Der Autor
Alexander RauschImmobilienökonom (IRE|BS), Senior Manager und Head of ESG Consulting, Drees & Sommer
Die Immobilienbranche sieht sich mit großen Veränderungen konfrontiert. Neben aktuellen Herausforderungen wie steigenden Zinsen und schärferer Regulierung gibt es drängende Zukunftsthemen, die vielerorts noch nicht konsequent genug angegangen werden – allen voran Nachhaltigkeit.
Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Immobilienunternehmen ihr Geschäftsmodell an ökologische und soziale Standards anpassen. Wie eine aktuelle Studie zeigt, sehen über 70% der befragten Unternehmen Nachhaltigkeit als Top-Priorität. Dennoch hapert es in der Praxis oft noch mit der Umsetzung.
Beispiele wie der Umstieg auf erneuerbare Energien, die Minimierung grauer Energie oder die Schaffung lebenswerter Quartiere belegen, dass ökologisches und soziales Bauen möglich ist. Im Neubau können klimafreundliche Materialien und effiziente Haustechnik für optimierte Energiebilanzen sorgen. Bei Bestandsimmobilien bieten sich Investitionen wie die Sanierung der Gebäudehülle oder der Austausch veralteter Heizungsanlagen an.
Auch in der Projektentwicklung gilt es, ESG-Kriterien von Anfang an zu berücksichtigen. Nachhaltige Mobilitätskonzepte wie Sharing-Angebote oder Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge sollten Teil des Projekts sein. Zudem lässt sich durch die Wahl des Standorts und eine kompakte Bauweise der Flächenverbrauch reduzieren.
Die Digitalisierung ermöglicht dabei vieles: Ob energieoptimierte Gebäudetechnik, digitale Zwillinge zur Simulation von Effizienzmaßnahmen oder der Einsatz moderner Analyseverfahren zur Zustandsanalyse von Bestandsgebäuden – die Möglichkeiten sind vielfältig.
Auch mehr Diversität und interdisziplinäre Zusammenarbeit würden der Branche guttun. Unterschiedliche Blickwinkel können helfen, zukunftsweisende und menschengerechte Lösungen zu entwickeln.
Dabei muss jedoch die Skalierbarkeit von Maßnahmen beachtet werden. Oft stehen aufwändige Prestigeprojekte im Fokus. Doch der Großteil der Gebäude ist von Premium-Standards weit entfernt. Hier müssen auch Eigentümer älterer Immobilien und kleinere Unternehmen einbezogen werden.
Einer Analyse zufolge lassen sich im deutschen Gebäudebestand bis 2045 rund 110 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen - etwa 30% der Einsparpotenziale im Sektor. Entscheidend sind smarte Lösungen wie die Umrüstung auf moderne Gebäudeleitsysteme oder zeitgemäße Sanierungskonzepte. Politik und Branche müssen die richtigen Anreize für Investitionen in die Breite schaffen.
Auch die Förderung der Biodiversität rückt zunehmend in den Fokus. Wie eine Studie aufzeigt, sind in deutschen Städten über 50% der Fläche von Gebäuden und Versiegelung bedeckt. Um dem Verlust von Lebensräumen entgegenzuwirken, sind naturnahe Gestaltungskonzepte gefragt.
Um all dies umzusetzen, braucht die Branche Mut zu Investitionen und die Offenheit für neue Ansätze. Nachhaltigkeit sollte als Chance begriffen werden, die Zukunft der Immobilienwirtschaft aktiv zu gestalten. Mit ökologischer Verantwortung und klugen Konzepten kann die Branche aktuelle Herausforderungen meistern und gestärkt aus der Krise hervorgehen. Der Schlüssel liegt in einem Kulturwandel, der Nachhaltigkeit und Klimaschutz ins Zentrum rückt.