Der Autor
Michael BuchholzLeiter der Region West, Aurelis Real Estate Service GmbH
Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Immobilienbranche inzwischen allgegenwärtig – und das vollkommen zu Recht. Schließlich handelt es sich beim Gebäudesektor um einen maßgeblichen Faktor hinsichtlich der Frage, ob die Pariser Klimaziele auf gesamtgesellschaftlicher Ebene eingehalten werden können. Gemäß dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen verursachen Gebäude etwa ein Drittel der globalen CO2-Emissionen und nehmen nahezu 40 Prozent der weltweiten Ressourcen in Anspruch.
Nachhaltigkeit muss nicht immer gleich Neubau heißen
Wie kann die Immobilienwirtschaft das Ruder herumreißen und für eine bessere Klimabilanz sorgen? Eine Antwort darauf ist: durch Neubauten, die ehrgeizigen Energiestandards entsprechen. Ambitionierte Projekte zeigen bereits, was heutzutage in Sachen Nachhaltigkeit alles möglich ist.
Falls ältere Bestandsimmobilien diesen Vorhaben im Weg stehen, sollten sie am besten weichen. Oder doch nicht? Tatsächlich darf bei einer solchen Betrachtung ein Aspekt keinesfalls unter den Tisch fallen. Gemeint sind die sogenannten grauen Emissionen, also der CO2-Ausstoß, der bei der Herstellung, beim Transport und beim Abbruch der Baumaterialien über die gesamte Wertschöpfungskette angefallen ist bzw. anfallen wird. Die Frage, ob bestehende Bausubstanz abgerissen oder behutsam revitalisiert werden soll, beeinflusst die tatsächliche Ökobilanz von Immobilien erheblich. In vielen Fällen würde sich der energieeffiziente Betrieb einer nach Abriss neu errichteten Immobilie hinsichtlich des Klimaeffekts erst nach mehreren Jahrzehnten lohnen.
Bei Revitalisierungsprojekten wird bestehende Bausubstanz genutzt, wo immer es möglich ist. Zudem müssen keine neuen Flächen versiegelt werden. Manchmal können einzelne Bereiche sogar entsiegelt beziehungsweise renaturiert werden. Nicht zu unterschätzen ist auch der soziale beziehungsweise wirtschaftliche Aspekt für die Mietparteien im Objekt: Der Abriss einer Immobilie kann nur bei Leerstand erfolgen. Die Optimierung des Bestands bei gleichzeitig weiterer Nutzung ist oft der verträglichere Weg. Und in vielen Fällen können bereits versiegelte Freiflächen durch Nachverdichtungen noch effizienter genutzt werden.
Revitalisieren – Kür oder Pflicht?
Verschiedene Rechenmodelle weisen darauf hin, dass Bestandsimmobilien allein durch das Volumen die Klimafrage maßgeblich mitbestimmen werden: Unter anderem zeigt sich, dass erheblich mehr in Baumaßnahmen im Bestand investiert wird als in Neubauprojekte. Auch der Flächenanteil von neu errichteten Immobilien, gemessen an den Gesamtbeständen, ist weitaus geringer. Sowohl für Gewerbe- als auch für Wohnimmobilien ist eine groß angelegte Sanierungsoffensive also mindestens genauso vielversprechend wie die eingangs erwähnte Neubauoffensive.
Die vieldiskutierte Sanierungspflicht auf EU-Ebene würde dafür sorgen, dass Gewerbeimmobilien bis 2027 mindestens den heutigen Energiestandards der Effizienzklasse F entsprechen. Für Wohnimmobilien bestünde mit 2030 etwas mehr zeitlicher Spielraum. Mein Kollege Philipp Enenkel hat ausgerechnet, dass sich damit – grob angenähert – allein bei den deutschen Mietwohnungen etwa 6.900 Gigawattstunden jährlich einsparen ließen. Dies entspricht zum Beispiel der Leistung mehrerer konventioneller Kohle- oder Gaskraftwerke.
Wie kann eine gelungene Revitalisierung aussehen?
Eine erfolgreiche Revitalisierung beziehungsweise nachhaltiges Bauen im Bestand erfordert im Wesentlichen vier Faktoren: 1. Kennzahlen zur Vergleichbarkeit von Projekten, 2. eine klare, übergeordnete Strategie zur Dekarbonisierung des Portfolios 3. die parallele Planung von kurzfristig umsetzbaren Einzelmaßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und 4. gut ausgebildete Mitarbeitende und Partnerunternehmen, welche die Erkenntnisse zielgerichtet umsetzen.
Die Nachhaltigkeitsansätze beschränken sich allerdings nicht nur auf die Bauphase. Im späteren Betrieb können beispielsweise durch Smart- und Submetering-Systeme immer wieder Optimierungspotenziale offengelegt werden. Genauso relevant ist ein zeitgemäßes Vermietungs- und Property-Management – inklusive Green Leases – bei dem sich alle beteiligten Parteien zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung verpflichten.
Transparenz und ein Austausch von Best-Practice-Beispielen sind in jedem Fall hilfreich, um in der Immobilienbranche schneller die angestrebten Ziele zu erreichen. Daher freue ich mich schon sehr auf die kommende Ausgabe des Formats „Future Real Estate“ mit Schwerpunkt auf Bestandsimmobilien am 13. und 14. Juni 2022 in Essen.
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