Wir müssen jetzt bereits an übermorgen denken

ESG

Die Bau- und Immobilienbranche steckt mitten in herausfordernden Zeiten – und perspektivisch werden diese Herausforderungen noch größer.

Thorsten Huff 28. Oktober 2022

Auf der einen Seite hat sich das konkrete Marktumfeld in den letzten Monaten grundlegend verändert: steigende Zinsen und Finanzierungskosten, hohe Inflationsraten und eine explodierende Energiepreisentwicklung.

Auf der anderen Seite festigen sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Richtung Taxonomieverordnung und Pariser Klimaabkommen – die Vorgaben werden konkreter und die Klimaziele rücken immer näher. Schließlich arbeiten wir auf einen klimaneutralen Gebäudebestand bis spätestens 2050 hin, viele Unternehmen haben sich sogar dazu verpflichtet, ihre Ziele noch früher zu erreichen.

Die grobe Richtung ist also mittlerweile definiert und die ersten Schritte sind gemacht. Jetzt geht es um eine konsequente Umsetzung der Themen. Eine Mammutaufgabe, die es gemeinsam zu bewältigen gilt – von der Bau- und Immobilienbranche über die Kommunen und Politik bis hin zur Finanzbranche.

Denn gerade wenn es um die Transformation unserer Städte geht, darf angesichts der derzeitigen exogenen Herausforderungen, wie die wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten, das Thema ESG nicht in den Hintergrund rücken – im Gegenteil. Gerade jetzt gilt es, aktiv zu handeln, um zukunftsfähig zu werden.

ESG ist längst keine Option mehr

Tatsächlich haben wir den Weg in die richtige Richtung eingeschlagen: Denn dass Wirtschaftlichkeit in Zukunft Hand in Hand mit Nachhaltigkeit geht, haben die meisten beteiligten Akteure erkannt. Selbst Unternehmen, die den strikten Vorgaben der Regulatorik nicht unterliegen, beispielsweise Family Offices oder nicht-institutionalisierte Projektentwickler, kümmern sich aktiv um die eigenen ESG-Themen und -Ziele. Während diese Themen in der Vergangenheit meist aus der Pflicht heraus betrachtet und umgesetzt wurden, geht ESG inzwischen oft darüber hinaus und wird zur erklärten Mission der Unternehmen. Für die meisten gehört das nachhaltige Wirtschaften bereits zur Selbstverständlichkeit und ist fest in die Unternehmenskultur verankert.

Doch wann ist ein Gebäude beziehungsweise ein Investment nachhaltig?

Ein zentraler Faktor werden vor allem die CO2-Emissionen bleiben – ein Aspekt, der anders als andere Faktoren messbar und vergleichbar ist. 

Denn um es deutlich zu sagen: Wenn wir die ökologische Seite im Hinblick auf die einschlägigen Klimaziele nicht in den Griff bekommen und wir somit den Klimawandel mit all seinen Folgen und Folgekosten immer weiter vorantreiben, müssten wir uns über andere Aspekte keine Gedanken mehr machen. Doch so weit darf es nicht kommen. Wir sollten uns also zunächst auf die messbaren ökologischen Faktoren konzentrieren. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass soziale und gesellschaftliche Aspekte komplett außer Acht gelassen werden dürfen.

Ob es in naher Zukunft konkrete Anhaltspunkte und Regularien vonseiten der Politik gibt, um das „S“ und „G“ in Immobilien messbar zu machen, ist fraglich. Dennoch sollte es selbstverständlich sein auch hierbei einen hohen Standard im gesamten Lebenszyklus der Immobilie zu setzen. Denn kein ökologisch „grünes“ Objekt ist nützlich, wenn sich dessen Nutzer nicht wohlfühlen oder Mindeststandards beim Bau oder Betrieb nicht eingehalten werden.

Verlässlichkeit und Planbarkeit sind unerlässlich

Um weiter voranzukommen, müssen wir also alle gemeinsam an einem Strang ziehen – das gilt auch für die Politik. Denn was oftmals fehlt, sind die Verlässlichkeit und die Planbarkeit vonseiten der Politik. Schlagzeilen wie von April dieses Jahres, als innerhalb weniger Stunden die KfW-Fördermilliarde ausgeschöpft war oder sich Förderungsbedingungen kurzzeitig geändert haben, tragen nicht dazu bei, einschlägige Ziele zu erreichen – im Gegenteil.

Gleichzeitig gilt es, seitens der Bau- und Immobilienbranche nicht abzuwarten, bis neue Vorschriften vorgegeben und Benchmarks gesetzt werden – dafür bleibt keine Zeit. Wir müssen jetzt bereits vorausschauend handeln und an übermorgen denken. Es gilt, seine Ziele aktiv voranzutreiben – und das über das Mindestmaß hinaus.

 

Der Autor
Dr. Thorsten Huff
CBRE Germany

Das Event zum Thema

Dienstag, 22. November - Mittwoch, 23. November 2022
Jahreskongress ESG
München