Die Autorin
Sandra LudwigJLL
Krieg, Inflation, Lieferengpässe, steigende Zinsen, Pandemie – die widrigen Marktumstände stellen derzeit alle Akteure auf dem Markt für gewerbliche Immobilieninvestments in Hamburg vor neue Herausforderungen. Dies spiegelt sich auch in unseren jüngst veröffentlichten Marktzahlen wider. Zwar erzielten die im 1. Halbjahr 2022 getätigten Transaktionen ein Gesamtvolumen von rund 2,5 Mrd. €, was einem Anstieg von 129 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Dieses vermeintlich starke Ergebnis ist jedoch vordergründig auf die großvolumige Übernahme von alstria office durch Brookfield Properties im 1. Quartal zurückzuführen. Im 2. Quartal verlangsamte sich die Marktdynamik spürbar. So lag das Transaktionsvolumen der von April bis Juni verkauften Investitionsobjekte in Hamburg bei lediglich rund 600 Mio. €.
Gestiegene und volatile Zinsen bremsen Transaktionsgeschehen
Von den momentanen Belastungsfaktoren hat insbesondere die Zinswende deutliche Auswirkungen auf das Umsatzgeschehen. Wegen der erheblich gestiegenen Zinsen reduzieren Investoren ihre Zahlungsbereitschaft. Die Volatilität auf den Zinsmärkten macht Investments außerdem schwer kalkulierbar. Ein Beispiel: Lag der 10-Jahres-SWAP am letzten Dienstag im Juni (28.06.) noch bei 2,4 %, so fiel er zum darauffolgenden Freitag (01.07.), also innerhalb von drei Tagen, auf 2,0 %. Heute (13.07.) liegt er nach weiteren Zickzack-Bewegungen wieder bei 2,0 %. Solche gravierenden Schwankungen machen es Investoren schwer, fundierte Entscheidungen zu treffen. Verkäufer sind hingegen noch nicht bereit, niedrigere Verkaufspreise zu akzeptieren. Dies führt in Summe dazu, dass Käufer und Verkäufer derzeit häufiger nicht zusammenfinden und insbesondere größere Transaktionen vorübergehend ‚on hold‘ gesetzt werden. Wir beobachten eine abwartende Stimmung an Hamburgs Investmentmarkt.
Chancen für eigenkapitalstarke Käufer
Die angespannte Lage eröffnet aber auch Chancen. Einen Vorteil haben aktuell Investoren, die möglichst wenig auf Fremdkapital angewiesen sind. Denn insbesondere für Projektentwicklungen sehen die Banken höhere Risiken und erhöhen die Eigenkapitalanforderungen. Für eigenkapitalstarke Investoren eröffnet dies eine Chance in einem weniger harten Wettbewerb an gute Produkte zu gelangen. Wer zudem in der Lage ist, schnell zu agieren, hat in Zeiten schwankender Zinsen und langwieriger Preisverhandlungen oft den entscheidenden Vorteil.
Investoren setzen auf ESG-konforme Immobilien
An ESG führt kein Weg vorbei. Die Anforderungen sind zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Immobilieninvestments geworden. Durch die seit März letzten Jahres geltende Taxonomie-Verordnung der EU müssen Investoren beim Kauf eines gewerblichen Immobilienprodukts offenlegen, wie sie die Kriterien dieser Verordnung erfüllen. Vor allem ESG-konforme Core-Objekte stehen daher ganz oben in der institutionellen Investorengunst. Der Ukraine-Krieg und die dadurch ausgelöste Debatte um die Energieeffizienz von Immobilien haben die Relevanz des „E“ noch stärker in den Vordergrund gerückt. Herausfordernd hingegen sind ältere Bestandsgebäude. Hier ist es wichtig zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, um diese Immobilien in der Zukunft energetisch zu ertüchtigen und damit für Investoren attraktiver zu machen. Mit Blick auf die Assetklassen sind Büro-Immobilien weiterhin am begehrtesten. Ihr Anteil machte rund 79 % des Transaktionsvolumens des 1. Halbjahres aus. Die positiven Nachrichten vom Hamburger Bürovermietungsmarkt dürften die Nachfrage weiterhin hochhalten.
Prognose: Belebung zum Jahresende
Hamburg ist ein begehrter Investmentstandort, der sich auch in vergangenen Krisen, beispielsweise während der Corona-Lockdowns, als weitestgehend resilient erwies. Ein stabiles Mietpreiswachstum und ein bunter Branchenmix sprechen für die Hansestadt. Die Investoren stehen unter Anlagedruck und werden zum Jahresende verstärkt versuchen, ihre Investitionsziele zu erreichen, denn Kapital ist da und will investiert werden. Noch immer fehlt es außerdem an Anlagealternativen mit einer ähnlichen Wertstabilität wie Immobilien. Wenn sich die Zinsen auf einem kalkulierbaren Niveau einpendeln und die Verkäufer ihre Preiserwartungen an das veränderte Zinsumfeld anpassen, rechnen wir damit, dass der Hamburger Investmentmarkt zum Jahresende nach einer Phase der Neuorientierung wieder zu alter Stärke zurückfinden wird.