29.03.2021
Tobias Bünemann

Kleine Räume, hohe Mieten?

Mikrowohnen als Zukunftsmodell

Urbane Mikro-Apartments können tatsächlich zur Belebung der Innenstädte und maximaler Flächenausnutzung beitragen – aber nur, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen.

Der in den letzten Jahren stärker werdende Trend zum Mikrowohnen als probatem Mittel, der Grundstücksknappheit und Wohnungsnot in den Zentren der Großstädte zu begegnen, ist unter anderem der ökonomischen Großwetterlage geschuldet: Die sich immer höher schraubende Spekulationsspirale zwingt auch die Investoren zu maximaler Profitoptimierung. Aber: Können Apartments mit 20 m2 für 600,- Euro Miete die Lösung sein? Und entstehen am Ende nur monofunktionale Schlafbunker für Gutverdiener*innen, die dem Viertel keinerlei Mehrwert bringen? Damit Mikrowohnen im städtischen und gesellschaftlichen Sinne funktioniert, müssen aus unserer stadtplanerischen und architektonischen Sicht eine Reihe von Bedingungen bedacht werden.

Mikrowohnen ist für Alle

Der eigentliche große Vorteil von Mikrowohn-Angeboten ist ihre Vielfalt. Kleine urbane Apartments sind von ihren Dimensionen und Bedingungen her ideal für viele Gesellschaftsgruppen: Studierende finden hier eine erste eigene Wohnung, alleinstehende ältere Menschen einen überschaubaren Raum für selbstständiges Dasein. Geschäftsleute und projektbasiert arbeitende Selbstständige finden komfortable Unterkünfte auf Zeit. Und sogar als Notunterkünfte für Bedürftige bieten sich die Apartments an. Wichtig ist eine gesunde Mischung, die für Dynamik und Leben sorgt. Ein Nebeneffekt: Ein Angebot von Mikroapartments als Firmen- oder Seniorenwohnraum hält größere Wohnungen auf dem Markt etwa für Familien frei.

Mikrowohnen lebt vom Miteinander

Damit Mikrowohnen eben nicht zur monofunktionalen Wohnwüste wird, gilt es einerseits die erwähnte Vielfalt der Bewohner*innen zu berücksichtigen – auch mit verschiedenen Wohnkonzepten, die durch die Modularität der Bauweise unterstützt werden können. Andererseits sollte der Community-Gedanke des Hauses gezielt gefördert werden. Dies kann durch Gemeinschaftsflächen geschehen: Coworking-Flächen etwa, oder ein Wasch-Café, das eine Waschmaschinennutzung mit sozialem Miteinander verbindet. Auch ist aus unserer Sicht ein Fokus auf Außen- und Bewegungsräume wichtig – Gärten, Terrassen oder Angebote im Straßenraum, die Gemeinschaft fördern und über ein bloßes „Hotelangebot“ hinausgehen. Natürlich sind auch eigene gastronomische Angebote denkbar und förderlich.

Mikrowohnen ist mehr als Profitmaximierung

Für erfolgreiche Mikrowohn-Projekte muss der Zwang zu maximalem Profit bei minimalem Flächenaufwand durchbrochen werden. Die Verlegung vom Preis-pro-Quadratmeter auf den Preis-pro-Wohneinheit erhöht enorm den Druck auf die Flächenwirtschaftlichkeit. Das hat zur Folge, dass die Einrichtung der erwähnten Gemeinschaftsflächen erschwert wird und auch die Versuchung steigt, Abstriche in der Gestaltung zu machen. Diesen Risiken gilt es, mit Blick auf den Mehrwert standzuhalten.

Mikrowohnen bringt nachhaltiges Bauen voran

Neben den Vorteilen für das Wohnungsangebot und die Lebensvielfalt in urbanen Kontexten birgt Mikrowohnen auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit große Chancen. Denn die Gebäude sind per se hochgradig modular, so dass einzelne Wohnmodule mit einem hohen Vorfertigungsgrad hergestellt werden können. Gerade ein enorm CO2-bindender Holzbau bietet sich hier besonders an. Damit würden die Gebäude aus einzelnen Holzmodulen zusammengesetzt, was auch den Bauprozess beschleunigt, Ressourcen spart und neue nachhaltige Konstruktionsweisen wirtschaftlicher macht. Diese Möglichkeiten sind für uns als Architekten besonders interessant.

Mikrowohnen braucht Flexibilität – auch rechtlich

Mikrowohnen bringt viele Faktoren mit, um zukunftsweisende und intelligente Lösungen für innerstädtisches Wohnen zu bieten. Dazu gehört auch, dass die Wohnmodule mit den Menschen und ihren Anforderungen mitwachsen könnten. So ließen sich Module zusammenschalten oder wieder trennen, ganz nach jeweiligen Lebensphasen: von der Singlenutzung bis zur kleinen Familienwohnung – und wieder zurück. Für ein solches Mitwachsen müssten jedoch auch die genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen, etwa beim Brandschutz, geschaffen werden. 

Diese fünf Faktoren sind aus unserer Architektensicht zu bedenken und zu diskutieren – um die definitiv vorhandenen Potenziale des urbanen Mikrowohnens voll zu nutzen.

 

 

 

Der Autor
Tobias Bünemann
Assoziierter Partner
RKW Architektur +