Heuer Dialog: Herr Prof. Dr. Fass, beschäftigt sich die Politik aktuell ernsthaft mit den Inhalten, die den Bürgern wichtig sind?
Prof. Dr. Thorsten Faas: In einem Wahlkampf geht es natürlich um wahnsinnig viel - Ziele, Positionen, Personen. Und da geht es auch mal „zur Sache“, was vollkommen in Ordnung ist, weil aus Zuspitzung ja auch Klarheit hervorgehen kann. Aber wenn der Eindruck entsteht, dass die Politik sich nur um sich selbst dreht, dann kann das schnell zu Zynismus auf Seiten von Wähler*innen führen. Ritualisierte Konflikte sind so ein Beispiel, das Aufblähen von Kleinigkeiten, aber auch Debatten um Umfragewerte oder Koalitionen. Das ist alles nicht das, was Menschen interessiert, spielt aber im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Ich hoffe sehr, dass wir einen spannenden, intensiven und letztlich auch informativen Wahlkampf erleben, denn letztlich steht gerade in diesem Jahr viel auf dem Spiel.
HD: Erwarten Sie nach der Wahl eine Zeit langwieriger Koalitionsgespräche?
Faas: Davon ist auszugehen – und da machen wir alle ja immer noch neue Erfahrungen. Man merkt das ja schon an diesen mitunter seltsamen Begrifflichkeiten: „Deutschland-Koalition“, „Kenia-Koalition“ – vor ein paar Jahren wussten wir gar nicht, was das sein soll und heute sind diese Dinge in aller Munde. Die Herausforderung dabei ist: Wenn jeder mit jedem irgendwo koaliert, dann wird das fast beliebig. Damit geht Orientierung auch verloren. Aber zugleich produzieren Menschen eben auch Wahlergebnisse, die keine einfachen Regierungsbildungen zu lassen, das ist fast schon paradox. Alle Parteien sagen dann vor Wahlen erst einmal „Wir müssen so stark wie möglich werden“ und dann müssen wir schauen. So nachvollziehbar das ist aus Sicht der Parteien, aber es verschiebt natürlich wichtige, richtungsweisende Diskussionen erst in die Zeit nach der Wahl…
HD: Herr Prof. Dr. Fass, vielen Dank für Ihre Zeit.
Das Interview führte Gitta Rometsch.