Freiburg wird mehr großstädtisches Flair bekommen

Freiburger Immobilienexperte Leo Beyer gibt eine aktuelle Einschätzung des Sondermarktes Freiburg und seiner Zukunft

Aktuelles Paradoxon ist die im Verhältnis zu Wohnimmobilien sinkende Nachfrage nach Büroeinheiten und die damit sinkenden Preise. Dies bietet aber für Investoren große Chancen, da die Nachfrage nach Gewerbeflächen mittelfristig steigen wird.

Hanna Bosova Leo Beyer 22. Oktober 2020
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Quelle: Heuer Dialog

Was sind die größten Herausforderungen 2021?

Die größte Herausforderung wird die Erschließung von neuen Flächen für Bauvorhaben sein. In der Stadtplanung muss darauf Rücksicht genommen werden, dass wir bis jetzt nur 15 % des Bedarfes im Jahr in Freiburg decken können. Dafür wäre eine Verfahrensbeschleunigung von Baugenehmigungen wünschenswert. Im nächsten Jahr wird eine der größten Herausforderungen die Reaktion auf die sinkende Nachfrage im Büromarkt sein.

Hier stellt sich für mich die Frage, ob frei werdende und veraltete Büroflächen in Mischgebieten in Wohnraum umgewandelt werden können. Dies schafft dringend benötigten Wohnraum und gleicht einen zwischenzeitlichen Nachfragerückgang bei Büroflächen aus. Die bisher schon stetig steigenden Baukosten werden auch für das Jahr 2021 die Immobilienpreise weiter steigen lassen. Beim Thema bezahlbarer Wohnraum ist somit die Politik gefragt. Investitionen in Immobilien werden trotz verhältnismäßig stagnierender Mieten und damit immer geringerer Renditen dennoch den Inflationsausgleich und einen Sachwert schaffen. Die Werte werden insgesamt stabil bleiben, da die Nachfrage weiterhin nicht gedeckt wird.

Wie schätzen Sie die Entwicklung im Wohnimmobilien-Sektor ein?

In Freiburg haben wir eine stetige Unterdeckung der Nachfrage nach Wohnraum. Daraus resultieren steigende Preise. Aufgrund der zu geringen Neubauaktivität wird auch die Nachfrage hoch bleiben. Aktuell haben wir in Freiburg einen Verkaufsfaktor von 35 auf die Jahresmieteinnahmen gesehen. Betrachtet man Wohnimmobilienmärkte wie beispielsweise München mit einem Verkaufsfaktor von bis zu 72, ist ein Ende dieser Entwicklung noch nicht abzusehen. Außerdem ist der Glaube an die Investitionsmöglichkeit Immobilie bisher ungebrochen, wobei die Vorteile von Investitionen in Immobilien auf der Hand liegen. Aktuell zeigt sich wieder, dass Immobilien vor allem in Krisenzeiten eine sichere Kapitalanlage darstellen. Sie ist daher hervorragend als sichere Wertanlage und Altersvorsorge geeignet. Bei ausgewählten Investitionen können Eigenkapitalrenditen bis zu 25 % erzielt und attraktive Steuervorteile genutzt werden. Ich kenne keine andere Anlageform in Deutschland, bei der die Gewinne nach zehn Jahren steuerfrei sind.

Wie schätzen Sie die Entwicklung auf dem Gewerbeimmobilien-Markt ein?

