Der Autor
Prof. Volker WielandPh.D., IMFS Stiftungsprofessor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Heuer Dialog: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie erwarten Sie für Deutschland?
Prof. Volker Wieland: Der Corona-Virus, der in China in der Stadt Wuhan seinen Ausgang genommen hat, hat sich in den letzten Wochen rasant weltweit ausgebreitet. Es zeigt sich, dass Europa und Amerika nicht in gleicher Weise Vorbereitungen zur Eindämmung getroffen oben, wie manche asiatische Staaten. Insbesondere Korea, Taiwan, Singapur ist es gelungen, die Zunahme der Ansteckungen zu begrenzen.
Inzwischen greifen aber alle betroffenen Ländern zu massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft. Diese Maßnahmen, etwa die soziale Distanzierung, weit mehr als die Krankheitsfälle selbst, haben massive wirtschaftliche Auswirkungen. Die Unsicherheit ist natürlich riesig. Denn da die Entwicklung so schnell ablief, liegen noch kaum neue Daten vor an denen wir das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruchs abschätzen könnten. Es ist etwa in Deutschland mit einem scharfen Einbruch der Wirtschaftsaktivität zu rechnen. Im zweiten Quartal dürfte der Rückgang durchaus so stark wie in der Finanzkrise ausfallen. Je nach Dauer der Einschränkungen könnte es noch deutlich schlimmer werden. Trotzdem stehen die Chancen nicht schlecht, dass es danach zu einer schnellen Erholung kommt. Denn im Prinzip dürfte für die meisten Güter und Dienstleistungen die Nachfrage zurückkommen, wenn die gesundheitspolitischen Maßnahmen zurückgenommen werden. Zumindest wenn der Zeitraum nicht all zu lang ist. Da liegt die Crux begraben.
Heuer Dialog: Welche wirtschaftspolitische Maßnahmen muss die Bundesregierung ergreifen, auch im Hinblick auf eine Exitstrategie?
Prof. Volker Wieland: Vorrang haben jetzt natürlich die gesundheitspolitischen Einschränkungen. Das ist sinnvoll, um die Entwicklung an Krankheitsfällen abzuflachen, und nach Möglichkeit das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Es muss alles getan werden, um das Gesundheitssystem zu stärken, notwendige Schutzkleidung und Beatmungsgeräte kurzfristig in großem Stil zu produzieren. Außerdem, alles was dabei hilft, dass Menschen in nicht allzu ferner Zukunft wieder zurück an die Arbeit können, sollte ermöglicht werden.
Die Regierung hat schnell reagiert, und weitreichende Maßnahmen ergriffen, um die Wirtschaft zu stützen. Erleichterungen bei der Kurzarbeit, Kredite über die KFW, Steuerstundungen, direkte Zahlungen an kleine Unternehmen und Selbständige, Mittel für etwaige Beteiligungen des Staates an Unternehmen. All das ist sinnvoll. Der Schwerpunkt liegt auf Überbrückung des Shut-Downs.
Allerdings muss eine Ausstiegsstrategie entwickelt und bald kommuniziert werden. Entscheidende Kriterien sind dabei natürlich epidemiologische und medizinische. Aber es müssen noch andere Vorkehrungen möglich sein, als dass Betriebe still gelegt und Menschen zuhause bleiben. Wenn die Dauer der jetzigen Maßnahmen planbarer wird, dann können sich die Unternehmen besser darauf einstellen.
Heuer Dialog: Kann die Geldpolitik eine Rezession in Europa verhindern
Prof. Volker Wieland: Die Geldpolitik kann die Rezession nicht verhindern. Aber sie sorgt dafür dass Banken mit ausreichend Liquidität versorgt werden. Die Maßnahmen dazu, also längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, sowie sehr günstige Konditionen für die anstehenden gezielten langfristigen Refinanzierungsgeschäfte, sind sehr sinnvoll.
Das neue Anleihekaufprogram, PEPP, kann helfen eine Staatsschuldenkrise on top zu vermeiden. Allerdings hätte die EZB dabei sich der Unterstützung der Regierungen versichern sollen, und zwar in dem Regierungen mit hohen Schuldenständen Kreditlinien beim ESM beantragen. Dann kann die EZB wie beim OMT Programm auch gezielt die Anleihen einzelner Ländern in großem Stil aufkaufen. Das dürfte die Investoren abschrecken, gegen den Zusammenhalt des Euro zu spekulieren. So, ohne Rückendeckung durch den ESM, bleiben Fragen offen.