Der Autor
Dr. Thomas SchlenkerSenior Vice President & CDO, Schüco International KG
Die Ziele in Europa sind anspruchsvoll. Mit dem Maßnahmenpaket „Fit-for-55” innerhalb des Europäischen Green Deal der EU-Kommission sollen die Treibhausgas-Emissionen in der EU bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken und bis 2050 soll die EU klimaneutral sein. Deutschland hat mit dem Klimaschutzgesetz der Bundesregierung sogar eine Minderung um 65 Prozent bis 2030 beschlossen und die Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Auf den Gebäudebau und die Gebäudenutzung entfallen fast 40 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Auf die Bauindustrie kommen damit neben dem Verkehrssektor die vermutlich größten Herausforderungen zu. Mit dem modularen Angebot Carbon Control gibt das Bielefelder Unternehmen Schüco nun allen am Bauprozess beteiligten ein Instrument zur Hand, das die Realisierung der klimagerechten Gebäudehülle steuerbar macht. Gebäude bleiben damit zukunftssichere Investitionen, die auch nach 2030, 2045 und 2050 den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden können. Denn für einen langfristigen Werterhalt wird zukünftig das „Lebenszyklus-Treibhauspotential“ eines Gebäudes ausschlaggebend sein, das mit dem GWP-Wert – dem Global Warming Potential-Wert – berechnet wird. Der GWP-Wert ist als CO2e-Wert (für CO2-equivalent) ausgewiesen und ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Operational Carbon Emissions und Embodied Carbon Emissions. Operational Carbon Emissions entstehen während des Gebäudebetriebs, Embodied Carbon Emissions weisen aus, wie viel CO2 in den verbauten Produkten eingebettet ist. Über ressourcenschonende Materialverwendung, bauwerkintegrierte Photovoltaik, eine intelligente Gebäudesteuerung oder Cradle to Cradle zertifizierte Produkte können die Gesamtemissionen gesenkt werden.
Die Steuerung dieses Prozesses und damit die Einhaltung komplexer Regularien und Zertifizierungen ist jedoch nur schwer mit der Situation der am Bau Beteiligten in Einklang zu bringen. Für Planungs- und Architekturbüros wird es immer herausfordernder, sich in der Menge der Anforderungen und Vorgaben zu orientieren. Verarbeiter wiederum stehen vor der Schwierigkeit, die Anforderungen nachhaltiger Ausschreibungen zu erfüllen, damit ihr Unternehmen wettbewerbsfähig und zukunftssicher aufgestellt bleibt.
CO2-Kontrolle entlang aller Lebenszyklusphasen eines Gebäudes
Carbon Control ist ein modulares Angebot, bestehend aus Produkten und Services entlang des Lebenszyklus eines Gebäudes, mit dem die Dekarbonisierung der Fassade objektspezifisch steuerbar wird. Strukturiert ist das Angebot entlang der vier Lebensphasen eines Gebäudes: Planen, Bauen, Betreiben und Rückbauen. Begleitend zu Produkten und Services umfasst das Angebot objektspezifische Beratung durch ein Team von CO2-Beratern, das Architekten, Planer und Verarbeiter dabei unterstützt, den CO2-Fußabdruck der Gebäudehülle aktiv zu minimieren.
1 Planung: Design to Decarb
2 Bau: Build to Decarb
3 Betrieb: Operate to Decarb
4 Rückbau: Recycle to Decarb
Design to Decarb
Bereits in der Entwurfs- und Planungsphase werden die Weichen für die spätere CO2-Bilanz eines Gebäudes gestellt. Daher beginnt Carbon Control im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes mit seinem Angebot und der begleitenden Beratung bei den Investoren, Architekten und Fachplanern. Denn über die Gebäudeform, die Material und Oberflächenwahl, die Elementgrößen und den Einsatz smarter Gebäudetechnologie kann der CO2e-Wert schon in der Planung minimiert werden. Immer häufiger werden seitens der Investoren und Bauherren Zertifikate wie LEED, BREEAM, QNG oder DGNB angestrebt, mit denen das Gebäude nachweislich den Nachhaltigkeitskriterien entspricht und damit an Wert und Attraktivität gewinnt und diesen auch langfristig behält. Genau wie der GWP-Wert, berücksichtigen diese Gebäudezertifikate den gesamten Lebenszyklus. Schon zu Beginn müssen daher die späteren Phasen mitgedacht werden. Zusätzlich garantiert der Einsatz von Cradle to Cradle zertifizierten Systemen die Unbedenklichkeit und Kreislauffähigkeit der Materialien.