Hierbei muss man verschiedene Entwicklungstrends vergleichen, beziehungsweise untereinander abwägen. Zum einen sinkt aktuell die Nachfrage nach Büros, was dazu führen kann, dass vor allem ältere Bürostandorte aufgrund auslaufender Mietverträge zugunsten modernerer und bedarfsgerechterer Flächen aufgegeben werden. Diese werden sich jedoch nicht mehr in der Nähe oder in der Mischung mit Wohnimmobilien, sondern getrennt von der Wohnnutzung zentral an Verkehrsachsen beziehungsweise in gesondert ausgewiesenen Gewerbegebieten oder Büroparks befinden. Moderne Büroflächen bieten Unternehmen die Möglichkeit, adäquate Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiter bereitzustellen und somit den modernen Anforderungen an die Arbeitswelt gerecht zu werden. Hierbei spielen unter anderem die Erreichbarkeit, Anforderungen an Daten- und Schallschutz und Verringerung der Verkehrsflächen eine Rolle. Darüber hinaus ist die Schaffung von gemeinsamen Flächen wie Duschen und Umkleiden für Angestellte, die mit dem Rad zu Arbeit kommen oder in der Mittagspause joggen möchten, ein wichtiges Thema in der Mitarbeitergewinnung. Corona hat gezeigt, dass eine Verlagerung ins Home-Office möglich ist und von Mitarbeitern auch gern angenommen wird. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass dies ein dauerhafter Trend sein wird, da von den Mitarbeitern eine Trennung von Arbeit und Wohnen präferiert wird. Gerade dies war zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein großer Erfolg der SPD für den Arbeitnehmerschutz. Eine Zusammenlegung der Wohn- und Arbeitsstätte bietet neben den oft genannten Vorteilen nun mal auch Risiken für den Arbeitnehmer, vor allem in Zeiten, in denen Überlastung und Burnout immer präsenter werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Bedarf an Büroflächen wieder zunimmt. Eher müssen Büros noch mehr Flächen zur freien Entfaltung während der Arbeitszeit bieten (Billard, Fitness etc.). Zudem würde eine Verlagerung der Arbeit in die Wohnung der Mitarbeiter zur Folge haben, dass der Wohnraumbedarf steigt, um einen separaten Büroraum gewährleisten zu können. Ein oft unterschätzter Innovationstreiber ist der informelle Austausch am Arbeitsplatz. Dieser fällt bei ins Home-Office verlagerten Tätigkeiten weg. Darüber hinaus müsste von der Politik oder den Arbeitgebern eine entsprechende Infrastruktur bereitgestellt werden. Insgesamt kann man konstatieren, dass sich der Büromarkt langfristig in einem Wandel befinden wird, worauf vor allem die Architektur und Innenarchitektur Rücksicht nehmen muss. Eine Chance der Wandlungen im Gewerbebereich könnte sein, dass Flächen für dringend benötigten Wohnraum verfügbar werden.

Ob dieser Trend sich eins zu eins fortsetzen wird, beziehungsweise auch für Freiburg anzuwenden ist, bleibt fraglich, da der Standort Freiburg stark durch Forschung und Medizintechnik geprägt ist, welche sich nicht ohne weiteres ins Home-Office verlagern lassen.

Warum ist der Immobilienmarkt in Freiburg besonders?

Den Freiburger Immobilienmarkt machen verschiedene Faktoren aus. Zum einen sind wir durch einen großen Zuzug von Studierenden geprägt, zum anderen ziehen vor allem ältere Personen nach Freiburg, die ihren Ruhestand hier genießen möchten. Freiburg steht in dem Ruf, eine „grüne“ Großstadt zu sein und ist damit auch für junge, gutverdienende Familien attraktiv, da sie hier Vorteile wie z. B. kurze Wege und ein ansprechendes kulturelles Angebot haben; und das ohne die Überfüllung, wie man sie aus den Metropolen kennt. Dies übt einen erheblichen Druck auf den Wohnungsmarkt aus – vor allem die Nachfrage nach kleinen Wohneinheiten steigt – und lässt sich unter anderem am Verhältnis zwischen Einkommen und Miete ablesen: Die Mieten in Freiburg sind proportional zum Einkommen sehr hoch. Laut IVD-Wohnpreisspiegel 2020/2021 haben wir inzwischen Quadratmeterpreise im Neubau zwischen 11,50 und 15 €. In den Toplagen haben wir durchaus noch höhere Mieten in Verträgen geschlossen.

Wie schon erwähnt, ist der Standort Freiburg durch seinen Dienstleistungs- und Forschungsschwerpunkt und nicht durch produzierendes Gewerbe geprägt. Diese Unabhängigkeit von produzierendem Gewerbe und Industrie führt dazu, dass der Standort auf Wirtschaftskrisen, wie wir sie momentan erleben, relativ stabil reagiert. Aktuelles Paradoxon ist die im Verhältnis zu Wohnimmobilien sinkende Nachfrage nach Büroeinheiten und die damit sinkenden Preise. Auf der anderen Seite bietet das jetzt wiederum für Investoren große Chancen, da die Nachfrage nach Gewerbeflächen mittelfristig wieder steigen wird und somit gute Renditen zu erzielen sind. Außerdem sind die Mieten mit 12,50 € bis 20 € pro Quadratmeter im Vergleich zu anderen Großstädten noch relativ gering.

Wie wird der Immobilienmarkt in zehn Jahren aussehen?

Ich erwarte, dass wir in Freiburg mehr großstädtisches Flair bekommen; vor allem die Büroimmobilien an Hauptverkehrsachsen werden repräsentativer werden. Auch der zusätzliche erweiterte Innenstadtring wird Freiburg prägen. Insgesamt werden viele Neubauten entstehen und neue Wohngebiete erschlossen. Dennoch bleibt es bei einer Unterdeckung des Wohnungsangebotes. Allerdings bleibt ein Fragezeichen bei der Entwicklung des Einzelhandels und wie sich dadurch das Bild der Innenstadt verändert.

