Dachflächenaktivierung: eine nachhaltige Attraktion

IKEA obenauf

Der IKEA Wien Westbahnhof ist mehrfach ausgezeichnet worden und wird in Artikeln für sein mutiges Konzept und seine Fans gefeiert. Doch wussten Sie, dass für den konfliktfreien Nutzungsmix (IKEA+Hotel+Gastro) ein Sekundärbaustoff ausgewählt wurde?

Holger Schneider 17. Februar 2023
IKEA Wien Westbahnhof
Quelle: REGUPOL

Mit diesem Vorzeigeprojekt gelingt den Wiener Planern der querkraft architekten ein hoch attraktives Angebot, was bereits im Ideenwettbewerb damit überzeugen konnte, einen innerstädtischen Park zu integrieren. Dieser Öffentliche Raum stand auf dem Wunschzettel der Wiener und wurde mitsamt der zugehörigen Bäume auf das Dach des siebengeschossigen Gebäudes verpflanzt. Den Besuchern bietet diese außergewöhnliche Dachterrasse neben der Snackbar TOPPEN einen wunderschönen Ausblick über Wien.

An dieser Stelle wird eine wichtige Dimension in Sachen Nachhaltigkeit deutlich:
gemeint ist die hohe Flächensuffizienz, welche durch die Vertikale Stapelung der Nutzungen möglich wurde. Üblicherweise sieht die IKEA Dachfläche im Metropolspeckgürtel etwas trister aus. Im besten Fall wird die Fläche für die Gewinnung von Solarstrom genutzt, was ein wichtiger Baustein bei der Deckung des Energiebedarfes ist. IKEA ist in Wien aber noch einen Schritt weitergegangen und hat mit einem klugen Nachhaltigkeitskonzept Aufenthaltsqualität und Energieerzeugung miteinander kombiniert. So dienen die Solarmodule und die Bäume für die notwendige Verschattung im Sommer. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass IKEA für die Verbesserung des Mikroklimas durch die Dach- und Fassadengestaltung mit dem weltweit ersten GREENPASS® Zertifikat PLATINUM ausgezeichnet wurde.

Die intensive Mehrfachnutzung des Gebäudes wird auch dadurch unterstrichen, dass in das 6. und 7. Stockwerk des Gebäudekomplexes ein JO&JOE Hostel der Accor Gruppe eingebunden wurde. Ganz sicher wird sich die Zielgruppe in diesem urbanen, lebendigen und nachhaltigen Gesamtkunstwerk sehr wohlfühlen. Nebenbei bemerkt belohnt die DGNB mit einem Circular-Economy Bonus solche Projekte, die mit attraktiven Besucherfrequenzen ausgestattet sind.

Die Anforderungen die bei diesem Mixed-Use Projekt an den Schallschutz gestellt wurden, waren sehr hoch, da die Dachterrassennutzung nicht den Hotelbetrieb stören darf. Hier kommt nun eine weitere Nachhaltigkeitsdimension ins Spiel: ein hoher Schallschutzkomfort erzeugt Wohlbefinden und Behaglichkeit, schützt die Vertraulichkeit und ist in einem Hotelbetrieb einfach essentiell. Die Dachterrasse über dem JO&JOE ist bis in die Abendstunden öffentlich nutzbar. Für die Kombination aus prallem Leben und darunterliegenden Schlafräumen wurde die Einhaltung eines maximalen Schallschutzes (Zielwert LnT,w < 28 dB) definiert um die Konfliktfreiheit der beiden Nutzungen zu gewährleisten.

Ein wichtiger Baustein des Schallschutzkonzeptes war ein Sekundärbaustoff: REGUPOL sound and drain. Also ein "Rezyklat", welches im besonderen Maße in das Nachhaltigkeitskonzept einzahlt. So erhöht sich durch den Einbau unter der gesamten Dachfläche der Zirkularitätsindex des Gebäudes. Durch den Verzicht auf Primärbaustoffe zur Trittschalldämmung ist es möglich, wichtige Rohstoffressourcen einzusparen. Zudem ist REGUPOL sound and drain mit dem Cradle to Cradle Certified Bronze-Zertifikat ausgezeichnet worden und kann im Sinne der Kreislaufwirtschaft wieder als Rohstoff eingesetzt werden.

Die politischen Zielsetzungen verstärken den Ressourcen- und Klimaschutz und so werden Lebenszyklusbetrachtungen auf Gebäudeebene immer wichtiger. Neben dem bereits erwähnten Zirkularitätsindex wird auch anhand der Aussage von EPDs (Umweltproduktdeklarationen) der CO2 Fußabdruck angeschaut. So liefert u.a. das GWP (Global Warming Potential) eine wertvolle Aussage bei einem Vergleich - Primär vs. Sekundärbaustoff - in der Planungsphase. Oft lohnt es nicht nur rudimentäre Untersuchungen für die Ökobilanzen anzuschauen - etwa auf Basis des Tragwerks, des Fundaments oder der Fassade. Sondern es gibt auch noch Baustoffe, die sind in hohem Maße ölbasiert, verzehren bei der Herstellung klimaschädliche Treibmittel oder werden in einem späteren Rückbau von Schad- und Gefahrenstoffen zu einem Kostenproblem durch deren Entsorgung.

Für diese Betrachtungen liefert die Madaster Plattform ein wertvolles tool, welches in einem digitalen Gebäuderessourcenpass mündet. Dieses Materialkataster und die Betrachtung der Umweltauswirkungen wird von vorausschauenden Projektentwicklern genutzt, die sich bereits auf die verändernden Marktbedingungen einstellen.

Bevor aber der Rückbau ein Thema wird, sollte zunächst viel Wert auf ein intelligentes, marktgerechtes und langlebiges Angebot gelegt werden. Dies erzeugt eine emotionale Nachhaltigkeit. Um es mit den Worten des Architekten Jacob Dunkl von querkraft zu sagen: „Wenn du was liebst, bleibt‘s länger stehen.“

Der Autor
Holger Schneider
Sales Manager Europe, REGUPOL BSW GmbH

Das Event zum Thema

Dienstag, 28. März - Mittwoch, 29. März 2023
15. Deutscher Handelsimmobilien-Gipfel
Stuttgart