Der Autor
Nikolai SchmidtHead of Transaction Health Care, Swiss Life Asset Managers Deutschland GmbH
Nicht zuletzt durch die bereits seit Langem prognostizierte demografische Entwicklung genießen Seniorenimmobilien – sowohl die Vollstationäre Pflege als auch das Betreute Wohnen – bei Immobilieninvestoren zunehmend an Beliebtheit. Attribute wie lange Pachtlaufzeiten, eine stets steigende Nachfrage, aber auch die teilweise staatliche Refinanzierung der Miete gelten nach wie vor als besonders attraktiv für verschiedene Investorengruppen.
Besonders in den vergangenen acht Jahren erfuhr daher der Investmentmarkt für Seniorenimmobilien einen beispiellos dynamischen Aufschwung. Seit 2013 haben sich die Angebotspreise bis Ende 2021 mehr als verdoppelt und ein vermeintliches Betreiberrisiko wurde im Rahmen der Investitionsrechnung praktisch nicht mehr eingewertet. Viele Investoren sahen sich im harten Wettbewerb und angesichts des begrenzten Angebotes waren zunehmend Preisrallyes – insbesondere im Rahmen strukturierter Bieterwettbewerbe – zu beobachten. Immer öfter wurde im Zusammenhang mit Seniorenimmobilien der Begriff "resilient" verwendet. Denn diese Assetklasse ist im Vergleich zu anderen Nutzungsarten relativ unbeschadet durch die Covid-19-Pandemie gekommen. Nur selten waren signifikante Mieteinbußen auf Eigentümerseite zu beobachten – nicht zuletzt durch die verabschiedeten Pflege-Rettungsschirme.
Doch dann kam im vergangenen Jahr das völlig Unerwartete: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, damit einhergehend Unsicherheiten auf den Finanzmärkten, explosionsartig gestiegene Finanzierungszinsen und eine noch stärkere Verknappung der Materialverfügbarkeit. Innerhalb weniger Monate stellte sich eine völlig neue Marktsituation ein. Investoren mussten mit neuen Renditeerwartungen umgehen. Im Gegenzug musste die Verkäuferseite – seien es Bestandshalter oder auch Projektentwickler – eine stark verminderte Preisbereitschaft der Investoren hinnehmen. Und so kam es besonders im vergangenen Jahr 2022 nicht selten vor, dass die Gestehungskosten für neue Seniorenimmobilien-Projekte fünf bis sechs Kaufpreisfaktoren über den Möglichkeiten der Nachfrageseite lagen. Neue und insbesondere größere Transaktionen wurden immer mehr zur Seltenheit.
Nach unserer Prognose wird es noch einige Zeit dauern, bis ein neues Gleichgewicht zwischen den Vorstellungen von Verkäufern und Käufern in Bezug auf neue Investitionen hergestellt sein wird, insbesondere hinsichtlich Kaufpreisen und Sicherheitenregime im Rahmen von Kaufverträgen. Aber nicht nur das Verhältnis auf Verkäufer-Käufer-Seite gewinnt zunehmend an Bedeutung, sondern auch die Auswahl des geeigneten Betreibers. Die jüngst beobachteten Insolvenzanträge von CURATA oder CONVIVO zeigen deutlich, dass die vergangenen Jahre der Pandemie und des zunehmenden Pflege-Fachkräftemangels ihre Spuren hinterlassen.
Hinzu kommt ein teilweise stark erhöhter Vergütungsaufwand für Mitarbeitende in der Pflege im Zuge des vereinbarten Pflegemindestlohns. Vor dem Hintergrund der ohnehin eher margenschwachen Pflegebranche werden wir in der kommenden Zeit womöglich die ein oder andere weitere Betreiberschieflage erleben und der Markt wird sich zunehmend konsolidieren.
Und was können nun verantwortungsvolle Investoren in der aktuellen Zeit tun, um ihrer besonderen gesellschaftlichen Bedeutung bei gleichzeitig langfristiger Renditeperspektive gerecht zu werden? Zweifelsohne kommt der kritischen Abwägung der konkreten Nachfragesituation, der Betreiberprofessionalität und -bonität, aber auch potenzieller Projektentwicklungsrisiken im Rahmen der Due Diligence eine noch stärkere Bedeutung zu: Ist die spezifische pflegerische Nachfrage auch nach 2030 am konkreten Standort gegeben, welchen Track-Record und welche wirtschaftliche Ägide prägen den vorgesehenen Betreiber? Ist eine Projektentwicklung mit der nötigen Sorgfalt und Preissensibilität geplant, ohne jedoch dabei an wichtigen Qualitätsmerkmalen wie Energieeffizienz und Architektur einzubüßen?
Angesichts der aktuellen Herausforderungen, sowohl bei neuen Projektentwicklungen als auch auf Nachfrageseite, sollten Investoren Ihren Fokus nicht ausschließlich auf Möglichkeiten zur Neu-Akquise lenken, sondern die aktuelle Zeit auch dazu nutzen, die bereits angekauften Seniorenimmobilien weiterzuentwickeln.
Natürlich ist das Investorengeschäft von Wachstum geprägt, und daran wollen wir auch gar nichts ändern. Jedoch ist es auch die Aufgabe des Immobilieneigentümers, im Rahmen seines Verantwortungsbereichs die notwendigen Investitionen in seine Häuser zu tätigen, um dem Betreiber und damit auch den Bewohnerinnen und Bewohnern ein arbeits- und lebenswertes Umfeld zu bieten. Swiss Life Asset Managers geht hier mit gutem Beispiel voran und legt ein besonderes Augenmerk auf die Revitalisierung und Optimierung des Bestandes. Hiermit wollen wir unseren gesellschaftlichen Beitrag in allen Bereichen "E", "S" und "G" leisten und unsere Immobilien für Beschäftige der Pflege sowie Seniorinnen und Senioren nachhaltig gestalten. Ohne den Bestand wird es nicht gehen, und trotz teilweise etwas herausfordernder Gebäudekonzeptionen sind viele Bestandsgebäude dazu geeignet, qualitativ hochwertig revitalisiert zu werden. "Wir unterstützen Menschen dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen" und setzen dabei sowohl auf die Weiterentwicklung des Bestandes als auch auf neue Investitionen, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung mit nachhaltigen Investments gerecht zu werden.