Der Autor
Jürgen GaiserInnenarchitekt BDIA und Partner bei blocher partners,
Besondere Umstände verlangen besondere Orte: Der Strukturwandel des Handels lässt sich nicht nur am Einkaufsverhalten der Kunden ablesen, er spiegelt sich auch im Bild unserer Innenstädte wider. Leerstand macht sich breit, wo früher große Retailflächen zum Flanieren eingeladen haben. Und doch oder gerade bei aller technologischen Vernetzung bleibt das Bedürfnis nach sozialem Austausch, besonderen Erlebnissen, die geteilt werden können – nicht nur digital. Das besondere Einkaufserlebnis als Leistungsversprechen. Durch den wachsenden Onlinehandel wird die Bedeutung von real erlebbaren Stores erst recht offenbar: Ware wird nicht nur einfach gezeigt. Sie wird bedacht in Szene gesetzt. Das Interieur wird zum Spiegel der Haltung einer Marke und avanciert zu einem räumlichen Markenerlebnis. Ein solches zu schaffen, ist den Designern von blocher partners nun mit dem umfangreichen Umbau einzelner Bereiche des Nürnberger Department Stores von Breuninger gelungen. Seit 2003 ist Breuninger an diesem Standort vertreten und auch damals hatte blocher partners den Umbau verantwortet, dessen markantes Merkmal, eine Holzwelle im Luftraum am Eingang über alle Etagen hinweg, aufgefrischt und wieder in Szene gesetzt wurde.
Als geschossübergreifendes Gestaltungselement setzt die Holzwelle bereits durch die Fassade hindurch einen Blickfang und schafft gleichzeitig eine innenarchitektonische Klammer um die Verkaufswelten. Deren neuer Look: exklusiv und futuristisch. Das Einkaufserlebnis: auf maximalen Service und Komfort des Kunden ausgerichtet – nicht zuletzt durch Integration digitaler Touchpoints. Neben einem Premium Damen-Bereich im zweiten Obergeschoss ist im Erdgeschoss eine Confiserie und ein Bereich für Lederwaren und Brillen sowie im ersten Untergeschoss eine spektakuläre Schuhwelt entstanden.
Anstelle herkömmlicher Warenpräsentation, die sich großflächig über die einzelnen Etagen erstreckt, haben die Interior Designer sowohl im Unter- als auch im Erdgeschoss viele kleine (Marken)Welten geschaffen, die an Pop-Ups erinnern und die Laufwege strukturieren. Die minimalistische Gestaltung des Schuhbereichs etwa erfährt seine Akzentuierung durch eine ikonische Inszenierung der Sneaker: vom Untergeschoss bis ins Obergeschoss zieht sich als vertikales Erschließungsmoment ein roughes Metall-Grid, das den Schuhen als Präsentationsfläche dient. Unterstrichen wird die futuristische Anmutung der Schuhwelt auf 700 Quadratmetern mit Luxus-Brands wie Givenchy, Balenciaga und Chloé durch einen pointiert eingesetzten Edelstahlboden.
Ein weiteres Highlight auf dieser Etage: die Treppe, die die Schuh- mit der Wäscheabteilung verbindet. Wie selbstverständlich fügt sie sich in den Raum und nimmt die Hauptgestaltungsmaterialien Esche und Edelstahl ihres Kontexts auf. Wurde dem ersten und dritten Obergeschoss durch kleinere Veränderungen ein Facelifting verpasst, ist im zweiten Obergeschoss darüber hinaus eine völlig neue Premium Damenabteilung entstanden. Klare Linien, starke Farben und viele Kontraste prägen das Konzept.
Das Selbstverständnis von Breuninger als Gastgeber kommt insbesondere im Erdgeschoss zum Ausdruck: Dort spricht die Confiserie den Flaneur oder Espresso-Liebhaber ebenso an, wie jene, die ihr Einkaufserlebnis bei Breuninger mit einem feinen Frühstück aus hauseigenen Törtchen und Trüffelkreationen beginnen oder mit einem erfrischenden Limoncello Spritz abrunden wollen. Verschiedene Sitzmöglichkeiten und eine Terrasse laden zum längeren Verweilen und „people watching“ ein, die zweiseitige Verglasung gewährt einen Blick auf Nürnbergs Flaniermeile, die Karolinenstraße. Der Natursteinbodenbelag aus Azul Bateig geht dabei eine stilvolle Symbiose ein mit der Farbwelt des Interieurs, die zwischen Champagner- und Petroltönen changiert. Die Besonderheit der Confiserie zeichnet sich nicht zuletzt durch den transdisziplinären Ansatz von blocher partners aus. Sind in Zusammenarbeit mit den hauseignen Produktdesignern die Sonderleuchten entstanden, haben die Grafikdesigner – inspiriert durch plissierte Tortenförmchen – ein gefaltetes Eloxal gestaltet, das den Eingang ziert und als Raumteiler fungiert.