Heuer Dialog: Eine Immobilie muss flexibel und zukunftsfähig sein. Welche Herausforderungen kommen dabei besonders auf die Logistik zu?
Jörg Ziesmann: Erstmal muss man das vom großen Ganzen betrachten. Bei der Nutzung einer Immobilie für die Logistik kommen viele Faktoren auf mehreren Ebenen auf mich zu, z.B. gibt es eine Nutzungsänderung, wenn ich meine Lager- und Kommissionierprozesse ändere oder muss ich mein Brandschutzkonzept anpassen, weil ich eine neue Brandlast im Bestand habe? Was sagt die Versicherung oder der lokale Kreisbrandmeister? Diese drei Parteien sollte man immer am Tisch haben und zu verschiedenen Zeitpunkten in den Prozess reinholen. Alle drei haben einen verschiedenen Fokus bei der Nutzung der Immobilie und auf potenziellen Einbauten, die nicht wertschöpfend für die Logistik sind.
Gehe ich jetzt immer mehr in die operative Ebene rein, ist eine Immobilie eher unattraktiver je mehr Limitationen eingebaut sind. Dort können wir auch zwischen externen Faktoren, wie beispielsweise Erdbebenzonen und Windgeschwindigkeiten bei Hochregallägern unterscheiden. Interne Faktoren sind das Säulenraster, lichte Höhe des Gebäudes und vieles mehr. Leider gibt es dazu keinen allgemein gültigen Ansatz, weswegen es auf der einen Seite extrem interessant, aber auch schwierig ist, allen Anforderungen gerecht zu werden und die Logistik optimal auszurichten.
Häufig kann das aber in einer frühen Planungsphase vermieden werden. Es gibt einen Trend, dass die großen Beratungsunternehmen gerade in die vertikalen Funktionen investieren. Ist dem Architekten bewusst, wie meine Logistik später auszusehen hat, kann ich in Abstimmung viel besser festlegen, wo später meine Gewerke stehen, Fluchtwege sind oder gar wie die Zufahrt des Gebäudes aussieht, weil mein Materialfluss im gesamten Konzept sonst nicht stimmig wäre.
Heuer Dialog: Gibt es denn überhaupt „die optimale Immobilie“?
Ziesmann: Es kommt drauf an. Je nach Industrie ist das unterschiedlich. Gerade für Third Party Logistics steht die Flexibilität im Vordergrund. Das ist definitiv ein Trend, dass sich auch die Big Player auf ihre Kernkompetenzen – die ursprünglich nicht in der Logistik liegen – konzentrieren. Dadurch steigt auch der Bedarf nach Immobilien, die darauf ausgerichtet und auch mit kurzen Nutzungsdauern verbunden sind. Dabei geht es auch vor allem um Risikominimierung. Daher ist die optimale Immobilie immer nur für einen kurzen Zeitraum vorhanden, der je nach Business Case variiert. Ich denke auch dort wird eine Konzentration von Know-How und eine Arbeitsteilung stattfinden.
Heuer Dialog: Wenn wir gerade von Flexibilität und auch in Richtung Mehrfachnutzung gehen: gerade in den Urban Areas durch den Shift von Brick & Mortar zu e-commerce gibt es einen hohen Bedarf nach innovativen Konzepten, kleine Flächen bedarfsgerecht zu nutzen. Gibt es da schon Konzepte?
Ziesmann: Natürlich ist es schwierig, den Point of Sale zu einem Warehouse zu verschieben. Die Prozesse sind ja ganz unterschiedlich. Es gibt vielversprechende Start-& Scale-Ups auf dem Markt, die sich genau dieser Herausforderung annehmen. Nur um ein Beispiel zu nennen Storebox, die gerade letztes Jahr in einer Series B funding 52M $ eingenommen haben. Das heißt, auch Investoren sehen sehen das Potential, dort neue Nutzungsflächen zu erschließen, weil die Fläche ist, ja da und gerade dort ist man nah an einem Kunden. Zudem wird der Trend der Dezentralisierung zunehmen, trotz des immer wichtigeren Nachhaltigkeitsgedankens. Auch die Technologie muss sich anpassen. Flexibler, modularer – auch für ganz andere Immobilien von A nach B – wird immer wichtiger werden. Da spielen natürlich AMRs eine ganz zentrale Rolle in allen beliebigen Dimensionen. Es bleibt spannend!
Heuer Dialog: Danke für das Gespräch, Jörg.
Das Interview führte Jana Mielke, Projektleiterin, Heuer Dialog GmbH