Ich stelle mir coole Office-Gebiete mit offenen Büros, im Straßenraum liegenden Cafés, repräsentativen Stores von Online-Anbietern und Versandhändlern vor.

Meines Erachtens wird sich die Innenstadt zu einem großen Dienstleitungszentrum mit weniger Warenhäusern und Warenverkauf vor Ort entwickeln. Die Frage wird sein, wie sich der Verkehr für die dort arbeitenden Menschen gestalten wird. Es wird jedenfalls weniger Passanten geben, denen es um das Einkaufserlebnis Innenstadt geht. Vielmehr werden die Händler gefragt sein, ein Einkaufserlebnis zu schaffen. In jeden Fall bleibt es spannend.

Was tun Sie, um Ihr Unternehmen in die Zukunft zu führen?

Wir investieren schon seit Jahren in die Digitalisierung von Prozessen und planen für das Jahr 2021, uns noch stärker aufzustellen. Dabei können wir für uns die Arbeit reduzieren, indem wir Erstgespräche mit Kunden automatisieren und vorbereitetes Material und Dokumentationen zur Verfügung stellen. Dadurch bleibt uns mehr Zeit, um uns intensiv und nah um unsere Kunden zu kümmern. In der heutigen Zeit müssen viele mit einem knappen Zeitbudget arbeiten. Unsere Bereitstellung von Objektvideos oder 360°-Rundgängen macht es möglich, sich ein Objekt vorab digital anzuschauen. Durch die Einbeziehung zweier Architekturbüros sind wir in der Lage, verbindliche Wohn- und Gif-Flächenberechnungen dank 3-D-Vermessung anzubieten und können so exakte Angaben von Immobilien feststellen und sichern. Damit reduzieren wir den Arbeitsaufwand auf allen Seiten und können dennoch unseren Qualitätsanspruch hochhalten. Mit Beyer Building Brands (BBB) können wir u.a. eine visuelle Darstellung des noch nicht physisch sichtbaren Baus konzipieren und erstellen.

Wie wird sich das neue Provisionsgesetz auf die Immobilienbranche auswirken?

Ab dem 23.12.2020 wird es nur noch die hälftige Provisionsteilung, sprich 3% zzgl. MwSt., sowohl auf Seiten der Käufer als auch der Verkäufer geben. Ich bin froh, dass es nun endlich eine Regelung gibt, denn oft wird die Tätigkeit des Immobilienmaklers unterschätzt. Die Investitionen in Infrastruktur, Personal, Serviceaufwand, Marketing und Sichtbarkeit steigen stetig, um dem Kunden einen bestmöglichen Service bieten zu können. Der Kunde wird insgesamt anspruchsvoller und entscheidet sich zunehmend häufiger für den Immobilienmakler, der ihm den besten Service bietet. Bisher wurde die Maklerentscheidung oft aufgrund eines niedrigeren Preises getroffen, dies ging jedoch zulasten des Service und des Gesamtergebnisses. Durch die Umstellung der Provisionsregelungen erhalten somit seriöse Makler die Chance, sich durch ihre Servicedienstleistung gegenüber Maklern durchzusetzen, die bisher ausschließlich Provision vom Käufer genommen haben. Es wird anfänglich eine Umstellung für den Auftraggeber sein, nun gefühlt höhere Provision zahlen zu müssen. Dies führt vermutlich erst zu einem Rückgang der Aufträge, wird sich aber durch das steigende Niveau der Dienstleistung schnell normalisieren. In Baden-Württemberg und speziell in Freiburg werden die Auswirkungen nicht so gravierend sein, da eine Provisionsteilung hier bislang schon üblich war.  Die Anforderungen werden immer komplexer und umfangreicher. Ich gehe davon aus, dass der Faktor Service für die Kunden entscheidend sein wird.

Wie ändert sich Kommunikation in der Maklerbranche?

Das Thema Werbung, Marketing und Auftrags- beziehungsweise Kundengewinnung wird sich zunehmend digitalisieren. In Printmedien werden zukünftig hauptsächlich Content-basierte Artikel und weniger Werbeanzeigen von Immobilienmaklern erscheinen. Die Kundengewinnung wird über Google und die sozialen Medien erfolgen. Die Bereitstellung von Dienstleistungen über die eigene Website und Informationen über die Unternehmen auf Plattformen wie Facebook, Instagram, LinkedIn und Xing werden wichtiger.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Beyer.

Die Autoren
Hanna Bosova
Projektleiterin, Heuer Dialog
Leo Beyer
Inhaber, Beyer Immobilien

Das Event zum Thema

Donnerstag, 18.November.2021
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Freiburg im Breisgau