Interview mit Carl Zillich, Hauptgeschäftsführung des Projektbüros Innenstadt Bremen GmbH

Welche Pläne gibt es für Bremens Innenstadt? Und wer ist in der Verantwortung?

„Die Innenstadt ist in einer Identitätskrise“ sagt Carl Zillich. Er spricht mit Karin Hanten über die Neugestaltung und welche Schlüsselprojekte Bremen bis 2035 prägen werden.

Carl Zillich Karin Hanten 1. Oktober 2023
Bremen
Quelle: Shutterstock

Heuer Dialog: „Innenstadt“ mutiert in den letzten Jahren und weiterhin fast zu einem Schimpfwort, obwohl die Bedeutung so wichtig ist. Eine große Herausforderung/Verantwortung in Bezug auf Ihre Job-Beschreibung. Wie gehen Sie damit um?

 

Carl Zillich: Die Innenstadt ist in einer Identitätskrise. Ich selbst bin so sozialisiert, dass ich die Innenstädte Deutschland- und weltweit als Shopping- und Touristendestinationen wahrgenommen habe. Die Touristen bleiben uns sicher erhalten, aber beim Shopping gibt es nur ein nach vorne, keinen Weg zurück, um das Wort „Innenstadt“ vom Schimpfwort wieder zu einem Versprechen zu machen. Das Neue gemeinschaftlich zu entwickeln ist meine Motivation für diese Aufgabe.

 

HD: Die Bürger wollen überall – auch in Bremen – ein paar Grundbedürfnisse gestillt haben, z.B. Sicherheit, Sauberkeit, Vielfältigkeit bei Einkauf und Gastro, gute Erreichbarkeit, gutes Parken, Kulturangebote, Events und eine gut besuchte Innenstadt mit positivem Flair. Geht das überhaupt alles gleichzeitig?

 

CZ: Es geht gleichzeitig, wenn wir die Innenstadt nicht als homogenen Körper begreifen, sondern in einzelnen Quartieren denken, die jeweils besondere Begabungen haben oder Qualitäten entwickeln können. Die Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Sauberkeit und Erreichbarkeit sind aber natürlich überall das Ziel.

 

HD: Gern würde ich als Autofahrerin konkret beim Parken in Bremen anfangen. Welche Lösungen haben Sie und die beteiligten Akteure dazu? Und was wird vielleicht durch klimapolitische oder andere Pläne gebremst?

 

CZ: Ich habe von Anfang an immer von der „autoarmen“ Innenstadt gesprochen. Und ich glaube, das ist es, was sich europaweit durchsetzt und wo Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität zusammen gedacht werden müssen. Das heißt konkret, dass weiterhin Parkhäuser zur Verfügung stehen müssen, aber das Parken auf Straßen und in Höfen zur Disposition steht.

 

HD: Wie steigern Sie konkret die Attraktivität der Innenstadt für Einwohner und Besucher?

 

CZ: Zur Steigerung der Aufenthaltsqualität geht es darum, neue Angebote in den Straßen und auf den Plätzen zu ermöglichen, auch für Kinder und Jugendliche. Das Miteinander von Erdgeschoss-Zonen und öffentlicher Raum muss von beiden Seiten angegangen werden. Es geht darum um, eine neue Nutzungsvielfalt zu ermöglichen.

 

HD: Welche innovativen Konzepte setzen Sie dem Leerstand von Handelsflächen entgegen? Wie helfen Sie dem Einzelhandel?

 

CZ: Beim Leerstand muss insbesondere der Markt reagieren, das heißt auch Eigentümer müssen den Wandel gestalten wollen und gleichzeitig ihre Renditeerwartungen anpassen. Dem Einzelhandel kann die Öffentliche Hand helfen, indem die Destination Innenstadt wieder attraktiv wird und so eine gesteigerte Frequenz auch dem Einzelhandel zugutekommt.

 

HD: Wie managen Sie - in Ihrer neutralen Position - Differenzen zwischen interessengeprägten Innenstadt-Akteuren?

 

CZ: Ich gehe diese Herausforderung mit sehr viel Zuhören und Pendeldiplomatie an, um Synergien zu heben und Differenzen frühestmöglich in den Entwicklungsprozessen auszuräumen, um die notwendige öffentlich-private Partnerschaft in der Stadtentwicklung „geschmeidig“ zu machen.

 

HD: Gastronomie: welche Rolle spielt sie nach Corona und wie berücksichtigen Sie diesen Zweig in Bremen?

 

CZ: Bei der Gastronomie gibt es in Bremen Qualitäten, auf die wir aufbauen können. Z.B. die „Schlachte“ und der „Tempeldistrikt“ rund um das Weltkulturerbe sind stabil. Insofern ist das Thema Gastronomie eingebettet in die Entwicklung der öffentlichen Räume.

 

HD: Was sind die nächsten großen Steps, die Sie in Bremen anstoßen?

 

CZ: Der Domshof wird fit für die Zukunft gemacht, am Parkhaus Mitte geht die Stadt in die Verantwortung der Projektentwicklung, so dass eine Blockade im Transformationsprozesse aufgelöst wird. Darüber hinaus haben wir ein Förderprogramm für Immobilienbesitzer, um Dächer zu neuen Treffpunkten in der Stadt zu machen. Die Stadt investiert konkret in Klimaanpassung der Innenstadt über Begrünung und in Richtung „Schwammstadt“. Neben der Aufenthaltsqualität werden auch neue Destinationen wie ein Stadtmusikantenhaus und ein Welterbezentrum etabliert. Zudem zieht die Uni in Teilen in die Innenstadt.

 

HD: Welches Bremen werden wir in 2035 in Bezug auf Innenstadt vorfinden – bitte Ihre sehr persönliche Prognose.

 

CZ: Das ist eine Innenstadt, die aus vielen Mosaikbausteinen ihre neue Identität bildet, das heißt dass unterschiedliche Charaktere und Angebote durch Rundläufe vernetzt sind. Die Innenstadt in 2035 ist ein Treffpunkt für alle Bevölkerungsgruppen Bremens und die Touristen, die eine ungeahnte Nutzungsmischung hervorbringen.

 

HD: Was wollten Sie früher einmal werden – was war ihr ursprünglicher Berufswunsch?

 

CZ: Als Kind wollte ich vormittags Städte planen und sie nachmittags bauen. Mein Vater war klassischer Stadtplaner und offenbar habe ich damals schon von der Umsetzung aus denken wollen.

 

HD: Herr Zillich, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Das Interview führte Karin Hanten.

Die Autoren
Carl Zillich
Hauptgeschäftsführung, Projektbüro Innenstadt Bremen GmbH
Karin Hanten
Projektleiterin, Heuer Dialog GmbH

Das Event zum Thema

Dienstag, 5. Dezember - Mittwoch, 6. Dezember 2023
Immobilien-Dialog Bremen
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