Immobilien-Dialog Hamburg

Bauwirtschaft: Projektabbrüche verschärfen Wohnungsnot

Die eingetrübte volkswirtschaftliche Lage belastet zunehmend auch die Bauwirtschaft.

Sebastian Schnejdar 21. Juni 2023
Der Bau kann Wohnungsbedarf nicht decken
Quelle: Statistisches Bundesamt, BayernLB Research

Während sich der Wirtschafts- und der kommunale Bau weiterhin solide präsentieren, leidet v.a. der Wohnungsbau aufgrund der höheren Zinssensitivität unter hohen Auftragsstornierungen und Umsatzrückgängen. Im März berichteten in einer ifo Umfrage 16% der befragten Bauunternehmen im Wohnbau von Auftragsstornierungen. Ein Rekordwert.

Zwar weist das Bauhauptgewerbe lt. aktueller Schätzung des ifo Instituts mit einem Anteil von 0,9% an allen Beschäftigen bzw. 16.000 Personen weiterhin kaum Kurzarbeit sowie eine auch im Mai hohe Kapazitätsauslastung auf. Allerdings führte der deutliche Nachfragerückgang im Wohnungsbau bereits im Jahr 2022 zu einem Umsatzrückgang im gesamten Bauhauptgewerbe von real 5,8% im Vergleich zum Vorjahr. Im ersten Quartal 2023 trübte sich das Bild nun weiter ein. So summieren sich die realen Umsatzrückgänge von Januar bis März 2023 mittlerweile auf 8,2% im Vergleich zum Vorjahresquartal.  Auch der Ausblick zeigt sich deutlich eingetrübt, wie der Rückgang der Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe in Q1 2023 um 19% im Vergleich zu Q1 2022 veranschaulicht.

Gerade Bauträger und Projektentwickler sind besonders vom derzeitigen Marktumfeld betroffen. Das höhere Zinsniveau verteuert die Refinanzierung. Auch die Eigenkapitalanforderungen steigen. Des Weiteren können die weiterhin hohen Baukosten nicht im selben Maße wie in der Vergangenheit im Abverkauf – aufgrund der deutlich reduzierten Nachfrage am Wohnungsmarkt – kompensiert werden. Unter Berücksichtigung dieser negativen Effekte auf die Geschäftstätigkeit gewerblicher Bauträger und Projektentwickler kommt es verstärkt zur Verschiebung bis hin zum Abbruch neuer Bauprojekte. Dementsprechend weist auch das Immobilienklima des IW Köln für Q1 2023 eine deutlich angespannte Stimmung unter gewerblichen Projektentwicklern auf. So bewerteten die Unternehmen ihre Lage – seit Beginn der Umfrage im 2014 – noch nie so schlecht wie derzeit. 

Durch die erhöhten Stornierungen rücken die Ziele der Bundesregierung von jährlich 400.000 neuen Wohnungen in weite Ferne. Allerdings wurden auch in den Vorjahren die Zielvorgaben bereits deutlich verfehlt. So wurden im Jahr 2022 in Deutschland nur knapp über 295.000 Wohnungen neu errichtet. Damit konnte erneut die benötige Anzahl an neuen Wohnungen nicht errichtet werden. Daher vergrößert sich die Baulücke zwischen Bedarf und Angebot seit Jahren.

Als positives Beispiel kann allerdings Hamburg angesehen werden. Hier wurden im Jahr 2022 mit 9234 neuen Wohnungen rund 18% mehr fertiggestellt als im Jahr 2021. Damit beweist Hamburg, wie schon in den letzten Jahren, das eine Erhöhung der Fertigstellungszahlen im Einklang mit den steigenden Bevölkerungszahlen grundsätzlich möglich ist.

Fazit  - Der Boom am Wohnimmobilienmarkt geht ohne Crash zu Ende

Trotz Entspannung bei der Materialversorgung bleiben die grundsätzlichen strukturellen Kostentreiber am Bau weiterhin bestehen. Mittelfristig ist daher nicht mit einer Reduzierung der Baukosten zu rechnen. Für 2023 erwarten wir zudem einen Einbruch der Fertigstellungszahlen auf nur noch 250.000 Wohnungen. Wodurch sich der Mangel an Wohnraum weiter verschärft. Unter dem Strich trifft damit ein weiterhin äußerst knappes Wohnungsangebot auf eine aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus reduzierte Nachfrage. Nach leicht steigenden Wohnimmobilienpreisen im Jahr 2022 erwarten wir für das Gesamtjahr 2023 einen Rückgang der landesweiten Wohnimmobilienpreise um -5%. Bisher wies der vdp für das Anfangsquartal 2023 einen landesweitern Preisrückgang von -2,1% im Vergleich zu Q1 2022 sowie von -1,4% in den Top-7 Städten aus.

Der Autor
Dr. Sebastian Schnejdar
Immobilienökonom, Bayerische Landesbank (BayernLB)

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Dienstag, 11. Juli - Mittwoch, 12. Juli 2023
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