Angela Rüter: Welche Potenziale bietet der Logistikmarkt?
Prof. Dr. Christian Kille: Der Wirtschaftsbereich Logistik ist geteilt in Aktivitäten, die von Industrie und Handel noch selbst durchgeführt werden und die an Logistikdienstleister outgesourct sind. Damit bietet der Wirtschaftsbereich sehr viele unterschiedliche Potenziale für zahlreiche Unternehmen - sei es für Logistikdienstleister, für IT-Unternehmen, für Fahrzeughersteller etc. Speziell für Logistikimmobilienentwickler ergeben sich nicht nur Potenziale aus dem reinen Wachstum des Wirtschaftsbereichs, sondern auch durch die Outsourcing-Bestrebungen, die meist Neuentwicklungen nach sich ziehen.
Angela Rüter: Wie werden Standorte und Logistikimmobilien bewertet?
Prof. Dr. Christian Kille: Dafür gibt es je nach Blickwinkel unterschiedliche Herangehensweisen. Ein Investor bewertet einen Standort bzw. die Logistikimmobilie anders als ein Nutzer oder eine Kommune. Aus diesem Grund finden sich auch bemerkenswerte Logistikimmobilien an Standorten, die von einem Investor evtl. als wenig attraktiv bewertet werden.
Angela Rüter: Und welche Trends zeichnen sich ab? Welche Trends steuern die Branche?
Prof. Dr. Christian Kille. Der Wirtschaftsbereich Logistik wird wie alle anderen von Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Arbeitsumfeld und Globalisierung mit all ihren Risiken und Chancen getrieben. Dies ist nichts Neues, denn die Themen stehen schon seit Jahren auf der Agenda. Sie wechseln von Zeit zu Zeit ihre Priorität - nicht nur akut, sondern auch strategisch. So ist zwar die Digitalisierung immer noch ein wichtiges Thema. Jedoch muss dieses in den Strategieabteilungen durch die gesetzten Klimaziele von Nachhaltigkeit abgelöst werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Unternehmen, die ihre Digitalisierung in der Logistik noch nicht geplant bzw. auf den Weg gebracht haben, werden in Schwierigkeiten geraten. Dafür sind diese Trends insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen zu komplex und zu umfangreich, um sie beide auf einmal lösen zu können.
Angela Rüter: Was wird die Logistik weltweit prägen? Und worauf müssen Logistiker achten, wenn sie mehr oder weniger angeschlagen aus der aktuellen Krise in besseres Fahrwasser kommen?
Prof. Dr. Christian Kille: Die gesetzten Klimaziele wird der prägendste Trend der nächsten Jahre sein, auch wenn dies viele Logistiker nicht wahrhaben wollen und die Digitalisierung in den Vordergrund stellen. Meiner Ansicht nach haben die Logistikunternehmen oder -abteilungen, die bis jetzt die Planungen und Strategien der Digitalisierung noch nicht weit genug vorangetrieben haben, einen immensen Wettbewerbsnachteil. Wer beides noch zu lösen hat - der Wettbewerbsdruck durch Effizienzsteigerungen und neuen Angeboten der Digitalisierung plus Erreichen der Klimaziele - wird es in Zukunft schwer haben. Um eines deutlich zu machen: hier ist jeder Akteur der Logistik gefordert, auch wenn er ein „Asset-free“ oder „Asset-light“ Geschäftsmodell hat. Ohne dass diese Schnittstellenunternehmen zwischen dem Versender und dem ausführenden Unternehmen ihren Beitrag dafür leisten, die Klimaziele zu erreichen, wird es nicht möglich sein. Dagegen sind die Störungen in der Lieferkette, die Überlegungen zu alternativen Strategien in der Distribution oder der Beschaffung etc. Themen, mit denen sich die Akteure der Logistik schon seit Jahren auseinandersetzen müssen - einzig die Ausprägungen, Formen und Intensitäten ändern sich zyklisch.
Angela Rüter: Warum rückt die Nachhaltigkeit wieder so stark in den Fokus?
Prof. Dr. Christian Kille: Durch die Klimaziele Deutschlands und der EU müssen Unternehmen ihren CO2-Ausstoß insgesamt nicht nur nachweisen, sondern auch reduzieren. Die Logistik ist ein Teil davon, wenngleich in den meisten Fällen nicht der dominierende. Trotzdem wird von der Logistik erwartet, dass sie ebenso bis 2050 klimaneutral sein soll. Dies zu erreichen stellt nicht nur für die Unternehmen mit LKW-Flotten eine Herausforderung, sondern für die gesamte Logistik, die aber gemeinsam ohne weiteres gelöst werden kann.