Interview mit Dr. Tilo Nemuth, Geschäftsführer, Julius Berger International GmbH

PropTech-Start-ups als Innovationsturbo für etablierte Unternehmen

Franziska Heuer hat mit Dr. Tilo Nemuth über PropTech Start-ups als Innovationsturbo für etablierte Unternehmen gesprochen.

Franziska Heuer Tilo Nemuth 23. August 2022
PropTech-Start-ups als Innovationsturbo für etablierte Unternehmen
Quelle: Shutterstock

Heuer Dialog: Herr Nemuth, immer mehr PropTech-Start-ups trumpfen mit innovativen Lösungen auf. Sie wollen die Baubranche effizienter und nachhaltiger machen. Nehmen Sie als Geschäftsführer von Julius Berger International diese jungen Wilden als Konkurrenz war?

Dr. Tilo Nemuth: Ganz im Gegenteil. Wir sind uns schon seit Langem dem Innovationsdruck bewusst, unter dem wir und alle anderen etablierten Unternehmen stehen. Und ich bin davon überzeugt, dass wir nur in der Zusammenarbeit mit diesen Start-ups zukünftige Herausforderungen bewältigen können.

HD: Bei welchen Herausforderungen kann so eine Kooperation helfen?

Herr Dr. Nemuth: Die Baubranche steht vor einer Mammutaufgabe. Auf der einen Seite müssen wir neue gesetzliche Rahmenbedingungen für alle ökologischen Bereiche von Bauwerken umsetzen. Auf der anderen Seite ist da die riesige Anzahl von – speziell energetisch zu ertüchtigenden – Bestandsbauten, die gerade auf uns zukommen. Das ist eine Situation, die sich mit dem, was an Kapazitäten, Kompetenzen und Methoden vorhanden ist, nicht ohne weiteres bewältigen lässt…

HD: … und die notwendigen Innovationen können Unternehmen nicht selbst stemmen?

Herr Dr. Nemuth: Genau da liegt das Problem. Abteilungen wie „Forschung und Entwicklung“ sind in der Vergangenheit verschwunden und dieser damalige eher prozessorientierte Ansatz ist in der heutigen Zeit auch nicht mehr zielführend. Vielen Unternehmen fehlt es jedoch an einem Innovationsmanagement, das in der Lage ist, die Ideen von Mitarbeitenden gezielt zu fördern und zu realisieren. Es geht dabei heute vorrangig um eine „Trial-and -Error“- Herangehensweise, also ein Testen und Ausprobieren von Lösungen, verbunden mit einer hohen Kundenorientierung hin zu der Frage „Was benötigt der Kunde überhaupt?“. Hinzu kommt, dass der starke Wettbewerb viele Firmen zu sehr vorsichtigem Wirtschaften gezwungen hat. Es waren vielerorts einfach keine Ressourcen vorhanden und es fehlt neben Innovationen zusätzlich auch noch an Personal.

HD: Kommen wir zurück zu den Start-ups. Was können sie besser?

Herr Dr. Nemuth: Ich würde sagen die zwei entscheidenden Vorteile sind ihre hohe Kreativität und Schnelligkeit. Start-ups haben einen offeneren Blick. Oft finden sie Lösungen für Kundenprobleme, die im Betriebsalltag gar nicht sichtbar werden. Dazu kommt, dass es kleinere Teams mit hohem technologischem Know-how und schnellen Prozessen sind. PropTechs können natürlich für uns nicht der Kern unserer digitalen Transformation sein. Diese gestalten allein unseren Mitarbeitenden.

HD: Welche Erfahrungen hat ihr Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Start-ups bereits sammeln können?

Herr Dr. Nemuth: Unser Team hat Stand heute über 500 Start-ups im Bereich PropTech analysiert und bewertet. Die Ergebnisse dieses Tech-Scoutings sammeln wir kontinuierlich in einer Datenbank. Aus diesem Pool können wir für Kundenprojekte passende Lösungen auswählen. Wir schaffen so Mehrwerte, die aus unserem Tagesgeschäft heraus nicht möglich wären. Darüber hinaus sind wir in Business-Angel-Netzwerken aktiv und bauen Partnerschaften auf. Erst jetzt im Juli haben wir außerdem mit dem ersten JBI Start-up-Day eine möglicherweise neue kleine Event-Reihe gestartet.

Ein gutes Beispiel, wo wir kurzfristig von Start-ups profitieren konnten, sind unsere Wiederaufbauprojekte im vom Hochwasser zerstörten Ahrtal. Dort konnten wir betroffenen Kommunen mit smarten Tools weiterhelfen, vorhandene Daten zu organisieren und zu visualisieren, um erforderliche Aufgaben priorisiert anzugehen. Eine andere Lösung erlaubte uns, schnell qualitativ hochwertige Schadensbeurteilungen zu erstellen. Beides sind Fälle, in denen wir zusammen mit Start-ups akute Herausforderungen in der Projektbearbeitung für unsere Kunden lösen konnten.

HD: Das heißt, Start-ups treten für sie als Subunternehmer auf?

Herr Dr. Nemuth: Nicht immer. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir passende Lösungen von Start-ups bei Kund:innen und Partner:innen vorstellen. Auch wenn wir nicht unmittelbar am Projekt beteiligt sind. Wie schon gesagt, gibt es so viele Aufgaben für uns in der Bau- und Immobilienbranche – wir brauchen mehr netzwerkökonomische Ansätze, um erfolgreich zu sein. Hier geht es nicht um alt gegen neu. Es geht um Ergebnisse und Zusammenarbeit. Unser Ziel ist, immer bessere Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln. Wirtschaftlich, ökologisch und gestalterisch.

Wir sehen in der engen Zusammenarbeit mit Start-ups Win-Win-Win-Effekte. Für unsere Kund:innen, die bessere Lösungen bekommen. Für uns, die wir schneller auf innovative Tools zugreifen können. Und für die Start-ups, die von unserem Marktzugang profitieren.   

Die Autoren
Franziska Heuer
Head of Events, Projektleitung, Heuer Dialog
Dr. Tilo Nemuth
Geschäftsführer, Julius Berger International

Das Event zum Thema

Dienstag, 20.September.2022
Immobilien-Dialog Wiesbaden & Mainz
Wiesbaden