Der Autor
Stefan DahlmannsGeschäftsführer, Nyoo Real Estate
In Deutschland fehlen hunderttausende Wohnungen – vor allem in den Metropolregionen. Allein in den sieben A-Städten besteht jährlich eine Versorgungslücke von rund 15.000 Wohnungen (vgl. bulwiengesa 2021). Der aktuelle Bedarf wird nicht gedeckt und die Situation verschärft sich mit jedem Jahr weiter. Hohe Dynamiken bei Miet- und Verkaufspreisen sind die Folge. Zugleich laufen immer mehr Wohnungen aus der Bindung der sozialen Wohnraumförderung. Zwischen 2002 und 2019 hat sich die Zahl der geförderten Wohnungen von rund 2,5 Millionen auf 1,1 Millionen Wohnungen reduziert (vgl. Statista 2022) und damit mehr als halbiert. Die Versorgunglage der Bevölkerung insbesondere mit bezahlbarem und energieeffizientem (!!!) Wohnungsneubau spannt sich immer mehr an und wird sich durch aktuelle Entwicklungen von Inflation, Zinsen, Bau- und Energiepreisen sowie der weiterhin positiven Wanderungssaldi in den Metropolregionen weiter verschärfen. Das stellt durchaus einen Stresstest für die Gesellschaft dar und bleibt nicht ohne Folgen für das Sozialgefüge. Doch was sind die Hemmnisse für den Bau von bezahlbarem Wohnraum?
Auch wenn sich die Wohn- und Lebensstile in den letzten Jahren sicherlich mit zunehmender Dynamik – insbesondere in den urbanen Agglomerationen – ausdifferenziert und individualisiert haben. Für das Gros der deutschen Gesellschaft stellt sich „Wohnen“ jedoch sehr einheitlich und fast schon tradiert dar – drei Zimmer, Küche, Diele, Bad. Eine Wohnung bietet Raum für die täglichen Bedürfnisse. Hier wird gekocht, geschlafen, gewaschen und zunehmend gearbeitet– aber vor allem gelebt! Deswegen stellt sich mit dem Ziel einer signifikanten Effizienzsteigerung durch Standardisierung auf Produktebene die zentrale Frage: Muss eine 3-Zimmer-Wohnung in München grundsätzlich anders aussehen als in Berlin oder Frankfurt? Wir meinen: Nein!
Für Veränderungen braucht es eine ganzheitliche Sicht auf den Entwicklungsprozess und ein gemeinsames Ziel
Während die zentrale Funktion des Produkts – im weitesten Sinne also ein „Dach über dem Kopf“ – im Wesentlichen statisch bleibt, bietet der Entwicklungs- und Produktionsprozess zahlreiche Potenziale. Allerdings ist er aber auch höchst komplex. Und das ist die Crux! In der Projektentwicklung müssen die Belange vieler „Stakeholder“ unter einen Hut gebracht werden. Dafür benötigt es Experten unterschiedlichster Professionen, eine Menge Kapital und einen langen Atem, denn von der Akquisition bis zur Schlüsselübergabe vergehen oftmals mehrere Jahre. Kurz: Der Projektentwicklungsprozess ist personal-, kapital- und vor allem kommunikationsintensiv. Deswegen braucht es zu allererst einen ganzheitlichen Blick auf die Erfolgsfaktoren eines Projektes sowie eine Gleichschaltung der Interessen.
Interdisziplinär agierende Projektentwickler begleiten Projekte von der Idee bis zur Fertigstellung. Klassischerweise gibt es während des Entwicklungsprozesses unzählige Schnittstellen sowohl organisationsintern als auch zu externen Partnern, z. B. in der Planung, im Bau oder im Vertrieb. Diese kosten Zeit, Geld und nicht selten auch Geduld. Vor allem sind Schnittstellen aber potenzielle Fehlerquellen und bürgen im Falle mangelnder Interessengleichschaltung auch Konfliktpotenzial.
Mit nyoo haben wir ein Geschäftsmodell entwickelt, welches genau diese Schnittstellen minimiert. Als Teil der Instone Real Estate Group SE haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Zukunft des bezahlbaren Wohnens mitzugestalten und bieten einen One-Stop-Shop für die Entwicklung von bezahlbarem Wohnraum in Deutschlands Metropolregionen an. Kern des Konzeptansatzes ist die konsequente Standardisierung und Digitalisierung von Produkt, Prozess und Produktion. Große Teile der Wertschöpfungskette werden inhouse mit Hilfe unseres interdisziplinären und hoch motivierten Teams erbracht. Schnittstellen werden dadurch auf ein Minimum reduziert, Ressourcen jeglicher Art optimal eingesetzt und eine gleichbleibend hohe Qualität erzeugt. Das Ergebnis: ein effizientes und kostengünstiges sowie schnell verfügbares Wohnraumangebot mit hoher Lebensqualität und modernen energetischen Konzepten.
Es braucht endlich ein Out-of-the-Box-Denken aller Beteiligten
Die prozessuale Optimierung ist das eine, das Umdenken bei allen anderen Beteiligten wie Verwaltungen, Politik, Nutzern, Projektentwicklern und Investoren das andere. Um dem Wohnraummangel in Deutschland entgegenzuwirken, braucht es einen Veränderungswillen auf allen Seiten. Wie sollen jährlich 400.000 Wohnungen gebaut werden, wenn Genehmigungsprozesse zum Teil länger als 12 Monate dauern? Wie soll bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, wenn Förderkulissen unsicher und rechtliche Rahmenbedingungen höchst individuell sind? Wieso diskutieren wir noch immer über einen Paradigmenwechsel bei der Definition städtebaulicher Dichten, wenn wir durch die effizientere Ausnutzung der bebaubaren Fläche wertvolle Ressourcen wie Grund und Boden schonen sowie Emissionen durch Pendlerverkehr vermeiden könnten? Sind hohe Stellplatzquoten in Zeiten der Mobilitätswende noch zeitgemäß? Macht es Sinn, dass Wohngebäude in Bayern andere rechtliche Rahmenbedingungen erfüllen müssen als in NRW? Das sind nur einige Fragen, die diskutiert und für die sinnvolle und praxistaugliche Lösungen gefunden werden müssen. Letztlich müssen wir alle auch unsere eigenen Ansprüche als Nutzer und „Bewohner“ hinterfragen. Nur ein Beispiel: In den letzten 30 Jahren ist der Wohnflächenverbrauch pro Kopf in Deutschland von 36 m² auf 47 m² um mehr als ein Viertel gestiegen. Je mehr Wohnfläche, desto höher die Wohn- und Energiekosten.
Für eine Entspannung der Wohnungsmärkte in Deutschland ist es also höchste Zeit für ein Out-of-the-box-Denken aller Beteiligten!