und in der Entwicklung „mitzudenken“. Potenzielle Nutzer und ihre aktuellen Bedarfe sind abzugleichen. Häufig ist es sinnvoll, auch die Kommune als Entscheidungsträgerin frühzeitig in relevante Überlegungen einzubinden. Aber schließlich steht und fällt die Sache ja mit dem erfolgreichen Ankauf der benötigten Grundstücke, die häufig mehr als einem Eigentümer gehören. Die komplexen Vorbereitungen einer solchen Projektentwicklung müssen dabei vor allem auch „geräuschlos“ von statten gehen. Manches innerstädtische Projekt ist in einem noch nicht belastbaren Frühstadium medial „zu Tode“ diskutiert worden. Oberste Priorität hat deshalb die Schaffung einer vertrauensvollen Basis mit den Partnern und dies über den langen Prozess von erster Idee bis baureifer Planung auch aktiv zu gestalten.

 

HD: Beim Quartier Q 6 Q 7 können Sie nach einigen Jahren nun schon eine erste Bilanz ziehen, ob die Revitalisierung und Entwicklung dieses Standorts gelungen ist. Hat diese Quartiersentwicklung auch Corona gut überstanden und wenn ja, warum?

Langendörfer: Ich würde sagen, das Quartier Q 6 Q 7 hat die Pandemie bestmöglich überstanden. Das liegt an ihrem diversen Nutzungskonzept, das dafür sorgt, dass sich das Quartier als lebendiger Microkosmos in der Stadt erhalten hat. In der Zeit der Pandemie wurden besonders betroffene Segmente wie der Handel oder die Hotellerie sozusagen gehalten durch jene Nutzungen, die hiervon nicht in gleichem Maße betroffen waren, nämlich Wohnen, Büros und Praxen. So blieb das Leben, die Dynamik im Quartier, wenn auch gedrosselt. Nichts ist ja schlimmer für ein Stadtquartier, als wenn es zur „lame duck“ wird. Inzwischen ist das Quartier Q 6 Q 7, in dem ja auch Fitness und eine familienfreundliche Gastronomie eine integrative Rolle spielen, wieder zu seiner urbanen Vielfalt zurückgekehrt.

 

HD: Bei der aktuellen Revitalisierung des Standorts Kaufhof im Quadrat N7 sind Sie erneut als Projektentwickler und Bauherr tätig. Hier zeigt sich einmal mehr, dass die ursprüngliche Gebäudesubstanz eines Warenhauses nicht erhalten bleiben kann. Die Finanzierbarkeit der einzelnen Möglichkeiten für Abriss, Teilerhaltung und Neubau spielen dabei eine komplexe Rolle. Welches sind die entscheidenden Berechnungskriterien bei diesem Projekt?

Langendörfer: Der Standort N7 erfährt eine Transformation hinsichtlich der Nutzung und setzt innerstädtisch ein nachhaltiges Architekturkonzept um. Unser Projekt New7 verbindet Handel im Erdgeschoss mit Büros im Obergeschoss und darüber vier Geschosse Wohnen mit neuen Livingkonzepten wie Micro-Apartments. Grundsätzlich sind der Rückbau ebenso wie der Erhalt von Gebäudeteilen mit Kosten verbunden, denn auch im Bestand muss entkernt und neu ausgebaut werden. Kostenintensiv ist im Fall von New7 zum Beispiel auch die Ertüchtigung der Statik zur Schaffung neuer Treppenhauskerne. Bauen im Bestand wird jedoch auch gefördert, dies ist natürlich gegenzurechnen. Die Bindung sogenannter grauer Energie, die Reduzierung von Emissionen im Neubau, die ressourcenschonende und klimafreundliche technische Gebäudeausrüstung sind in der langfristigen Bewertung wesentliche Faktoren. Im Rahmen des Neubaus auf den Bestand von New7 gelingt uns jedoch noch etwas anderes, Entscheidendes: Erstens generieren wir ein Geschoss mehr bei der Nutzung Wohnen, weil Wohnräume eine niedrigere Raumhöhe erfordern als Handelsflächen. Zweitens verkürzen wir in Holzhybridbauweise die Bauzeit. Es ist also nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit und der ESG-Relevanz für Investoren von Vorteil sondern auch in der Betrachtung unserer Gestehungskosten. Insgesamt ist festzuhalten, dass Investmentimmobilien künftig im Rahmen ihres Architektur- und Nutzungskonzepts die ESG-Kriterien in hohem Maße erfüllen müssen. Die Wirtschaftlichkeit im Betrieb aber auch die Nachfrage von potentiellen Mietern werden dadurch maßgeblich beeinflusst.

