Der Autor
Dipl.-Wirtschaftsingenieur (FH) Martin ZunkenRobert C. Spies
Im Zuge der seit Jahren in den Ballungsräumen vorherrschenden und sich durch fast alle Assetklassen ziehenden Flächenknappheit, sowie des immer stärker im Fokus stehenden Nachhaltigkeitsgedankens findet innerhalb der Bau- und Immobilienbranche derzeit ein Umdenken statt. Ein Umdenken, das dem klassischen Rück- und Neubau von Bestandsobjekten sowie bestehenden Arealen, die nicht mehr aktiv genutzt bzw. effizient betrieben werden können, die Transformation als Alternative gegenüberstellt.
Doch was besagt der Terminus der Transformationsliegenschaft nun genau? Assetklassenübergreifend bezeichnet er die Nutzungsanpassung einer Bestandsliegenschaft an die aktuellen Anforderungen des Marktes. Diese Anpassung und Optimierung beinhaltet in den meisten Fällen eine umfassende funktionale und bauliche Umgestaltung bis hin zum partiellen Rück- und Neubau.
Fest steht nämlich: in nahezu sämtlichen Immobilienklassen sind potenzielle Transformationsimmobilien zu finden. Und das Vorhaben des Rück- und Neubaus als Nachnutzungsart kann sich schnell zu einem komplexen Unterfangen entwickeln, bei dem Hürden wie der konkrete Rückbau, streckenweise Mietausfälle und oftmals sehr langwierige Genehmigungszeiträume zu bewältigen sind.
Sollte dieser Lösungsansatz nun wirtschaftlich oder aus anderen Gründen schwer zu realisieren sein, kann u. U. die Transformation des Projekts zum gewünschten Ergebnis führen. Konkret stellen dabei womöglich die Umnutzung, Ertüchtigung und Revitalisierung des Bestands einen geeigneteren Lösungsweg dar. Der Rück- und Neubau wird sich daher zukünftig immer häufiger mit dieser Art der Transformation messen müssen, obgleich am Ende des Tages der wirtschaftlich beste Ansatz in den meisten Fällen das Rennen machen wird.
Die Transformation anhand eines Fallbeispiels aus der Praxis
In der Theorie scheint die Transformation an diesem Punkt eine Generallösung für diverse Liegenschaften zu sein. In der Tat vermag sie so manchem Bestand neues Leben einzuhauchen, doch zweifellos bedarf es bei jedem Fall einer genauen und vor allem individuellen Prüfung. Genau wie im nachfolgenden, realen Szenario, in dem eine umfangreich erfolgte Ertüchtigung des Bestands zur Entwicklung eines vermarktungsfähigen Produkts geführt hat.
Das Potenzial der Liegenschaft in sehr guter Lage zeigte sich dabei nach einer gründlichen Durchleuchtung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Optimierung, die sich letztendlich in einer baulichen und brandschutztechnischen Ertüchtigung des Bestands, der Überarbeitung und dem Austausch der technischen Gebäudeausrüstung, der Nachverdichtung des Areals durch zwei kleinere Neubauten sowie der Schaffung von diversen autarken Mieteinheiten manifestierte.
Doch zurück zum Anfang: bei dem Areal handelte es sich um ein ca. 12.000 m² großes Grundstück, das knapp 4.800 m² Bestand aufwies. Die Gebäude stellten per se hauptsächlich diverse kleinere Halleneinheiten mit einem entsprechenden Büroanteil dar. Die Fläche wurde in der Vergangenheit von lediglich einem Mieter genutzt und betrieben. Eine unabhängige Markteinwertung der Liegenschaft im IST-Zustand ergab einen Kaufpreis von knapp 2,4 Mio. EUR.
Die konkrete Aufgabenstellung lag bei diesem Projekt sowohl in der Erstellung eines Business Case inklusive der Darstellung möglicher Entwicklungspotenziale und deren Marktchancen als auch in der Vorgabe, einen Verkaufspreis von mindestens 3,5 Mio. EUR zu erzielen. Dieses Ziel erschien bei normaler Betrachtungsweise, die lediglich den Bestand als solchen und die Option des Rück- und Neubaus mitdenkt, nur schwer umsetzbar. Die Lösung lag somit in der Transformation der Liegenschaft.
Aus Investitionssicht bedeutete dies in Zahlen, dass Kosten von rund 700.000 EUR für die zuvor erwähnten Maßnahmen getätigt werden mussten. Im Falle einer Vollvermietung stand durch sie jedoch ein Kaufpreis in Höhe von etwa 4,38 Mio. EUR in Aussicht. Es war faktisch also möglich, den Verkaufspreis von eingangs ausgerufenen 2,4 Mio. EUR auf 4,38 Mio. EUR zu steigern. Abzüglich der Investitionen von 700.000 EUR liegt der Mehrwert also bei leicht über 50 %.
Es steht dabei außer Frage, dass bei den aktuellen Marktgegebenheiten durch einen Rück- und Neubau höchstwahrscheinlich ein noch deutlich höherer Verkaufspreis erzielt werden hätte können. Im Vergleich zur Transformation im Bestand würden sich dann jedoch auch die Investitionen in einem ganz anderen Rahmen bewegen. Mehr noch: auch die Mietausfälle würden durch längere Bau- und Projektzeiten signifikant höher ausfallen.
Die Transformation im Spiegel der Zeit
Anhand dieses Beispiels wird also sehr genau deutlich, welche Vorteile eine Transformation im Bestand im Vergleich zum klassischen Rück- und Neubauvorhaben aufweist. Denn insbesondere im Spiegel der gegenwärtigen geopolitischen Herausforderungen bedeuten geringere Investitionskosten eben auch ein geringeres finanzielles Risiko bei aussichtsreicher Gewinnoptimierung. Dazu tragen reduzierte Mietausfallzeiten und je nach Art der Transformation auch die Möglichkeit bei, während der Umsetzung weiterhin einen Teil der Mieten zu generieren. Schließlich können die Maßnahmen der Transformation oftmals in Teilabschnitten erfolgen.
Fassen wir zusammen: Flexibilität, Sicherheit, Neues Denken – die Transformation von Bestandsliegenschaften vermag in sich genau die Aspekte zu vereinen, die unser wirtschaftliches, politisches und gesamtgesellschaftliches Leben in Zukunft – und schon heute – prägen werden bzw. prägen müssen. Zwar ist sie nie automatisch die Optimallösung für jegliche Objekte und Projekte; mehr als nur eine reine Alternative ist sie jedoch allemal. Am Ende ist die Transformation ein ernstzunehmender Lösungsansatz für die immobilienwirtschaftlichen Herausforderungen. Von morgen. Schon heute.