Wie die Immobilienbranche grüne und wirtschaftliche Ziele vereinen kann

Von „One fits all“ zu „Fits you best“

Die Immobilienbranche balanciert zwischen klimapolitischen Zielen, wirtschaftlichen Herausforderungen und strategischen Chancen. Stabilität bietet hier ausgerechnet die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden, aber nur, wenn jetzt agiert wird.

Dave Gebauer 30. März 2023

Manchmal fühlt es sich an wie ein Drahtseilakt. Mit rasant steigenden Leitzinssätzen, verschärftem Fachkräftemangel, globaler Baustoffknappheit und Materialpreisen auf Rekordniveau finden sich in der Immobilienbranche aktuell wirtschaftliche Herausforderungen en masse. Ein baldiges Ende der Schwierigkeiten? Fehlanzeige. Denn die Klimaziele erhöhen den Handlungsdruck für Entscheider:innen weiter. Die Politik verschärft die Vorgaben, nachhaltige Lösungen für Immobilien zu finden. Und das völlig zurecht. Denn viele Themen, wie bspw. eine erfolgreiche Wärmewende, werden ohne aktive Beteiligung der Immobilienwirtschaft keinesfalls funktionieren. Immerhin beanspruchen Gebäude in Deutschland etwa 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs und verursachen rund 30 Prozent der CO2-Emissionen.

Gegen die „Strategie Stillhalten“
Die Devise lautet daher: Die Immobilienbranche muss schnellstmöglich konkrete Maßnahmen ergreifen, um den klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 zu erreichen. Neu ist diese Devise übrigens nicht, sie begleitet uns nunmehr bereits seit Jahren. Allerdings eher als Wort denn als Tat – vor allem, wenn es um Bestandsgebäude geht. In die Zukunft führen wird uns diese „Strategie Stillhalten“ jedoch nicht. Bei Neubauten läuft es besser, denn auf der grünen Wiese lassen sich innovative Konzepte recht frei denken. Im Hinblick auf die hohen Treibhausgas-Emissionen während der Bauphase wird der Neubau jedoch zukünftig eher eine rückläufige Rolle spielen müssen. Anders liegt die Sache beim Bestand, wo vorhandene Strukturen zu berücksichtigen und Konzepte komplex und anspruchsvoll sind. Nichtsdestotrotz – oder gerade deswegen: In der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden schlummert enormes Potenzial. Wie jedoch gelingt es, bestehende Immobilien energieeffizient und damit klimafreundlich auszustatten? Mein Team und ich stellen in der Praxis täglich fest: Mit klugen Ideen und den richtigen Lösungen geht das gut. Die ehrliche Antwort lautet jedoch: Eine „One fits all“-Lösung gibt es nicht. Vielmehr geht es darum, die individuelle „Fits you best“-Lösung zu finden. Ist diese grundsätzlich High Tech – oder doch eher Low Tech? Darüber wird aktuell viel diskutiert. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich diese Debatte überrascht. Ich bin sehr für eine nachhaltige Gebäudeausrüstung, meine jedoch, dass „Low Tech“ nicht alle Chancen nutzt, die zu deren Gelingen beitragen kann. Umgekehrt sind smarte Gebäude nicht automatisch umweltschonend – hier ist professionelles und smartes Facility Management gefragt. Meiner Meinung nach ist deshalb ein Mittelweg sinnvoll. Wie so oft im Leben gilt: Die richtige Dosis machts.

Das Klimaziel lautet „Real Zero“
Um hier das passende Maß zu finden, braucht es einen kompetenten Partner, der Immobilien ganzheitlich unter die Lupe nimmt und klimaneutral aufstellt – doch dabei deren wirtschaftliche Rentabilität nicht aus den Augen verliert. Dank langjähriger Erfahrung im Gebäudebereich weiß unser Team bei ENGIE Deutschland genau, wie dieser Balanceakt gelingt. Dafür ziehen unsere Spezialist:innen beispielsweise viel Know-how aus grünen Neuprojekten und transferieren diese Erkenntnisse auf den Bestand. Und wir haben den sogenannten „Real Zero“-Plan entwickelt, der das Klimapotenzial von Immobilien in fünf Schritten ausschöpft: Die Basis bilden grundsätzlich Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz, die an zweiter Stelle durch eine umweltfreundliche Kälte- und Wärmeversorgung ergänzt wird. Anschließend folgen die Bereitstellung von grünem Strom, beispielsweise durch den Einsatz von Photovoltaik oder den Abschluss von Green PPAs (Bezugsverträge für Grünstrom). Durch die Umstellung auf Elektromobilität gelingt uns zudem die Reduzierung in der Logistik. Zuletzt, wenn alle weiteren Mittel ausgeschöpft sind, hilft ENGIE Deutschland der Immobilienwirtschaft durch eine Kompensation von Restemissionen die Lücke zur Klimaneutralität über Zertifikate zu schließen.

Grün steigert den Gebäudewert
Dieser Masterplan bewährt sich vielfach in der Praxis und hebt das Potenzial von grünen Bestandsprojekten tatsächlich. Der Casus knacksus: Gelingen kann das nur gemeinsam. Im Gebäude müssen alle Beteiligten von Planer:innen über Projektentwickler:innen und Fondshalter:innen bis hin zu Betreiber:innen und Nutzer:innen an einem Strang ziehen und Schnittstellen möglichst effektiv managen. Zentral ist natürlich die Finanzierung, in der Regel im Drei-Partner-Modell von Eigentümer:innen, staatlichen Förderungen und den Mieter:innen, um Kostensicherheit und Planbarkeit zu erzielen. Ein echtes, in der Praxis unterschätztes Erfolgsmodell ist das Einspar-Contracting – dieses kann nämlich viel mehr als eine Finanzierung sichern. Im Rahmen von Klimapartnerschaften garantiert ENGIE Deutschland Energieverbräuche und CO2-Einsparungen über lange Zeithorizonte hinweg – ein Ansatz, der damit sowohl Rentabilität als auch Nachhaltigkeit in den Fokus rückt. Für vielversprechend halte ich weiterhin serielles Sanieren, das die energetische Erneuerung von Gebäuden mithilfe von vorgefertigten Modulen für Fassaden, Dach und Haustechnik äußerst effizient gestaltet. Eine entsprechende Durchführbarkeitsstudie realisiert ENGIE Deutschland aktuell mit der Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau Baden-Württemberg AG (GWG-Gruppe) an einem Wohnkarree in Düsseldorf.

Innovative Ideen und zukunftsorientierte Lösungen gibt es also viele. Jetzt sind wir alle gefordert, diese stärker von der Theorie in die Praxis zu tragen, vom Planen ins Machen zu kommen. Dann werden diese Maßnahmen dazu beitragen, die Werte von Gebäuden zu erhalten bzw. gar zu erhöhen – und somit den Drahtseilakt zwischen grünen und wirtschaftlichen Zielen erfolgreich zu meistern und die „Fits you best“-Lösung für die eigene Immobilien als Chance zu begreifen.

Der Autor
Dave Gebauer
Regionalleiter Region Nord-Ost, ENGIE Deutschland GmbH

Das Event zum Thema

Mittwoch, 31.Mai.2023
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