Die Autorin
Hanna BosovaProjektleiterin, Heuer Dialog
Hanna Bosova Wie schätzen Sie den Digitalisierungsstand Ihres Unternehmens ein?
Roland Kampmeyer 1995 gegründet, gehört mein Unternehmen sozusagen zur Generation, die mit dem Internet großgeworden ist. Zum Vergleich, 3 Jahre später startete ImmoScout24 seinen Online-Marktplatz. Für uns ist und bleibt Digitalisierung das Thema. Besonders in den letzten Jahren waren sicher die Auszeichnungen für unser unternehmens-eigenes Terminbuchungs- und Trackingsystem in der Neubauprojekt-Vermarktung oder auch unser Custom Realty Interrelational Scoring System zur optimalen Einordnung von Kaufpreisen und Marktentwicklungen. Ich könnte jetzt vom Customizing über Videokonferenzen, digitale Immobilienpräsentation und Online-Besichtigungen auf den ersten Besichtigungsroboter, der in Deutschland eingesetzt wird, zu sprechen kommen. Aber das dauert zu lange. Eine übergeordnete Bedeutung hat für mich ganz besonders unsere digitale DNA. Damit meine ich zwei Säulen der Unternehmens-Digitalisierung. Einen hohen virtuellen Wiedererkennungswert, der stark von der Markenentwicklung abhängt und alle digitalen Features, die der Kundenzufriedenheit dienen. Die Frage nach meiner Einschätzung unseres Digitalisierungsstands kann ich also zusammenfassend mit „viel zu tun“ beantworten.
Hanna Bosova Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse verheißt Effizienz und Kosteneinsparungen. Ist das tatsächlich so?
Roland Kampmeyer Ich bin davon überzeugt und erlebe es täglich in der Praxis. Durch die Digitalisierung erreichen wir eine höhere Effizienz und deutliche Kosteneinsparungen. Abläufe werden überdacht und neugestaltet, die Mobilität der Kommunikation erhöht und das Verständnis für das Verhalten und die Bedürfnisse von Kunden verbessert. Wenn ich zum Beispiel in der Immobilien-Vermarktung an Onlineinserate und Anfragebearbeitung denke, kommt es mir heute absurd vor, wieviel Zeit und Nerven wir früher in weniger stark automatisierte Prozesse investiert haben. Der digitale intelligente Datenraum für die eigentliche Transaktion einer Liegenschaft ist ein weiteres gutes Beispiel für das was heute möglich ist. 90 Prozent der Arbeit in der Immobilienwelt werden zukünftig Maschinen erledigen. Die 10 Prozent sind dann die neuen 100 Prozent, die wir mit sinnvoll mit Menschen im Dialog gestalten.
Hanna Bosova Wie erhalten Sie die wichtigsten persönlichen Kontakte zu Ihren Kunden trotz der Corona-bedingten Einschränkungen?
Roland Kampmeyer Das Team hat in diesen besonderen Zeiten von Anfang an geeignete Maßnahmen ergriffen, seinen vollen Service aufrecht zu erhalten. Videokonferenz-Lösungen wie Teams oder Zoom, Online-Besichtigungen, Besichtigungsroboter und virtuelle Datenräume ermöglichen Teamarbeit und Kundenservice auch remote, von jedem Ort der Welt in gewohnt hoher Qualität. Die Einschränkungen durch Corona beschränken sich auf den direkten, räumlichen Kontakt. Für uns geht Social Distancing und Social Connecting deshalb Hand in Hand.
Hanna Bosova Haben Ihre Mitarbeiter und Kunden die digitalen Modelle gut angenommen?
Roland Kampmeyer Ja, die digitalen Modelle wurden sogar besser von Kunden und Geschäftspartnern aufgenommen als wir es erwartet hätten. Niemand konnte ausweichen und das war gut so. In den Video-Chats, Online-Konferenzen und mit virtuellen Präsentationen arbeiten zuverlässige Dienstleistungspartner ganz selbstverständlich online im Sinne unserer Kunden mit uns zusammen. Die Transparenz unserer Abläufe ist dadurch sogar noch gestiegen.
Hanna Bosova Es herrscht die Meinung: Der Immobilienbranche ginge es zu lang zu gut. So hatte die Bauwirtschaft keinen Anreiz sich zu modernisieren. Wird der Wohnungsbau traditionell unverändert aus der Corona-Krise rauskommen, während die anderen Assetklassen einen Nachfrageumbruch erleben und an neuen Geschäftsmodellen arbeiten?
Roland Kampmeyer In den deutschen Metropolregionen haben wir jetzt eine über mehr als zehn Jahre andauernde Konjunktur ohne nennenswerte Leerstände erlebt, die sich insbesondere in den Wohnungsmärkten der Metropolstädte bemerkbar gemacht hat. Residential dominiert Retail, Commercial und Industrial. Stabilität und Konstanz haben meiner Ansicht nach, weder ein Verharren in der Vergangenheit noch ein Festhalten an alten Gewohnheiten zur Folge. Das beweisen Beispiele wie Mehrgenerationenhäuser, Micro-Apartments, Boarding-Häuser, barrierefreies Wohnen, Urban Gardening oder Nullenergiehäuser. Es wird realisiert, was gebraucht wird beziehungsweise was marktgerecht ist. Wie fast überall, bestimmt auch hier die Nachfrage das Angebot. Das Graswurzelwissen, das wir in der täglichen Vermarktung gewinnen, wird im Wohnungsbau häufig intensiv und kreativ genutzt. Hinzukommen mehr und mehr technische Lösungen, wie beispielsweise das Dynamic Pricing für die optimale Vermarktung, Konfiguratoren wie beim Autokauf, die das Sonderwunschmanagement besser und einfacher für den Kunden machen oder auch die digitale Immobilienverwaltung. Ich habe den Eindruck, die Wohnungswirtschaft ist an manchen Stellen schon viel innovativer als ihr Ruf.