Die Autorin
Juliane SakellariouProjektleiterin, Heuer Dialog
Heuer Dialog: Herr Rösch, Ihr Unternehmen beteiligt sich an der Studie des Lehrstuhls Familienunternehmen der WHU zur Relevanz von ESG Kriterien für Investitionen. Worum genau geht es bei der Studie und was ist Ihre intrinsische Triebfeder an dieser Studie teilzunehmen?
Norman Rösch: Ich habe Prof. Nadine Kammerlander vor einigen Jahren bei einem Family Office Roundtable kennen und schätzen gelernt, so dass für meinen Partner Jens Lütjen, einen neugierigen und innovativen Unternehmer aus Bremen ( Robert C. Spies ), der Gedanke nahelag, eine Studie zu finanzieren, die sich mit den neuen und wesentlichen Entwicklungen bei Family Offices in Bezug auf Immobilieninvestments beschäftigt.
HD: Welche Ziele hat sich die UN aktuell gesetzt? Wie passt Ketan Patels Report in diesen Zusammenhang und wo werden diese Ziele bereits besonders in den einzelnen Anlageformen berücksichtigt?
NR: Die UN, 1945 gegründet, hat verstanden, dass sie sich zum 75ten Jahrestages ihres Bestehens verändern und modernisieren muss, will sie nicht weiter an Bedeutung verlieren. Unter den vielen Plänen, die zur Erreichung dieses Zieles definiert wurden, ist besonders die wesentlich engere Zusammenarbeit mit Family Offices relevant und, die sich in vielen Bereichen durchsetzende Erkenntnis, dass zur Umsetzung der notwendigen und ambitionierten Ziele im Punkto Klimaschutz alle gesellschaftlichen Kräfte eingespannt werden müssen. Dies ist ein wesentliches Ergebnis von Ketans Report.
HD: Sticht die Immobilie in einer besonderen Weise als Asset im Vermögen heraus, das den Kriterien entsprechen oder entgegenstehen kann? Gibt es Ihrer Meinung nach Unternehmerfamilien, die hier Vorreiter sind und wem sind diese Kriterien besonders wichtig?
NR: Das Interessante und Ermutigende ist, dass es nicht so sehr einzelne Familien sind, welche man als Vorreiter bezeichnen kann, sondern, dass es tatsächlich die vielzitierte ‘next Generation’ ist, die sich aufmacht, die Immobilie neu zu sehen und die Rolle zu definieren. Es handelt sich immerhin um die größte Assetklasse der Welt, so dass die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten enorm vielfältig sind, gerade was die ESG Kriterien betrifft. Ein Trend scheint jedenfalls zu sein, dass die Immobilien zwar nicht als liquides, aber zumindest als fungibles Asset gesehen wird.
HD: Was würden Sie den privaten Investoren sagen, die argumentieren, dass die neuen Kriterien für Investitionen (green, social, compliant) lediglich ideellen Wert haben?
NR: Augen aufmachen und die Realität akzeptieren, Investitionen ohne die Berücksichtigung dieser Kriterien wird es immer weniger und weniger geben, weil sie so bedeutsam sind.
HD: Wie steht es um konkrete Bedrohungsfälle für das Vermögen, wenn man nicht die Zeichen der Zeit erkennt? Sehen Sie perspektivisch Gefahren für Portfolien, die Ihre Ausrichtung nicht anpassen?
NR: Ich bin fest davon überzeugt, dass eine solche Anpassung ‘alternativlos’ ist und so bald als möglich vorgenommen werden sollte. Darum geht es ja auch in der Studie von Ketan. Die Finanzindustrie muss und wird immer mehr derartige Investmentmöglichkeiten schaffen, egal in welchen Assetklassen.
HD: Wie gelingt es in einer sehr schnelllebigen Zeit Ihrer Meinung nach am besten die langfristigen Tendenzen zu identifizieren? Haben Sie einen „Geheimtrick“?
NR: Mein Geheimtrick besteht, egal in welchen Assetklassen’, darin nur in Anlagen zu investieren, die man auch tatsächlich versteht und die man in einer Minute erklären kann. Ich bin mit dem Sprößling einer bekannten deutschen Unternehmerfamilie, der lernen sollte wie man investiert, durch seine Wohnung gelaufen und wir haben Aktien von Unternehmen gekauft, die dort zu finden waren und die er wieder kaufen würde. Das waren Werte wie Apple, Nike, Coca Cola u.ä. Das gilt übrigens auch für Immobilien. Dinge von denen man nichts versteht sind nicht investitionswert.
HD: Wenn Sie mit der nächsten Generation von Unternehmerfamilien sprechen und auf die Ergebnisse von Ketan Patels Report sowie die aktuell laufende Studie des Lehrstuhls Familienunternehmen der WHU blicken: Was fällt Ihnen dann am meisten auf?
NR: Das meine Generation viel, ständig und teilweise sehr aggressiv gesellschaftliche Fehlentwicklungen kritisiert hat, aber nie wirklich dachte, dass die Demokratie in Gefahr ist. Die Generation heute erlebt mit, dass es keine Bestandsgarantie für die Demokratie gibt und genauso wenig für das Klima unserer Erde. Das bedeutet, dass alle gesellschaftlichen Kräfte gebündelt werden müssen, um die damit verbundenen Gefahren abzuwehren. Jeder muss seinen Beitrag leisten und wir müssen gesellschaftliche Grenzen überwinden, weil sonst die Gefahr des Scheiterns ganz konkret wird.
HD: Last but not least: In einer Bundesrepublik, in der in diesem Jahr eine Pandemie und eine Flutkatastrophe gewütet haben und in der in diesem Jahr noch dazu gewählt wird, sind die politischen Fronten wahrscheinlich verhärteter denn je. Können Sie eine Aussage zu der Annahme treffen: ökologisch & sozial widerspricht dem Grundgedanken der Rentabilität einer Investition?
NR: Wie gesagt, glaube ich, dass es eine Zukunft ohne Berücksichtigung dieser Kriterien kaum noch geben wird. Wir sehen in vielen Bereichen, dass neue Formen des Wachstums und Kapitalismus gesucht und auch gefunden werden. Schauen Sie sich an wie die deutsche Automobilindustrie die Herausforderung Elektromobilität angenommen hat und wie sie dafür an der Börse belohnt wird. Der Titel von Ketan Patels Report: ‘Force for Good’ gibt den Ton und die Richtung des Investierens für die Zukunft vor.
HD: Vielen Dank für das Gespräch und bis bald beim Jahreskongress Zukunft privater Liegenschaften – Unternehmerfamilien im Dialog am 13. + 14. September 2021.
Das Interview führte Juliane Sakellariou, Projektleiterin, Heuer Dialog GmbH.