Der Autor
Dr. Marc AweniusLeiter der Geschäftsstelle, Bioökonomierat der Bundesregierung
Heuer Dialog: Wie lässt sich Bioökonomie in wenigen Sätzen beschreiben?
Dr. Marc Awenius: In einer breiter gefassten Definition bezeichnet „Bioökonomie“ jene Teile der Wirtschaft, die auf biologischen Ressourcen und/oder dem Wissen zu deren Nutzung basieren. Die Definition schließt die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme ein. Es geht darum, Produkte, Verfahren und Dienstleistungen innerhalb eines zukunftsfähigen, ressourcenschonenden Wirtschaftssystems bereitzustellen. Unterschiedliche branchenspezifische, wissenschaftliche Hintergründe oder regionale Gegebenheiten, wie der Zugang zu bestimmten Ressourcen, können allerdings dazu führen, dass der Begriff „Bioökonomie“ in Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik nicht immer gleich ausgelegt und mit Leben gefüllt wird.
HD:Was ist der konkrete Nutzen der Bioökonomie?
Awenius: Die Bioökonomie zielt darauf ab, auch in postfossilen Zeiten weiterhin erfolgreich ökonomisch am Forschungs- und Industriestandort Deutschland sowie in der Europäischen Union wirtschaften zu können. Das gewinnt gerade in jüngster Zeit massiv an Bedeutung, wie die weltpolitische Lage zeigt. Die konkreten Beiträge der Bioökonomie sehe ich daher eng mit Fragen der Ressourcenverfügbarkeit, Ressourceneffizienz und der Einsparung von Treibhausgas-Emissionen verknüpft. Fragestellung, die ja auch mit dem Thema nachhaltiges Bauen eng verbunden sind.
HD: Welchen Stellenwert hat die Bioökonomie in Deutschland?
Awenius: Deutschland war eines der ersten Länder, das schon 2010 eine eigene Bioökonomie-Strategie auf den Weg gebracht hat. Sie findet mit der aktuellen „Nationalen Bioökonomie-Strategie“ ihre Fortsetzung. Weltweit sind mittlerweile ca. 60 Länder mit eigenen Initiativen und Strategien zur Bioökonomie aktiv. Darunter sind auch Industriestaaten im pazifisch-asiatischen Raum oder in Nordamerika, mit denen Deutschland intensiven Handel betreibt. Das unterstreicht meines Erachtens auch, dass wir das Thema nicht nur unter Klima- und Umweltschutz-Aspekten betrachten sollten – obwohl es diesbezüglich aktueller denn je ist. Bioökonomie ist eine Chance für unsere exportorientierte Wirtschaft. Nachhaltige innovative Produkte und neue Dienstleistungen aus diesem Bereich können Arbeitsplätze und Wohlstand von morgen in unserem Land sichern.
HD: Was sind die weiteren Herausfordernungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Bioökonomie?
Awenius:
Oberstes Ziel der Bioökonomie ist es, Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bringen, sie also für ein nachhaltiges Wirtschaften miteinander zu verbinden. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir uns in einem Spannungsfeld unterschiedlichster Disziplinen, Branchen und Akteurs- sowie Interessengruppen bewegen. Neben Chancen und Potenzialen kann diese Konstellation aber auch zu Zielkonflikten in der Umsetzung der Bioökonomie führen.
Lassen Sie mich diese Herausforderung an einem Beispiel verdeutlichen: Die Ressource „Land“ soll die Ernährung der Bevölkerung sichern, Erhalt und Wiederherstellung der Biodiversität verfolgen, ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, nachhaltig Energie erzeugen, die Einkommensgrundlage für Bäuerinnen und Bauern sichern und die Industrie mit nachwachsenden Rohstoffen versorgen. Das Beispiel zeigt: Die unterschiedlichen Ziele – wie und für welche Aufgaben wir Land nutzen wollen – konkurrieren oftmals miteinander. Für eine erfolgreiche Umsetzung einer nachhaltigen Bioökonomie müssen daher ökologische, ökonomische und soziale Aspekte und Fragestellungen berücksichtigt sowie ausbalanciert werden.
HD: Welche Rollen kommt hierbei dem Bioökonomierat der Bundesregierung zu?
Awenius: Aufbauend auf der Nationalen Bioökonomiestrategie ist die Politik gefordert, die Transformation hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise mit ebenso verlässlichen wie fördernden politischen Rahmenbedingungen und Maßnahmen zu unterstützen. Als unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung unterstützt der Bioökonomie Bioökonomierates die Bundesregierung bei der Bewerkstelligung dieser Aufgabe. Im Austausch mit und unter Einbeziehung von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet er konsensfähige Handlungsempfehlungen zur Umsetzung und Fortentwicklung der Nationalen Bioökonomiestrategie. Darüber hinaus trägt er dazu bei, den partizipativen Austausch mit der Gesellschaft und quer über alle Branchen- und Interessenvertretungen zu befördern.
HD: Herr Awenius, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Franziska Heuer.