Der Autor
Henrik von BothmerSenior Investment Manager Micro Living, Union Investment Real Estate GmbH
Gesunde Normalisierung oder definitives Ende einer aufstrebenden Anlageklasse? Einreisebeschränkungen, geschlossene Universitäten und die zunehmende Verbreitung und Akzeptanz von Homeoffice haben den Super-Boom im Micro-Living-Segment erst einmal gestoppt. Wie stark zeigt eine Umfrage der Anfang dieses Jahres gegründeten Initiative Micro-Living (IML): Im April wurden die elf Mitgliedsunternehmen unter anderem gefragt, wie sich die Auslastung ihrer Apartmenthäuser im Vergleich zum Januar 2020 entwickelt hat. Zehn Unternehmen antworteten darauf. Das Ergebnis: Vier haben eine ähnlich hohe Auslastung, weitere vier registrierten 5 bis 10 Prozent weniger Auslastung. Zwei der befragten Unternehmen gaben allerdings an, dass ihre Häuser mindestens 30 Prozent weniger ausgelastet sind. Auf die erzielten Mieten hat das noch so gut wie keine Auswirkungen. Bei sieben der zehn Umfrageteilnehmer gab es im April/Januar-Vergleich kaum eine Veränderung. Nur drei Unternehmen nahmen 5 bis 10 Prozent weniger ein.
Neubauvorhaben werden von den meisten Befragten mit derselben Intensität vorangetrieben, wie vor der Corona-Krise, gaben sechs der in diesem Fall elf Umfrageteilnehmer an. Nur ein Mitgliedsunternehmen verneinte dies. Bei den restlichen Befragten ist der Bau nicht Teil des Geschäftsmodells. Bei den Investoren ist verständlicherweise eine leichte Zurückhaltung zu erkennen. Auch wenn immer noch 5 der elf Befragten Ankäufe mit derselben Intensität vorantreiben wie im Januar dieses Jahres. Vier Unternehmen haben ihre Investitionsvorhaben allerdings vorerst auf Eis gelegt. Bei zwei der befragten Unternehmen zählen Käufe nicht zum Geschäftsmodell.
Von Stillstand kann also keine Rede sein, auch wenn die langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie derzeit noch nicht absehbar sind. Einen gesunden Dämpfer kann die Anlageklasse aber durchaus vertragen.
Fakten über die letzte Boom-Phase dieses noch recht jungen Wachstumssegments, liefert der erste Marktreport der IML, der im Juni dieses Jahres veröffentlicht wird. Ausgewertet wurden die Betriebsdaten von knapp über 20.000 Wohneinheiten in 96 Apartmenthäusern bundesweit. Insgesamt umfassen diese rund 553.000 Quadratmeter Wohnfläche. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich von Oktober 2019 bis März 2020. Damit ist der Marktreport eine gute Benchmark für die Entwicklung des Marktes nach der Corona-Pandemie.
Doch kurz zurück auf Anfang: Warum wurde die IML gegründet und was macht sie? Sie steht für einen neuen innovativen Zusammenschluss von Unternehmen, die im Immobiliensegment „Apartments“ als Eigentümer, Betreiber und/oder Verwalter tätig sind. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, die Transparenz in diesem Marktsegment zu verbessern. Dafür ist in Zusammenarbeit mit bulwiengesa als unabhängige Institution ein Reporting-System aufgebaut worden, in dem Objekt- und Vermietungsdaten der aktuell elf Mitgliedsunternehmen aus der wohnwirtschaftlichen Apartmentbranche ausgewertet werden. bulwiengesa organisiert den Datenaustausch und die Berichtserstellung, kümmert sich um alle Abstimmungsprozesse und verantwortet zudem die Öffentlichkeitsarbeit. Wer ist derzeit Mitglied und wer kann beitreten? Der IML gehören aktuell berlinovo, die Bürgermeister-Reuter-Stiftung, Commerz Real, DEMIWO, GBI, HanseMerkur, International Campus, i Live, Staytoo, VEGIS Immobilien und Union Investment an. Als assoziiertes Mitglied wird zudem der Bundesverband Micro-Living geführt. Beitreten können alle professionellen Eigentümer, Betreiber und Verwalter von wohnwirtschaftlich betriebenen Apartmenthäusern.
Auch wenn es noch zu früh ist, um eine dezidierte Aussage über die künftige Entwicklung treffen zu können. Eines steht fest: Es kann nicht immer nur bergauf gehen, auch nicht im Micro-Living-Segment. Die Entwicklung der Asset-Klasse hängt derzeit davon ab, wie erfolgreich die Maßnahmen zur Bekämpfung des COVID-19-Virus ausfallen und wann die aktuellen Einschränkungen flächendeckend gelockert beziehungsweise aufgehoben werden können. Sicherlich wird die Pandemie Mieten und Kaufpreise beeinflussen. Standortqualitäten und nachhaltige Mietansätze beispielsweise dürften wieder einen höheren Stellwert bekommen. Konzepte müssen überdacht und gegebenenfalls angepasst werden. Grundsätzlich bleibt die Lücke zwischen Wohnraumangebot und -nachfrage insbesondere bei kleineren Wohnungen in Großstädten aber bestehen. Der Trend hin zu Micro-Living ist langfristig intakt, auch wenn die Nachfrage kurzfristig stockt. Wenn im Herbst dieses Jahres der zweite Marktreport der IML erscheint, liegen schon deutlich mehr Fakten auf dem Tisch.
Im Webinar am 18. Juni 2020 erfahren Sie mehr zu den aktuellen Ergebnissen des ersten Marktreports der IML. Im Anschluss diskutiere ich mit Felix Embacher von bulwiengesa über die Zukunft der Asset-Klasse und auch Sie haben die Möglichkeit live mitzudiskutieren und Fragen zu stellen. Umfragen während des Webinars liefern Ihnen zudem in Echtzeit ein weiteres Stimmungsbild.
>> Der erste Marktreport ist kostenlos und kann ab 18. Juni 2020 unter www.initiative.bulwiengesa.de/micro-living heruntergeladen werden.