Heuer Dialog: Wie definieren Sie bei Werner Sobek „nachhaltiges Bauen“?
Stefanie Weidner: Nachhaltiges Bauen ist ein sehr komplexer Fachbereich und genau als solchen gehen wir es bei Werner Sobek auch an. Da wir alle Ingenieursleistungen anbieten, haben wir den großen Vorteil unternehmensintern die wichtigsten Planungsdisziplinen abbilden und damit auch das notwendige, fachübergreifende Know-How aktivieren zu können. Vor einigen Jahren hat Werner Sobek die ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit in dem Konzept Triple Zero zusammengefasst. Wenn wir das Bauwesen unter der Prämisse null Emissionen, null Energie aus Verbrennungsprozessen und null Abfall stellen, dann sind wir für die Zukunft gut gewappnet. Das ist aber natürlich leichter gesagt als getan und für ein Gelingen müssen wirklich alle Steakholder (Hersteller, Baufirmen, Bauherren, Planende, Politik) an einem Strang ziehen. Eine Zielformulierung weg von der sehr einseitigen Ausrichtung auf Energieverbräuche hin zu einer umfassenderen Wahrnehmung, ist dabei essentiell. Das Konzept Triple Zero versuchen wir bei Werner Sobek als unser Leitmotiv bei all unseren Planungen zu verankern.
Heuer Dialog: Was sollten Projektentwickler künftig in ihrer Vorgehensweise ändern?
Stefanie Weidner: Wenn ich dazu einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass Projektentwickler zukünftig Nachhaltigkeit von Anfang an mitdenken. Je früher das in einem Projekt aufgegleist werden kann, desto besser. Gleich zu Beginn einer Planung werden Entscheidungen getroffen, die den weiteren Projektverlauf stark beeinflussen. Das fängt mit dem projektierten Bauvolumen und der städtebaulichen Kubatur an und geht bis zur Entscheidung zum Standort und Überlegungen einer Weiternutzung von bestehender Gebäudesubstanz. All diese Faktoren beeinflussen den Ressourcen- und Treibhausgasverbrauch von Bauwerken enorm. Und das wird eben leider oft unterschätzt. Wenn ein Wettbewerbsverfahren angedacht ist, dann muss auch das bereits entsprechend nachhaltig ausgerichtet werden. Spät ergänzte Nachhaltigkeit führt entweder zu deutlich höheren Mehrkosten oder nur zu einer sehr oberflächlichen Behandlung. Insofern gilt es hier eine Veränderung der alteingesessenen Prozesse anzustreben und dann auch konsequent und zielorientiert die gesetzten Nachhaltigkeitsaspekte umzusetzen.
Heuer Dialog: Wenn die Baukosten höher, Grundstücke und Materialien teurer werden, wie rechnet sich dann nachhaltiges Bauen?
Stefanie Weidner: Konzepte, wie sie beispielsweise in Hamburg in der HafenCity mit den Anhandgabeprozessen umgesetzt werden, halte ich insofern für zukunftsweisend, da Investoren und Entwickler einen wirtschaftlichen Mehrwert durch günstigere Grundstückspreise erhalten, wenn sie in ihren Projekten nachhaltig bauen. Ansonsten ist es tatsächlich häufig so, dass ökologische Nachhaltigkeit mit Mehrkosten in der Erstanschaffung verbunden ist. Das muss aber nicht immer so sein, denn auch eine intelligente Planung, die z.B. nach Lebensende eine sortenreine Trennung ermöglicht, Gebäuderessourcenpässe formuliert oder Material durch effiziente Tragsysteme einspart, kann Nachhaltigkeit fördern ohne große Mehrkosten in der KGR 300.
Durch eine realistischere CO2-Bepreisung und eine weitere Verknappung der verfügbaren Ressourcen rechnen wir auch mit einer deutlichen Zunahme an Alternativprodukten, die wirtschaftlich wettbewerbsfähig sind und eben auf rezyklierten oder wiederverwendeten Baustoffen und CO2-armen Alternativen basieren. Wenn wir die Erstanschaffungskosten um eine Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes erweitern, die eine Instandhaltung und ggf. auch Nutzerproduktivität mit einbezieht, zeigt sich schnell auch ein gegenteiliges Bild, da konventionelle Bauweisen wartungsintensiver sein und Nutzerproduktivität negativ beeinflussen können.
Und dann stellt sich natürlich auch generell die Frage, ob wir zukünftig überhaupt noch viel neu bauen müssen oder nicht eher gezielt nachverdichten und den existierenden Gebäudebestand wiederverwenden werden.
Heuer Dialog: Schaffen wir das 1,5 Grad Ziel, für das noch ca. sieben Jahre Zeit verbleibt und wenn ja, was muss jetzt passieren?
Stefanie Weidner: Das 1,5°-Ziel, da bin ich ehrlich, sehe ich nur noch als eine rein theoretische Zielvorgabe. Es ist ja nicht so, dass wir jetzt noch 7 Jahre mehr oder minder normal weiterleben können, dann von heute auf morgen auf null umsteigen können und ab 2029 die Nettonull erreichen. Das bedeutet, noch sieben Jahre mit der Wende Zeit zu haben ist ein Trugschluss, denn de facto wäre es genau JETZT oder eher sogar vorgestern Zeit (gewesen) zu handeln. Soll aber bitte nicht heißen, dass jetzt alle die Stifte fallen lassen und sich ergeben.
Ganz im Gegenteil – Tatendrang und das gebündelte Mobilisieren aller Kräfte ist jetzt umso wichtiger. Wir sind stark motiviert, alles in unserer Macht stehende zu tun, das Umdenken im Bauwesen weitervoranzutreiben. Das machen wir bei Bauherren in dem wir sensibilisieren, aufklären und beraten und bei unseren Bauprojekten, indem wir alternative Lösungen vorschlagen und unsere Tragwerke und Fassaden maximal optimieren.
Hierbei müssen auch noch von Politik und Industrie entsprechende Anreize kommen; wir verlangen schon länger neben dem Energieausweis einen Emissions- und einen Ressourcenausweis, idealer Weise in Verbindung mit einer jährlichen Limitierung der Ressourcenverbräuche und Emissionen und blicken sehnsüchtig in andere Länder wie die Schweiz, Dänemark oder Niederlande, in denen z.B. der Umgang mit Rezyklaten und deren Verwendung im (Neu-)bau deutlich einfacher geregelt ist.