Heuer Dialog: Seit knapp 20 Jahren begleiten Sie die Geschicke von Hückelhoven und reagieren auf veränderte Gesellschaftsbedingungen. Was hat die einschneidensten Veränderungen im Bereich Handel und Innenstadt mit sich gebracht – in Ihrer und anderen Städten? Und bei welcher Stadtgröße hatten es Stadtplaner schwerer, die Vitalität der Innenstadt zu erhalten?
Bernd Jansen: Die einschneidenste Veränderung im Bereich des stationären Handels ist sicherlich der Online-Handel. Vor über 20 Jahren siedelte sich die Firma QVC (Teleshopping) in unserer Stadt an und war damit ein Vorläufer des Online-Handels. In Gesprächen mit der Geschäftsleitung haben wir für unsere Innenstadt folgende Faktoren definiert, die dafür entscheidend sind, dass der stationäre Handel weiter floriert:Die Erreichbarkeit der Innenstadt, gerade bei uns wichtig im ländlichen Raum. Entspanntes Einkaufen und die für uns wichtigste Entscheidung: kostenlose Parkplätze, mittlerweile über 4.000 Stück in der Innenstadt. Man muss klar unterscheiden zwischen ländlich geprägten Innenstädten von mittelgroßen Kommunen zu Oberzentren, z. B. Köln oder Düsseldorf.Hier war es ganz wichtig, frequenzbringende Handelsunternehmen in der Innenstadt anzusiedeln. Diesen Prozess haben wir begleitet in einer konsequenten Stadtplanung und einem konsequenten Stadtmarketing.
HD: Manchen Städten und Regionen gelingt es besser, einigen weniger gut, die notwendige Transformation nicht nur zu planen sondern auch umzusetzen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach: fehlender Mut, differierende Interessenlagen von Immobilienbesitzern, Stadtentwicklern und Händlern, unflexibler Gesetzesrahmen oder fehlendes Geld?
BJ: Sicherlich sind die Ursachen eine Mischung von allem. Für Hückelhoven haben wir den Mut gehabt, das Ziel zu setzen, der Handelsstandort zwischen Aachen und Mönchengladbach zu werden. Das heißt, Sie müssen es auch zur Chefsache erklären. Die Tatsache, dass ich einer der wenigen Bürgermeister bin, der so gut wie regelmäßig an den Handels-Immobilienkongressen teilnimmt, verwundert mich immer wieder. Hinzu kommt, dass die Stadt selber an ihre Innenstadt glauben muss und investiert, und dass sowohl in Infrastruktur als auch Gebäude.
Darüber hinaus muss der Bürgermeister Bürgerschaft und Politik auf diesem Weg mitnehmen durch Erklären, durch Begeistern, durch Wertschätzung. Auch darf eine Verwaltung nicht müde werden, sich mit allen Akteuren auch mal in der Sache intensiv auseinander zu setzen, z. B. mit der Bezirksregierung, mit Eigentümern von Immobilien oder Händlern.
HD: Sie sind mit Ihren Projekten in Hückelhoven als Positivbeispiel zu nennen – und Sie haben aktuell sehr viel Neues vor. Sie wollen Ihrer Stadt mit dem neuen Rathausquartier ein ganz neues Profil, ein „neues Herz mit Strahlkraft und Charakter“ geben. Gab es auch Widerstände zu Ihren großen Vorhaben? Und wenn ja, wie haben Sie die Menschen mitnehmen können?
Festzuhalten ist, dass die Zentralitätsentwicklung in Hückelhoven hervorragend ist. Von 70 auf 130 in den letzten 20 Jahren. Man kann also sagen: der Einzelhandel funktioniert und es gibt so gut wie keine Leerstände. Aber jetzt geht es darum, die Aufenthaltsqualität zu verbessern und das Einkaufen zum Erlebnis werden zu lassen. Die Gastronomie übernimmt dabei eine wichtige Schlüsselfunktion und so will die Stadt jetzt mit dem Rathausquartier in eigener Regie ca. 2.000 qm neue gastronomische Fläche entwickeln. Nach 19 Jahren im Amt genieße ich als Bürgermeister ein großes Vertrauen in der Bevölkerung. Von daher gab es großen Zuspruch für die Entwicklung Rathausquartier. Den meisten Widerstand und die größte Skepsis sowie viele Diskussionen gab es vor rd. 20 Jahren, als wir den neuen Weg für die Hückelhovener Innenstadt vorgestellt haben.
HD: Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie in Bezug auf die Klimaneutralität Ihrer Stadt umsetzen und welches Zeitziel haben Sie sich dafür gesetzt?
Hückelhoven verfügt aufgrund der Bergbautradition über ein großes Fernwärmenetz, das stetig ausgebaut wird. So sind mittlerweile rd. 50 % der privaten Haushalte und rd. 80 % der städtischen Gebäude an das Fernwärmenetz angeschlossen. Früher wurde diese Fernwärme mit Steinkohle betrieben aber seit über 20 Jahren bereits mit Biomasse (Holz). Das führt dazu, dass Hückelhoven schon jetzt bei nur 35 % des CO²-Ausstoßes im Vergleich zum Bundesdurchschnitt liegt. Darüber hinaus ergreifen wir natürlich Maßnahmen, wie andere Städte es auch tun…Errichtung von Solarparks/Windenergie/grüner Wasserstoff/energetische Sanierungen von Gebäuden.
Ich gehe davon aus, dass es uns bei konsequenter Investition in den Fernwärmeausbau gelingen wird, 2035/2040 klimaneutral zu werden.
HD: Herr Bürgermeister Jansen, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Karin Hanten.