Der Autor
Gordon MauerSector Leader Property & Investment / Technology Europe Central, Arcadis Germany GmbH
...und man sucht ständig die „richtige“ Paketrückgabestation. Trotz vermehrtem Homeoffice sind die Straßen in Deutschlands Großstädten voll wie zu Vor-Corona-Zeiten. Dass die Menschen aus Angst vor Ansteckung gerade öffentliche Verkehrsmittel meiden und vermehrt ins Auto steigen, macht dabei nicht den entscheidenden Unterschied. Es ist der boomende Onlinehandel – und mit ihm die Lieferlogistik. Die Umsätze der Paketdienste sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich brechen pandemiebedingt Rekorde. Doch auch wenn sich die Corona-Krise in den kommenden Monaten wieder entspannt, wird der Onlinehandel weiter florieren, und mit ihm Emissionen, versiegelte Flächen und Staus.
Der Bausektor und die Verkehrsbranche zählen mittlerweile zu den großen Emittenten von CO2-Äquivalenten. Der zunehmende Online-Handel führt sogar noch zu erhöhten Investitionen in den Ausbau des Logistiknetzes. Schätzungen gehen von einem zusätzlichen Bedarf von ca. 4 Mio. m² Logistikfläche bis zum Jahr 2024 aus, wofür etwa 10 Mio. m² Grundfläche versiegelt werden müssen. Doch für Logistikunternehmen wird es immer schwieriger, geeignete Grundstücke für neue Logistikzentren zu finden, da sich in der Öffentlichkeit und bei den Ämtern zunehmend Widerstand gegen die Ansiedlung von Logistikimmobilien regt.
Zu Zeiten von COVID sorgte der boomende Online-Handel für die Versorgung der Menschen in Deutschland, nicht zuletzt aufgrund der Schließung des stationären Einzelhandels. Aber wie werden sich die Mengen verteilen, wenn der stationäre Einzelhandel nach und nach wieder geöffnet wird? Wird es zu einer Wiederbelebung der Innenstädte kommen, oder wird der Online-Handel weiterhin einen erheblichen Anteil am Einkaufsverhalten einnehmen und so ein Sterben des Einzelhandels auslösen? Dies würde die Innenstädte nachhaltig und langfristig belasten.
Ganzheitliche Lösungen sind gefragt, die einerseits den Online-Handel ermöglichen, andererseits aber auch den innerstädtischen Einzelhandel unterstützen. Shared Services können eine Lösung bieten, nicht nur für Liefer- oder Einkaufsplattformen, sondern auch für die Nutzung innerstädtischer Immobilien, um so die Versiegelung von Grundstücken zu reduzieren. Zukunftstaugliche und Shared-Service-fähige Logistikimmobilien müssen nachhaltig und grün errichtet werden, mit einer effizienten und intelligenten Gebäudetechnik ausgestattet sein und über E-Tankstellen verfügen. PV-Anlagen an Fassade und Dach produzieren den erforderlichen Strom.
Die Auslieferung erfolgt punktgenau über elektrisch betriebene Fahrzeuge. Dies kann auch den Einzelhandel positiv beeinflussen, denn ein Aufbau eines großen Lagerbestandes ist nicht mehr erforderlich. Ein kleiner Bestand reicht aus, die Verkaufsflächen können stärker auf Erlebnis-Shopping ausgerichtet werden. Das bedeutet auch, dass neue Produkte schneller ins Sortiment aufgenommen werden können und nicht erst der Lagerbestand abverkauft werden muss. Auch auf wechselnde Trends kann man schneller reagieren. Außerdem könnten so neue Technologien im Einzelhandel implementiert werden (3-D Druck etc.).
Gekauft wird auch weiterhin. Die Frage ist nur, auf welcher Plattform. Der Trend geht sicherlich zum Online-Handel, aber dort werden die Alleinstellungsmerkmale wohl eher die Schnelligkeit der Lieferung und der günstigste Preis sein. Im stationären Einzelhandel jedoch überwiegen Beratung, Service und Erlebnis. Verbindet man beide Eigenschaften, und erfolgen Logistik und Verkauf umweltschonend und nachhaltig, wird dies auch die Innenstädte wieder beleben, und der Sektor wird in der öffentlichen Wahrnehmung an Zustimmung und Glaubwürdigkeit gewinnen. Es geht hierbei nicht darum, alte City-Logistik-Konzepte aus den 90er Jahren neu zu beleben, sondern diese mehr mit innerstädtischen Entwicklungskonzepten zu verschmelzen, um unsere Städte zukunftssicher, grüner, nachhaltiger und lebenswerter zu machen. Dafür müssen Städte aber verstärkt den Bausektor sowie die innerstädtische Logistik regulieren, um sämtliche Synergien und Einsparpotenziale zu nutzen. Und hier gibt es nicht das eine Konzept, welches für alle Städte anwendbar ist. Jede Stadt muss ihren eigenen Bedarf analysieren und eigene maßgeschneiderte Lösungen für Verkehr, Logistikströme und Einzelhandel finden.