Heuer Dialog: Mit welchen Maßnahmen sind die größten Emissionssenkungen im Bausektor möglich?
Dr. Peter Mösle: Sicherlich aktuell mit dem Einsatz von erneuerbaren Energien in Form von Solarenergie, Geothermie, Wind oder Biomasse, mit der Nutzung der Bausubstanz durch Erhalt, Umbau, Rückbau und Materialverwertung, mit der Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz oder Stroh sowie Rezyklaten aus der Materialaufbereitung wie z. B. Ressourcenschonender-Beton oder Sekundär-Aluminium. Gerade für alternative Baustoffe sind viele Innovationen unterwegs, da werden wir in naher Zukunft noch einiges Neues sehen.
HD: Es gibt immer mehr Vorgaben hinsichtlich des richtigen Umgangs mit Baumaterialien: Welche Anforderungen kommen zeitnah auf die Branche zu und wer ist davon betroffen?
PM: Es sind alle Teilnehmer in der Bau- und Immobilienbranche betroffen, da zum einen im Rahmen des Green Deals neue Gesetzgebungen wie die EU Taxonomie, die Ökodesign-Richtlinie usw. bereits in Betrieb genommen wurden, und zum anderen bestehende Verordnungen wie die Bauprodukteverordnung oder das Kreislaufwirtschaftsgesetz in diesem Jahr sukzessive angepasst werden. Die EU ist mit dem Green Deal wirklich aufgewacht: das Tempo ist wahnsinnig hoch und die Regulierungen greifen mehr und mehr ineinander. Es ist schön zu sehen, wie alles immer mehr in Richtung einer Cradle to Cradle® (C2C)-Welt abzielt. (siehe Europäische Kommission - Q&A: Überarbeitung der Bauprodukteverordnung)
HD: Ab wann erreicht ein Gebäude die Cradle to Cradle Zertifizierung?
PM: Gebäude können als Ganzes nicht nach Cradle to Cradle zertifiziert werden, hierfür gibt es die bestehenden Gebäudezertifikate – allen voran das DGNB-Zertifikat sowie die Ressourcenpässe für Gebäude. Produkte aller Art, also damit auch Bauprodukte, können jedoch sehr wohl ein C2C-Zertifikat erhalten. Die Zertifizierungsstelle ist das Cradle to Cradle Products Innovation Institute (https://c2ccertified.org/). Als EPEA sind wir sowohl C2C-Assessor als auch DGNB-Auditor – auch die beiden Zertifizierungswelten Gebäude und Produkt sind entsprechend vermehrt miteinander verlinkt.
HD: Mit welchen Tools entstehen schon während der Planung kreislauffähige Gebäude?
PM: Digitale Tools sind die Grundlage, dass wir Dekarbonisierung und Kreislauffähigkeit überhaupt planen, bauen und nachweisen können – die Komplexität ist einfach vorhanden. Für die Ökobilanzierung gibt es seit ein paar Jahren ein paar Ingenieurstools, aber da sprechen wir ja immer noch von „Cradle to Grave“ – zu Deutsch Von der Wiege bis zur Bahre, für kreislauffähige Planung gibt es weltweit nahezu nichts. Aus diesem Grunde haben wir uns im letzten Jahr entschieden, als EPEA ein BIM-Plug-In zu entwickeln, um das Cradle to Cradle-Designprinzip entlang des Workflows der Architekten und Planer allen zur Verfügung zu stellen. Neben der Ökobilanzierung sind dort alle Funktionen vorhanden, um Circular Design ganz einfach auf Knopfdruck durch die Architekten selber herzustellen. Im April 2023 veröffentlichen wir die erste Version. Weitere Informationen dazu gibt es unter: https://epea-cdt.com/ und https://www.bim-more.com/
HD: Wie wird es Ihrer Meinung nach weitergehen: Werden wir in Zukunft nur noch zirkulär bauen?
PM: Ja klar, uns bleibt doch aufgrund der Klima- und Ressourcenkrise gar keine andere Wahl.
HD: Herr Dr. Mösle, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Sarah Hille.
Dr. Peter Mösle, Partner der Drees & Sommer SE und Geschäftsführer der EPEA GmbH
Dr. Peter Mösle ist Partner der Drees & Sommer SE und Geschäftsführer der EPEA GmbH - Part of Drees & Sommer. Nach seinem Studium an der Universität Stuttgart und University of Tucson promovierte er 2009 zum nachhaltigen Bauen. Seit 1996 begleitet er bei Drees & Sommer Projekte im Bereich Energiedesign/umweltgerechtes Bauen und verantwortet seit 2012 als Partner die Themen ESG, Nachhaltigkeit und Innovation. Mit der EPEA berät Peter Mösle Kunden nach dem C2C- Designkonzept zu Produkten und Gebäuden für die Circular Economy.