Nachhaltige Stadtentwicklung: Franziska Heuer im Gespräch mit Dr. Tilo Nemuth zur Rolle der Planer.

Gemeinsames Handeln ist kein Selbstzweck

Für Dr. Tilo Nemuth liegt der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel im Bestand. Auch die Planer müssen umdenken. Die Voraussetzung für ein gemeinsames Handeln sind Win-Situationen für alle Beteiligten.

Franziska Heuer Tilo Nemuth 5. April 2023
Straßenzug Wiesbaden
Quelle: shutterstock

Heuer Dialog: Herr Nemuth, der Kampf gegen den Klimawandel ist das prägende Thema im Moment. Wie stehen Sie zur Verantwortung der Baubranche und speziell zur Rolle der Planer?

Dr. Tilo Nemuth: Wir wissen, dass die Baubranche einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen und führend beim Ressourcenverbrauch und der Abfallerzeugung ist. Es gibt viel zu tun. Auch in der Planung. Gerade wir als etablierte Player können dabei noch zulegen. Es gilt schnell zu handeln, denn die Treibhausgasemissionen müssen in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren erheblich reduziert werden. Es reicht nicht aus, fossil betriebene Heizungen zu ersetzen. Wir brauchen neue unternehmerische Ideen, innovative technische Lösungen und einen schnelleren Fortschritt, um die Herausforderungen zu bewältigen.

HD: Worauf sollten sich Planer im Hinblick auf ihre Verantwortung konzentrieren?

Dr. Tilo Nemuth: Technische Innovationen sind ein zentraler Aspekt – natürlich nicht nur auf Seiten der Produktion, sondern auch für den Betrieb der Gebäude. Mindestens genauso wichtig ist aber ein generelles Umdenken. Wir müssen lernen, mit dem Bestehenden umzugehen und nicht immer nur auf Abriss und Neubau zu setzen. Glanzvolle Projekte für namhafte Kunden sind gute Referenzen und damit wichtig für jedes Büro. Im Hinblick auf den Klimawandel und die Verantwortung sollte es uns Planern aber vor allem um den Bestand gehen. Es dreht sich nicht immer um das Besondere. Wir müssen uns auf die Verfügbarkeit von Räumen und Materialien konzentrieren und die Effekte mit technischen Innovationen verstärken.

HD: Lässt sich der Ansatz von nachhaltigen Lösungen in weniger glanzvollen Projekten mit Ihrer unternehmerischen Verantwortung vereinbaren?

Dr. Tilo Nemuth: Definitiv. Beispielsweise gibt es in Deutschland je nach Quelle rund 40 Millionen Wohnungen. Bisher wurden aber viel zu wenige davon energetisch modernisiert, um die Klimaziele zu erreichen. Die Zahlen müssen sich erheblich steigern. Ein gigantischer Markt. Doch die Sanierung muss bezahlbar bleiben, gerade in Zeiten steigender Material- und Finanzierungskosten. Staatliche Förderung ist elementar. Laut Bafa wurden 2022 circa 2,6 Milliarden Euro an Fördergeldern für die energetische Sanierung ausgezahlt. Ein Plus von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aber viele Bürger sind verunsichert, wie sich die gesetzlichen Vorgaben entwickeln und wann man wo an die richtige Förderung kommt. Auch hier sehe ich Anknüpfungspunkte.

HD: Auf dem Weg zur nachhaltigen Stadtentwicklung spielen unterschiedlichste Themen und Fachleute eine Rolle. Können auch die Planer dabei helfen, die notwendigen gesellschaftlichen Prozesse zu beschleunigen?

Dr. Tilo Nemuth: Ich denke das müssen wir sogar. Das meine ich unter anderem mit „neue unternehmerische Ideen“. Beispielsweise haben wir uns im letzten Jahr mit zwei Partnern zusammengetan, um maßgeschneiderte Lösungen für WEGs und deren Verwaltungen zu entwickeln. Im Verbund bieten wir eine fachkundige Sanierungsberatung kombiniert mit der notwendigen Moderation innerhalb der Eigentümergruppen. Außerdem können wir alles technisch planen, helfen bei den Fördermitteln und betreuen die bauliche Umsetzung.

HD: Warum zielen Sie dabei ausgerechnet auf WEGs?

Dr. Tilo Nemuth: Gerade im urbanen Raum sind viele Immobilien in gemeinschaftlichem Besitz. Und für WEGs sind Sanierungen ein wirklich herausforderndes Thema. Ich denke, Pakte wie unseres sorgen für Beschleunigung. Damit wollen wir auf jeden Fall unserer Verantwortung gerecht werden. Aber gleichzeitig möchten wir natürlich auch gute Geschäfte machen. Aus meiner Sicht führt unser Model zu einer Win-Win-Situation – und genau das ist der Punkt. Man muss realistisch sein. Ein gemeinsames Handeln der unterschiedlichen Stakeholder funktioniert vor allem dann, wenn alle profitieren.

HD: Herr Dr. Nemuth, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Franziska Heuer.

Die Autoren
Franziska Heuer
Head of Events, Projektleitung, Heuer Dialog
Dr. Tilo Nemuth
Geschäftsführer, Julius Berger International GmbH

Das Event zum Thema

Dienstag, 23.Mai.2023
Immobilien-Dialog Mainz & Wiesbaden
Mainz