Bezahlbar oder klimafreundlich?

Wohnungsbau zwischen Klimaschutz und Kostenrealität

Städte im Hitzestress, Starkregenereignisse und energetische Anforderungen - die Herausforderungen für Bauherren und Planer, Siedlungsgebiete und Gebäude an die Klimaveränderungen anzupassen, werden sukzessive größer, genau wie die Realisierungskosten.

Andrea Frank-Jungbecker 12. August 2022
111 geförderte Wohnungen im Quartier Kaiserhof - ein Wohnungsbauprojekt der SEG Wiesbaden mbH
Quelle: SEG Wiesbaden mbH / KAP ARCHITEKTUR DEVELOPMENT

Wohnungsbau bildet unbestritten die soziale Frage unserer Zeit. Metropolregionen bilden Magnete für Menschen aus eher ländlich geprägten Regionen auf der Suche nach besseren Bedingungen für Bildung, Arbeit, Infrastruktur und nicht zuletzt Zukunftschancen für die nächsten Generationen.
Gleichzeitig stehen wir am kritischen Punkt, eine Welt zu hinterlassen, die klimatisch weiterhin Sicherheit und Beständigkeit bieten kann. Hätten Sie vor wenigen Jahren für möglich gehalten, dass sich das Klima in kürzester Zeit derart heißlaufen könnten? Seien wir ehrlich: Klimaschutz ist schon lange nicht mehr nice-to-have. Sicherheit und Beständigkeit stehen auf dem Spiel.Aber kann man das eine gegen das andere aufwiegen? Sicherlich nicht. Dafür berühren beide Herausforderungen, Wohnungsbau und Klimaschutz, zu sehr grundsätzlich menschliche und gesellschaftliche Bedürfnisse.
Derzeit sind Bauherrn jedoch in einer scheinbar aus den Fugen geratenden Welt mit immensen Kostensteigerungen konfrontiert. Waren das Kostenniveau und die Steigungsraten in den letzten Jahren angesichts des knappen Baugrunds und kaum verfügbarer Kapazitäten ausführender Unternehmen bereits hoch, befinden sich die Kosten seit dem Frühjahr 2022 quasi im freien Fall – nach oben. Kostensicherheit und Wirtschaftlichkeit rücken damit, wie es scheint, in unerreichbare Ferne.
Wie kann es aber gelingen, Klimaschutz und bezahlbaren Wohnungsbau in Einklang zu bringen und so das eine zu tun und das andere nicht lassen zu müssen?
Es darf nicht dazu kommen, dass fehlende Wirtschaftlichkeit Neubau und energetische Bestandertüchtigung verhindert. Wohnungsbau muss sich trotz oder gerade mit hochgesteckten Klimaschutzzielen lohnen, damit Menschen auch zukünftig bezahlbaren Wohnraum finden.Umwelt-, Klima-, Naturschutz werden in Deutschland bereits großgeschrieben. Die bauliche Erschließung neuer Entwicklungsgebiete geht stets einher mit umfangreichen Untersuchungen verschiedenster Disziplinen, um den Zusammenhang zwischen dem Vorhaben und den dadurch bedingten Eingriffen in die Umwelt zu prüfen, Auswirkungen einzuschätzen und abzuwägen. Zudem nehmen Bestandshalter in der Wohnungswirtschaft ihre Verantwortung gegenüber dem Klimaschutz bereits seit vielen Jahren ernst, sanieren ihre Bestände und errichten Effizienzhäuser nach KfW-Standard. Allerdings sind der Wirksamkeit insbesondere im Bestand Grenzen gesetzt, denn Kosten für Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz verlaufen nicht linear, vielmehr flacht sich die Kurve deutlich ab: Während sich Einsparpotentiale ab einem bestimmten Punkt nur noch in immer geringerem Maße realisieren lassen, steigen die Kosten für baukonstruktiven und anlagentechnischen Aufwand exponentiell an. Hier ist Augenmaß gefragt.
Dichte, urbane Besiedlung müssen auch nicht zwangsläufig ein Nachteil für den Klimaschutz und die Bewohner darstellen– im Gegenteil. Diese Siedlungsräume können Vorteile und Einsparpotentiale mit sich bringen, da sie etwa den Flächenverbrauch deutlich reduzieren. Darüber hinaus kann Energieerzeugung dezentral stattfinden, Abwärme genutzt und Versorgung über kürzere Entfernungen realisiert werden. Das reduziert Leitungsverluste und auch Systeme mit hoher Energieeffizient wie etwa Nahwärme können zum Einsatz kommen. Mit Konzepten vor Ort, der Multifunktionalität von Freiflächen und Dächern und kühlenden Elementen wie Wasserflächen kann eine hohe Aufenthaltsqualität für die Bewohner geschaffen und eine urbane Biodiversität gefördert werden. Dafür gibt es bereits viele gute Beispiele, die ihre Erwähnung regelmäßig in der medialen Berichterstattung finden. Die sich aus dem Wunsch nach bezahlbaren Wohnraum zudem zwangsweise ergebende Konsequenz, eben mehr Bauland in den Metropolen auszuweisen, sollte hingegen noch klarer in die Öffentlichkeit transportiert werden.
Damit der erforderliche Innovationsgrad aus anderen Branchen auch in der Bau- und Gebäudewirtschaft erreicht werden kann, bedarf es Ideenreichtum, Technologieoffenheit, ein Hand-in-Hand-Arbeiten verschiedener Disziplinen und Fachleuten sowie den Abbau bürokratischer Hürden und nicht zuletzt umfangreiche Fördertöpfe. So kann es letztlich gelingen, Bezahlbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Wohnungsbaus unter Berücksichtigung des Klimaschutzes zu gewährleisten.

Die Autorin
Dr. Andrea Frank-Jungbecker
Stabstelle Fördermittelmanagement, Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesbaden

Das Event zum Thema

Dienstag, 20.September.2022
Immobilien-Dialog Wiesbaden & Mainz
Wiesbaden