Der Autor
Marco HöglHead of Residential Capital Market, Savills Immobilien Beratungs-GmbH
Während der Neubau vor allem aufgrund von Zinswende und steigenden Baukosten schrumpft, ist die Nachfrage so groß wie nie zuvor. Erstmals leben mehr als 84 Millionen Menschen in Deutschland und laut Prognosen dürfte die Bevölkerung auch in den nächsten Jahren steigen. Die Angebots-Nachfrage-Relation am Wohnungsmarkt gerät somit so stark aus dem Gleichgewicht wie selten zuvor. Angesichts dieser Gemengelage warnte der Deutsche Mieterbund jüngst gar vor einem ungeahnten Desaster auf dem Wohnungsmarkt. Leider kein unrealistisches Szenario und in Frankfurt für Mieterinnen und Mieter schon länger Realität.
In Frankfurt standen bereits im Jahr 2021 nur noch 0,26 % der Wohnungen leer. Seitdem hat sich die Lage weiter verschärft. Zur Mitte des vergangenen Jahres verzeichnete Frankfurt mit rund 764.500 Einwohnern einen neuen Bevölkerungsrekord und in der zweiten Jahreshälfte ging das Wachstum wahrscheinlich weiter. Angesichts des praktisch nicht vorhandenen Leerstands und der gestiegenen Nachfrage müsste der Neubau also eigentlich angekurbelt werden. Doch ähnlich wie im Bundestrend geschieht in Frankfurt gerade das Gegenteil. Bis einschließlich November wurden 2022 rund 3.560 neue Wohnungen genehmigt. Damit wurde das Fünf-Jahres-Mittel an Baugenehmigungen im vergangenen Jahr sehr wahrscheinlich deutlich unterschritten. Ähnlich dürfte es bei den Fertigstellungszahlen ausschauen. Die ohnehin schon sehr niedrigen Leerstandsquoten in Frankfurt und Umgebung dürften somit weiter fallen und die Mieten in den nächsten Jahren weiter steigen. Insbesondere für Eigentümer von Neubauten haben sich die fundamentalen Rahmenbedingungen somit eher verbessert. Eigentümer von unsanierten Bestandsbauten müssen ebenfalls keinen Leerstand fürchten, sehen sich aber mit einem steigenden Sanierungsdruck konfrontiert. Gesellschaftlich gesehen ist die Wohnungsknappheit zweifellos fatal und auch für den Wirtschaftsstandort Frankfurt dürften sich fehlende Kapazitäten am Wohnungsmarkt negativ bei der Gewinnung dringend benötigter Fachkräfte bemerkbar machen.
Die Vorzeichen, dass der Wohnungsbau in Frankfurt und in der Rhein-Main-Region bald wieder spürbar an Schwung gewinnt, stehen derzeit leider denkbar schlecht. Projektentwickler stehen dabei nicht nur vor der Herausforderung der weiterhin hohen Baukosten, sondern müssen auch mit höheren Finanzierungskosten jenseits der 4 %-Marke kalkulieren. Gleichzeitig ist die Zahlungsbereitschaft bei den Endinvestoren gesunken. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs und der eingeleiteten Zinswende sind die Spitzenrenditen für Mehrfamilienhäuser in den deutschen Top-Städten um 70 Basispunkte gestiegen. Auch in den kommenden Monaten dürften die Anfangsrenditen noch etwas weiter steigen. Bei Neubauten wird das Angebot aufgrund niedriger Fertigstellungsquoten die dennoch hohe Investorennachfrage allerdings kaum befriedigen können, was perspektivisch zu einer Stabilisierung der Renditen auf etwas höherem Niveau führen dürfte.
Viele Wohnbauprojekte rechnen sich unter den geänderten Vorzeichen nicht mehr. Ein möglicher Ausweg könnte eine massive Ausweitung der Fördermittel sein. Um eine wirkliche Veränderung anzuschieben, wären bundesweit sicherlich mehrere dutzend Milliarden Euro nötig, ähnlich dem Sondervermögen für die Bundeswehr. Als wären die Herausforderungen im Neubau nicht schon groß genug, stehen aber auch beim Wohnungsbestand erhebliche Investitionen an. Um die Klimaziele zu erreichen, muss nämlich die energetische Sanierungsrate spürbar gesteigert werden. Dies dürfte zukünftig einerseits öffentliche Fördermittel binden und andererseits auch Kapazitäten der Bauwirtschaft. Ein Nebeneffekt wird sein, dass diese Ressourcen dann im Neubau fehlen. Wir werden daher in Deutschland und insbesondere auch in Frankfurt und Umgebung noch viele Jahre über angespannte Wohnungsmärkte reden. Investitionen in Wohnimmobilien sind vor diesem Hintergrund mehr denn je ein zyklendefensives Investment.