Interview mit Dr. Jan Peter Annecke, Leiter Real Estate Finance, Helaba

Die Folgen dauerhafter Niedrigzinsen und von Covid-19

Corona wirkt sich zweifellos auf die Immobilienfinanzierung aus, wenn auch nicht in allen Bereichen. Lesen Sie, was sich bei Beleihungsquoten, Ausfallsrisiken und der Bewertung von Assetklassen ändert und was bestehen bleibt.

Jan Peter Annecke Yvonne Traxel 24. September 2020
Symposium Finanzierung 2020
Quelle: shutterstock

In welche Assetklassen ist die Helaba investiert und zu welchem prozentualen Anteil?

Wir sind einer der führenden gewerblichen Immobilienfinanzierer in Europa und haben ein sehr solides Portfolio. Die prozentualen Anteile der verschiedenen Assetklassen variieren zum Teil stark, je nach dem, welches Land wir betrachten. Das Hauptaugenmerk mit knapp 50 % Anteil liegt aber ganz klar auf Büro, gefolgt von Wohnen, Handel und Logistik. 

Wo sehen Sie derzeit die größte Gefahr? Welche Assetklasse bewerten Sie als stabilen Anker?

Gefahren sehen wir in unserem Portfolio aktuell keine und fühlen uns da gut aufgestellt. Aber der Immobilienbereich reagiert ja bekanntlich mit Zeitverzögerungen. Insofern ist es jetzt nicht die Zeit, sich entspannt zurückzulehnen. Wir beobachten die Märkte sehr genau. Natürlich sehen wir, dass es beispielsweise in der Assetklasse Hotel derzeit große Herausforderungen gibt. Da wir aber so gut wie keine Hotels finanziert haben, erwachsen uns hieraus keine größeren Risiken. Selbstverständlich beobachten wir auch den Markt von Handelsimmobilien sehr genau. Hier gilt es aber zu differenzieren. Öfters werde ich mit sehr allgemeinen Aussagen konfrontiert, wie z.B. ,Die Assetklasse Einzelhandel ist eine Gefahr für den Bestand - noch mehr seit Corona'. Das ist einfach zu pauschal und zu kurz gegriffen. Handel ist nicht gleich Handel. Während der fashion-orientierte stationäre Einzelhandel schon vor Corona auf Grund des weiter steigenden Online-Handels expliziter Beobachtung bedurfte, wurde dies durch die Pandemie noch verstärkt. Hingegen gelten aber z.B. die Nahversorger als Gewinner der Krise. Ähnlich muss man auch bei der Assetklasse Logistik differenzieren. Logistik ist ein stabiler Anker, wenn man von Logistik für beispielsweise den Online-Handel spricht. Aber was ist mit der ganzen Logistik für die Automotive-Branche? Gerade jetzt zeigt sich, dass man mit einer abstrakten Assetklassenbetrachtung zu kurz greift. Fehlentscheidungen lassen sich nur im Rahmen einer detaillierteren und differenzierteren Herangehensweise vermeiden.

Wie werden sich die Beleihungsquoten aus Ihrer Sicht bei Gewerbeimmobilien entwickeln?

Bei risikoarmen Objekten sind wir mit den LTVs schon fast wieder auf Vor-Krisen-Niveau. Das hat sich sehr schnell wieder eingependelt. Bei risikoreichen Objekten spielt der LTV hingegen eine eher untergeordnete Rolle. Hier steht für und noch stärker als zuvor die Frage im Fokus, ob man diese finanzieren möchte oder eben nicht. Ob da dann einige Prozente mehr oder weniger aufgerufen werden ist bei einer grundsätzlichen Entscheidung für eine Finanzierung wie gesagt nicht mehr so entscheidend.

Das Analysehaus Moody's warnt vor Risiken für deutsche Banken. Wie hoch schätzt Ihr Haus das Ausfallrisiko bei Immobilienfinanzierungen ein?

Vorneweg: Die Moody's Analyse blieb sehr schematisch an der Oberfläche. Die Analysten sprechen von erhöhten Risiken für deutsche Banken und insbesondere für Spezialfinanzierer, weil sie viele Gewerbeimmobilien im Kreditbestand haben. Diese Meldung hat Schlagzeilen gemacht. Dass im gleichen Atemzug die Moody's-Analysten aber die Gefahr wieder relativierten, weil deutsche Banken im internationalen Vergleich eine gute Portfolioqualität aufweisen und über hohe Kapitalpuffer verfügen, war kaum eine Schlagzeile wert. Letztlich ist mir die Aussage der Moody's Studie nicht klar.

Bei der Einschätzung des tatsächlichen Ausfallrisikos muss man wieder differenzieren. Aktuell spüren wir von den gestiegenen Risiken noch nicht viel. Das liegt aber sicherlich auch an äußeren Umständen, wie den staatlichen Konjunkturprogrammen, den temporären aufsichtsrechtlichen Erleichterungen und weiteren Maßnahmen, wie z.B. Moratorien oder ähnliches. Zudem reagiert der Immobiliensektor auch regelmäßig mit einem gewissen Zeitverzug. Eventuell sehen wir erst im weiteren Jahresverlauf einen Anstieg bei Insolvenzen. In welchem Ausmaß das Büroimmobilien treffen wird, kann ich nicht sagen. Allerdings zeigt eine erste überschlägige Analyse der Mieter in den von uns finanzierten Objekten, dass diese wohl eher weniger von der Krise betroffen sein werden. In vielen Fällen sind die von uns finanzierten Objekte auch an explizite Krisengewinner vermietet. Interessant wird die Frage werden, ob und wie sich durch zunehmende Flex- und Home-Office-Vereinbarungen der Büroflächenbedarf mittelfristig verändern wird. Eine Aussage hierzu wäre aus heutiger Sicht aber reine Spekulation.

Welche Kriterien spielen bei der Absicherung der Finanzierung die größte Rolle?

Im Prinzip sind das dieselben Kriterien wie eh und je. Wir fühlen uns wohl, wenn eine erstrangige grundpfandrechtliche Besicherung vorliegt sowie eine vernünftige Covernant-Struktur vorhanden ist. Zudem achten wir sehr darauf, dass der Kunde mit echtem Eigenkapital in der Finanzierung bleibt. Mit diesem Commitment teilen sich Eigen- und Fremdkapitalgeber das wirtschaftliche Risiko und alle beteiligten Parteien bleiben incentiviert, sich um die Immobilie zu kümmern. Im Rahmen der Pandemie haben wir zudem eine Corona-Betroffenheitsanalyse eingeführt. Hier überprüfen wir für jede finanzierte Immobilie individuell, wie sie von den Folgen durch Corona betroffen sein könnte und welche Risiken daraus für uns erwachsen. Diese Ergebnisse fließen dann ein in die Strukturierung der Finanzierung.

 

Die Autoren
Jan Peter Annecke
Leiter Real Estate Finance, Helaba
Yvonne Traxel
Senior Projektleitung, Heuer Dialog GmbH

Das Event zum Thema

Dienstag, 1.Dezember.2020
Symposium Finanzierung
Frankfurt am Main