Build to Decarb
In der Bauphase versetzt Carbon Control den Verarbeiter in die Lage, aktiv den CO2-Fußabdruck des geplanten Elements zu steuern. SchüCal bietet als 3D-Kalkulationssoftware mit der fortlaufenden Berechnung und Ausspielung des CO2-Fußabdrucks als CO2e-Wert das passende Instrument zur gezielten Planung. Außerdem ermöglicht SchüCal dem Nutzer die Auswahl der Materialoption. Hier gibt es neben dem Standard-Aluminium die beiden neuen Aluminiumgüten Low Carbon (LC) und Ultra Low Carbon (ULC) Aluminium. Die Auswirkung der Verwendung dieser neuen Aluminiumgüten LC und ULC lässt sich ebenfalls rechnerisch ermitteln. Darüber hinaus optimiert Schüco fortlaufend sein nachhaltiges Verpackungsmanagement, indem Wertstoffkreisläufe installiert und damit die Verwendung von Ressourcen reduziert werden.
Mit Build to Decarb sichert Schüco die langfristige Wettbewerbsfähigkeit seiner Partner und begleitet sie auf dem Weg hin zu einer CO2-minimierten Produktion.
Operate to Decarb
Auch für den hocheffizienten und CO2-minimierten Betrieb von Gebäuden bietet Carbon Control die richtigen Produkte und Services, um so eine optimale energetische Bilanz zu erreichen. Angefangen mit einer intelligenten Gebäudesteuerung über hochwärmegedämmte Gebäudehüllenelemente bis hin zur Gewinnung von Energie durch bauwerkintegrierte Photovoltaik leisten smarte Produktlösungen in der Betriebsphase einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion. Dank IoF ID (Internet of Façades), einer an dem Fenster-, Tür oder Fassadenelement angebrachten Plakette, über die Informationen zu dem Produkt digital zugänglich gemacht werden, können Wartungen und Produktupgrades effizient geplant und durchgeführt werden. Dies stellt den dauerhaft nachhaltigen Gebäudebetrieb sicher und verlängert auch die Lebensdauer der verbauten Systeme. Darüber hinaus gibt es einen After Sales Service, der Wartungen und Nachrüstungen ausführt. Damit wird der Werterhalt der Elemente sichergestellt und ihre Funktionsfähigkeit verlängert.
Recycle to Decarb
Cradle to Cradle Zertifizierungen stellen sicher, dass die Bauprodukte in den Gebäuden das Rohstofflager der Zukunft sind. Dieses Konzept sieht vor, dass alle im System eingesetzten Materialien am Ende ihrer Lebensdauer wieder als neuer Werkstoff in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Damit entsprechen Cradle to Cradle zertifizierte Systeme den Vorgaben der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), der im Europäischen Green Deal zum Erreichen der Klimaneutralität von der Politik eine zentrale Bedeutung zugeschrieben wird. Ein wichtiger Baustein sind dabei Cradle to Cradle zertifizierte Systeme oder das VinylPlus Produkt-Label, die den Beitrag einzelner Produkte zur Kreislaufwirtschaft im Aluminium oder Kunststoffbereich ausweisen.
Um Gebäude als Rohstofflager der Zukunft richtig nutzen zu können, werden Informationen darüber benötigt, welche Bauteile und Materialien an welcher Stelle eines Gebäudes zu finden sind und welchen Einfluss sie auf die Umwelt haben. Das lässt sich mit Hilfe der Plattform Madaster, dem Online-Kataster für Materialien und Produkte, nachvollziehen. Damit wird die Wiederverwendung der verbauten Ressourcen erleichtert und ein weiterer Schritt in Richtung einer zirkulären Bauwirtschaft beschritten.
Weitere Informationen unter www.carboncontrol.de