Der Autor
Dipl.-Ing. Andreas WenzProject Engineer, Getzner Werkstoffe GmbH
Der Trend hin zur Urbanisierung scheint ungebrochen. Gleichzeitig nehmen Anspruch an die Wohn- und Arbeitsqualität, die Anbindung an öffentliche Verkehrsnetze und die Eingliederung von Einkaufs- und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten in das persönliche Umfeld zu. Zudem besteht die Notwendigkeit, Gebäude nachhaltig zu gestalten, auf ökologischere Baumaterialien zurückzugreifen und einen möglichst langen Lebenszyklus zu erreichen.
Das kann nur gelingen, wenn Gebäude so flexibel gestaltet werden, dass eine wechselnde, vielseitige Nutzung über die gesamte Lebensdauer ermöglicht wird. Wer weiß schon, welche Nutzer sie in 20 Jahren haben? Welche Arbeitsmodelle gibt es in 30 Jahren? Wird es in 40 Jahren überhaupt noch Individualverkehr geben?
Bereits heute gibt es Erfahrungen mit Mixed Use Architecture. Während die kurzen Wege zwischen Arbeit, Erholung und Wohnen als vorteilhaft wahrgenommen werden, wird die Nähe gleichzeitig als störend empfunden, wenn sich Nutzer gegenseitig beeinträchtigen. Es ist also wichtig bereits in der Planung dafür zu sorgen, dass beispielsweise die Geräuschkulisse eines Supermarktes im Erdgeschoss nicht bis zu den Büros im Obergeschoss vordringt. Das gilt nicht nur für direkte akustische Störquellen wie z.B. Lautsprecher, sondern auch für Körperschallquellen. Dazu gehören beispielsweise die gerne im Einzelhandel genutzten Hubwagen, welche über die Räder Erschütterungen in die Bausubstanz einbringen. Diese wiederum werden an anderer Stelle als hörbare Störgeräusche von Wänden oder Decken abgestrahlt. Ähnlich verhält es sich mit Körperschall aus Sanitärräumen, Fitnessstudios, Dachterrassen, medizinischen Einrichtungen oder haustechnischen Anlagen. Auch angrenzender Schienenverkehr kann zu sogenanntem Sekundärschall im Gebäude führen, der als sehr störend wahrgenommen wird.
Welche Ansätze gibt es dafür und worauf kann ggf. aufgebaut werden? Besonders in Kombination mit modularen Konzepten ist eine sehr gute Trennung einzelner Bereiche erzielbar, aber auch in herkömmlicher Bauweise sind gute Ergebnisse möglich. Sogar bestehende Immobilien können mit Retrofit-Lösungen fit für Mixed Use gemacht werden. Elastische Komponenten wie z.B. hochwertige Trittschalldämmungen, Deckenabhänger oder Vorsatzschalensysteme sorgen dafür, dass individuelle Parteien ungestört bleiben. Für andere Störquellen im Haus kommen Maßnahmen wie elastisch gelagerte Fundamente oder Maschinenrahmen in Frage. Selbst ganze Gebäude können mit einer elastischen Fundamentlagerung zuverlässig vor Erschütterungen und Sekundärschall aus dem Schienenverkehr geschützt werden.
Unterschiedliche Bauweisen reagieren dabei unterschiedlich sensibel auf Störquellen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit wird beispielsweise vermehrt auf den Baustoff Holz zurückgegriffen. Mittlerweile werden auch architektonisch anspruchsvolle Entwürfe kosten- und ressourcenschonend mit reduziertem ökologischem Fußabdruck entweder vollständig aus Holz oder als Hybridbau umgesetzt. Die zahlreichen Vorteile dieser Bauart begründen sicherlich den großen Erfolg im Holzbau, dennoch sind Holzkonstruktionen von Haus aus deutlich empfindlicher gegenüber Schallübertragung als Massivbauten. Umso wichtiger ist es, den Schallschutz rechtzeitig in den Fokus zu rücken.
Es bleibt die Frage, wieviel Schutz wird benötigt? In Deutschland wird häufig die DIN 4109 als Grundlage für die Bemessung von Schallschutzmaßnahmen herangezogen. Es zeigt sich allerdings vermehrt, dass die Wahrnehmung der Bewohner bzw. Nutzer strengere Kriterien notwendig machen würde. Die Deutsche Gesellschaft für Akustik e.V. (DEGA) stellt daher in ihrer DEGA-Empfehlung 103 ein Klassifizierungssystem mit sieben Abstufungen vor. Dieses System erlaubt eine differenziertere Betrachtung in Abhängigkeit von der Art der Störung sowie der individuellen Anforderung der jeweiligen Nutzer. Die rechtliche Bewertung rückt damit näher an die tatsächlichen Anforderungen und verhindert damit Streitigkeiten. Österreich setzt das bereits als EU-Vorreiter mit der ÖNORM B8115 um.
Die Frage, was wir in 50 Jahren brauchen, kann an dieser Stelle selbstverständlich nicht abschließend geklärt werden. Mehr Flexibilität in der Nutzung, aber auch in der Bausubstanz wird dabei sicher eine maßgebliche Rolle spielen. Das umfasst Aspekte, die bis jetzt anders oder gar nicht berücksichtigt wurden. Deshalb ist es wichtig, solche Überlegungen bereits frühzeitig in der Planung anzustellen, um von der bloßen Maßnahme hin zum wandlungsfähigen Konzept zu kommen.