Der Autor
Erdal BektasGeschäftsführender Gesellschafter, ehret+klein
Die Wiederbelebung der Innenstädte ist eine Herausforderung, die es anzupacken gilt. Nach Ladenschluss verwandeln sich viele städtische Zentren in triste und verwaiste Areale, in denen kaum noch das Leben zu spüren ist. Dabei sollten gerade diese Orte das schlagende Herz einer jeden Stadt sein: lebendige Plätze, an denen sich Menschen begegnen, Ideen entstehen und Kultur aufblühen kann. Bedauerlicherweise schlummern zahlreiche Gewerbeimmobilien nach 20 Uhr regelrecht ein und entfalten nicht annähernd ihr volles Potenzial.
Es ist daher unumgänglich, neue Denkansätze und flexible Raumkonzepte zu entwickeln, die eine vielfältige Nutzung der Flächen ermöglichen. Warum sollten Bürogebäude nach Geschäftsschluss leer stehen, wenn sie stattdessen anderweitig genutzt werden könnten? Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, diese Räumlichkeiten an Sprachschulen zu vermieten, die ihre Kurse häufig in den Abendstunden abhalten.
An einer solchen Neuinterpretation der Innenstadtflächen und ihrer Transformation zu attraktiven Räumen mit einer eigenen Identität, arbeiten wir gerade in Worms, wo wir den ehemaligen Kaufhof an der Kämmerer Straße zukunftsweisend zu neuem Leben erwecken. Statt das Gebäude komplett abzureißen, setzt das Projekt „K32“ nun auf nachhaltige Architektur und die Wiederverwendung der vorhandenen Bausubstanz, um wertvolle Ressourcen zu schonen und die CO2-Bilanz zu verbessern. Dabei entsteht nicht nur ein ästhetisch ansprechender Ort, sondern auch ein lebendiger Raum für Begegnungen. Durch die Konzeption von "Dritten Räumen" entstehen Bereiche mit gastronomischen, kulturellen und Aufenthaltsangeboten, die die Besucherinnen und Besucher in einer Art urbanem Wohnzimmer zusammenbringen.
Das Projekt geht dabei auch über die bloßen Grundstücksgrenzen hinaus und berücksichtigt das gesamte Stadterlebnis. Teile der einst ausschließlich für private Nutzung vorgesehenen Obergeschosse werden nun für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Café mit Blick auf den beeindruckenden Wormser Dom wird beispielsweise eine Aussicht bieten, die der Öffentlichkeit lange Zeit vorenthalten war. Im Inneren des Gebäudes standen wir zunächst vor riesigen, dunklen Handelsflächen. Um Tageslicht in die Räume einzulassen, wurden Teile des inneren Kerns entfernt. Wo früher massive Rolltreppen standen, entstehen nun freundliche Lichthöfe, die das Gebäude von innen erhellen. Noch in der Architektur der Nachkriegszeit wurden Fenster reduziert, um den Fokus auf die Handelsprodukte zu lenken und den Blick nach außen abzuschirmen. Jetzt öffnen wir bewusst das Gebäude, um die Trennung zwischen Nutzer, Nachbarschaft und der Stadt aufzuheben. Auf diese Weise schaffen wir einen neuen urbanen Begegnungsraum für die Gesellschaft.
„K32“ setzt somit ein Zeichen für eine nachhaltige, integrative und zukunftsorientierte Stadtentwicklung. Entscheidend für unser Vorhaben ist es vor allem, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die das Gebäude letztlich in ihrem Alltag nutzen und erleben werden. Aufmerksames Zuhören und ein offener Austausch sind dabei von essenzieller Bedeutung, denn nur so kann ein sinnvoller Nutzungsmix entstehen und der einst stillstehende Ort wieder zum Leben erweckt werden.