 

HD: Welchen Einfluss hat Ihre Erfahrung im Bereich der Entwicklung anderer Assetklassen auf die Art der Revitalisierung von einstigen Warenhaus-Standorten?

Langendörfer: Unsere komplexe Marktkenntnis in allen Segmenten lässt uns bei Mischnutzungen in der Betrachtung des Standorts und seiner Möglichkeiten sehr früh über die anteilige Aufteilung von passenden Nutzungen und ihre Lage im Gebäude entscheiden und Gespräche mit potenziellen Nutzern aufnehmen. Dennoch gibt es auch immer noch Anpassungen in bereits laufenden Planungen, insbesondere wenn die innerstädtische Handelswelt wie jetzt gerade einem starken Wandel unterliegt. Dass wir die Untergeschosse unseres Projekts New7 letzlich ausschließlich für eine Parkgarage und Kellerräume vorsehen, war zum Beispiel zu Beginn nicht angedacht. Wir hatten ursprünglich vor, noch weitere Handelsflächen für das Food-Segment im Untergeschoss anzubieten. Die Entwicklung in der City hat jedoch gezeigt, dass dies keine erfolgversprechende Nutzung gewesen wäre. Unser Vorteil ist eben, dass wir bei jeder Entwicklung nicht nur Planer, Kaufleute, bautechnische Experten, Property und Facility Manager sondern eben auch Fachleute aus unseren Betreibergesellschaften, in diesem Fall unsere Handelsexperten, zeitnah zu Rate ziehen können. Dieses sehr diverse Leistungsspektrum unter einem Dach hat uns sicher das eine oder andere Mal auch vor falschen Entscheidungen bewahrt.

 

HD: Abschließend noch eine Frage zur Einschätzung in der Branche: In Ihrer Unternehmensgruppe arbeiten derzeit 4.000 Mitarbeitende – Sie selbst sind bereits knapp 30 Jahre im Unternehmen. Wie würden Sie die Chancen und Skills in der Immobilienbranche damals versus heute in einem kurzen Statement beurteilen?

Langendörfer: Chancen gab und gibt es zu jeder Zeit. Sie zu erkennen und dann auch tatsächlich zu nutzen, ist entscheidend. Aber eben auch das Wagnis, das man eingehen muss. Gab es früher potentiell mehr verfügbare Grundstücke am Markt, sind es jetzt eben die gestiegenen Chancen bei der Transformation von Bestandsimmobilien, die es zu entdecken gilt. Insgesamt ist für den Erfolg entscheidend, welche Summe an Expertise im Team eines Projektentwicklers vorhanden ist. Als ich vor 30 Jahren begonnen habe, gab es noch strenge Trennungen zwischen den einzelnen Fakultäten und ihren „Wissens-Räumen“. Als Diplom- Kaufmann musste ich mir das für eine Projektentwicklung darüber hinaus erforderliche technische Wissen erst in der Praxis aneignen. Heute sind die Studiengänge hier viel breiter und durchlässiger angelegt und bieten anschließende Vertiefungen im Master. Die Absolventen bringen von daher theoretisch bereits ein besseres Verständnis in der Breite und hinsichtlich der Abhängigkeiten mit ins Unternehmen als früher.

 

HD: Herr Langendörfer, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Karin Hanten, Projektleiterin, Heuer Dialog GmbH

Die Autoren
Alexander Langendörfer
Geschäftsführer, DIRINGER & SCHEIDEL Wohn- und Gewerbebau GmbH
Karin Hanten
Projektleiterin, Heuer Dialog GmbH

Das Event zum Thema

Donnerstag, 30.November.2023
Handels-Dialog Revitalisierung großer Handelsflächen
Krefeld