21.09.2022
Karen Klessinger
Angela Rüter

Interview mit Karen Klessinger, Kreativdirektorin und Mitglied des Management Boards, dan pearlman Group

Happy Places, Happy People ?!

Bei der Stadtentwicklung geht es zunehmend darum, eine hohe Qualität zu schaffen, die lange Bestand hat, die gut altert, die im Vorfeld gut durchdacht und stark mit dem Umfeld und der Stadt vernetzt ist. Hält ein neuer Zeitgeist Einzug?

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Heuer Dialog: Frau Klessinger, Städte müssen sich zukunftsfähig strukturieren, um als attraktiver Lebensstandort zu punkten. Wie sieht die ideale Stadt der Zukunft aus, wie funktioniert sie?

Karen Klessinger: Als Expertin für Destinationsentwicklung plädiere ich grundsätzlich für eine verantwortungsvolle Planung und Nutzung städtischer Räume und öffentlicher Orte. Die perfekte Mischung für eine lebenswerte Stadt bedeutet nicht Monokultur, sondern Diversität in der Architektur und in der konzeptionellen Nutzung. Wer in der Stadt seinen Fußabdruck hinterlässt, sollte dafür sorgen, dass öffentliche Orte sowie eine Vielfalt an städtischen Lebens- und Raumkonzepten und eine mitgestaltbare, urbane Kultur entstehen. Attraktivität braucht Durchmischung. Menschen wollen lebendige Quartiere, die eine schöne Mischung aus Kultur, Retail, Wohnen, Leben und Arbeiten bieten. Integration und soziale Aspekte nehmen dabei eine immer zentralere Rolle ein. Es gilt, lebenswerte Quartiere und Angebote zu schaffen, weil die alte Methodik, der beispielsweise immer gleich wirkenden Einkaufsstraßen, nicht mehr greift. Ein neuer Zeitgeist hält Einzug. Bei der Stadtentwicklung geht es zunehmend darum, eine hohe Qualität zu schaffen, die lange Bestand hat, die gut altert, die im Vorfeld gut durchdacht und stark mit dem Umfeld und der Stadt vernetzt ist. Hier haben Stadtplaner:innen die Aufgabe, insbesondere das Lokale zu stärken, denn alles Lokale schafft Qualität und Einzigartigkeit. Wir brauchen außerdem einen stärkeren integrativen Ansatz der Stadtgestaltung unter Einbeziehung aller Stakeholder. Wir müssen nicht nur die erwachsenen Bürger:innen der Stadt zur Teilhabe einladen, sondern auch ihre Kinder. Unsere wichtigste Aufgabe, um Städte zukunftsfit zu machen, ist es, einen strategischen Wandel herbeizuführen und die Stadt mit spannenden Formaten „aufzumischen“, die ihre Nutzer:innen in den Mittelpunkt stellt.


HD: Frau Klessinger, Klimaschutz, Klimawandelanpassungen, Innovationsbereitschaft und die Berücksichtigung der sozialen Gerechtigkeit sollen sich in Strategien und Maßnahmenplänen der Städte wiederfinden. Können Städte dem gerecht werden? 

Klessinger: Grundsätzlich geht es für mich als Destinationsentwicklerin immer darum, dass wir gemeinsam mit den Städten eine co-kreative und ganzheitliche Stadtentwicklung möglich machen, die die großen Themen wie Klima-Resilienz und Nachhaltigkeit, Innovation und soziale Gerechtigkeit, adressieren und in mutige Visionen und Maßnahmen umsetzen. Nachhaltig heißt für mich aber auch, todgesagten Bestandsgebäuden eine neue Daseinsberechtigung zu geben, z.B. durch radikalen Nutzungsmix, neue Öffnungen zur Stadt, Zwischennutzungen im Leerstand usw. Neue maßgeschneiderte Konzepte können daraufhin gemeinsam mit lokalen Akteuren wachsen. Wir denken dabei in multikodierbaren Räumen, in denen die Nutzungen je nach Zeit und Bedarf variieren können.


HD: Frau Klessinger, was genau sind „Happy Places“?

Klessinger: Städte sind dichte und komplexe Lebensräume. Mit meiner Expertise unterstütze ich sie bei einer ihrer wichtigsten Aufgaben: ihren Bewohnern ein gesundes und glückliches Leben zu ermöglichen. Dazu braucht es „aktivierte“ Orte, vor allem aber „aktivierte“ Nutzer:innen, die ihre Orte mitgestalten. Co-Kreation lautet das Credo und meint in erster Linie eine neue Haltung in der Stadtentwicklung, mehr als nur ein Werkzeug oder eine Methode. Es geht nicht länger nur um ein „Dafür- oder Dagegensein“. Das silo-übergreifende Miteinander aller Akteure wird derzeit an vielen Stellen geübt. Das macht Mut, denn zukunftsfähige Orte brauchen Stadtaktivisten und Stadtaktivistinnen aus der Wirtschaft, der Verwaltung, den Institutionen und der breiten Öffentlichkeit.
Wir müssen neue Ideen ausprobieren, sei es z.B. eine „Stadtaktie“, bei der jede:r Bewohner:in an der Entwicklung und auch den Erfolgen der Stadt beteiligt ist. Wer Teilhaber:in ist, übernimmt automatisch mehr Verantwortung und fühlt sich vor allem zugehörig. So kann ein identitätsstiftender Optimismus entstehen, den wir für unsere Städte dringend brauchen. Aus meiner Sicht braucht es zwölf Prinzipien, wie „Happy Places“ entstehen können. Von der Vision bis zur Co-Creation, von der Resilienz bis zu den Wow-Momenten reichen dabei die Maßnahmen für eine erfolgreiche Destinationsentwicklung: https://danpearlman.com/blog/create-happy-places/

HD: Frau Klessinger, wir danken Ihnen für das Gespräch!

 

Das Interview führte Angela Rüter, Projektleiterin, Heuer Dialog GmbH.

Die Autoren
Karen Klessinger
Kreativdirektorin und Mitglied des Management Boards
Angela Rüter
Projektleiterin
Heuer Dialog