Circular Economy oder die industrielle Revolution 5.0

Interview mit Michel Weijers, Managing Director, C2C Expo LAB

Das Rohstoffe auf unserem Planeten endlich sind und daher nur begrenzt zur Verfügung stehen, ist keine neue Erkenntnis. Doch merken wir wirtschaftlich wie gesellschaftlich auch zunehmend die Engpässe.

Michel Weijers Justin Alexander Gerndt 27. März 2020
Cradle to Cradle
Quelle: Heuer Dialog

Darüber hinaus zeigen die Veränderungen des Weltklimas unserem wirtschaftlichen Handeln neue Grenzen auf. Dies erfordert ein Umdenken hinsichtlich der Ressourcennutzung und der Produktionsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Weg von der linearen Ökonomie mit konventioneller Recyclingwirtschaft hin zu einer umweltfreundlichen Kreislaufwirtschaft. Das gilt in einem besonderen Maße für die ressourcenintensive Immobilienwirtschaft. Für die Umsetzung der „Circular Economy“ aber braucht es neue Denkweisen bei planen, bauen und realisieren.

Justin Alexander Gerndt: Herr Weijers, Sie gelten als Vordenker im Bereich Cradle to Cradle und möchten auch das Bewusstsein Anderer für die Thematik schärfen:   Wann und wo haben Sie sich das erste Mal im Rahmen Ihrer Tätigkeit ganz bewusst mit dem Ansatz „C2C“ auseinandergesetzt?

Michel Weijers: Das erste Mal, dass ich mich bewusst mit dem Thema C2C beschäftigt habe, war 2008 in der Gemeinde Venlo. Diese Gemeinde hat sich 2006 die Prinzipien der C2C-Philosophie zu eigen gemacht und beschlossen, sie in ihren Projekten so weit wie möglich umzusetzen. Im Jahr 2008 wurde ich Projektleiter des neuen Verwaltungsgebäudes in Venlo und beschloss, dass dieses Projekt ein Beispiel dafür werden sollte, was der Einsatz von C2C in Projekten bedeutet. Es war eine sehr inspirierte Entdeckungsreise mit einem wunderbaren Ergebnis! 

Justin Alexander Gerndt: Wenn man nach C2C in Verbindung mit der Immobilienwirtschaft recherchiert, landet man immer wieder bei Projekten aus bzw. in den Niederlanden. Was machen die Niederlande anders als Deutschland bzw. welche generellen nationalen Unterschiede sehen Sie?

Michel Weijers: Ich arbeite in vielen Projekten in den Niederlanden und in Deutschland. Es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede. Was mir in den Niederlanden auffällt, ist, dass die Menschen offener für Innovationen sind und sich deshalb auch mehr trauen, Risiken einzugehen. Das bedeutet nicht, dass die Leute naiv sind, sondern dass man akzeptiert, dass die Dinge nicht gleich beim ersten Mal richtig laufen können. Ich höre oft "Man kann aus Fehlern lernen". In Deutschland sind die Menschen sicherlich offen für Innovationen, aber ich stelle auch fest, dass gute Ideen oft an einer extremen Fokussierung auf mögliche Risiken scheitern. Dadurch ist in Deutschland viel innovatives Wissen vorhanden, das aber oft nicht genutzt wird. Ich stelle auch bei Bauprojekten fest, dass man sich in Deutschland schon sehr früh im Entwurfsprozess auf Details konzentriert, während in den Niederlanden deutlich mehr Raum für Innovationen im Entwurfsprozess vorhanden ist.  Ich sehe regelmäßig, dass beim Preisgericht in Deutschland gute Designs nicht ausgewählt werden, weil beispielsweise die Toiletten zu klein gestaltet sind, während die Vision hinter dem Design einfach gut ist. Mit anderen Worten: Die Ausschreibungsmethode ist deutlich anders: Ein Architekt wird in den Niederlanden viel mehr auf der Grundlage einer Vision ausgewählt, nach der gemeinsam mit dem Bauherrn der Entwurfsprozess beginnt, während in Deutschland sehr früh im Ausschreibungsprozess (auch aufgrund der oft sehr strengen Anwendung des HAOI) ein Entwurf sehr detailliert ausgearbeitet wird und im anschließenden Prozess weniger Raum für Innovationen bleibt. Besonders bei der Anwendung von C2C im Designprozess ist der Raum für Innovationen von großer Bedeutung. 

Justin Alexander Gerndt: Um Auftraggeber für Projekte nach C2C-Maßstäben überzeugen zu können, geht es auch um die Frage nach der Finanzierbarkeit. Wie steht es um das Thema „ROI“ bei entsprechenden Vorhaben (Beispiel)?

Michel Weijers: Letztendlich spielt die finanzielle Machbarkeit bei einem Bauprojekt eine äußerst wichtige Rolle. Die Erfahrung zeigt jedoch auch, dass die bloße Konzentration auf das Baubudget nicht zu den richtigen Entscheidungen führt. Wir alle wissen, dass die Kosten für ein Gebäude erst dann beginnen, wenn das Gebäude fertig ist. Dies sind zum Beispiel Instandhaltungskosten, Kosten der Organisation, die in einem Gebäude arbeitet, Energiekosten und so weiter. Aspekte wie "wie stelle ich sicher, dass die Menschen weniger krank oder produktiver sind", "wie schaffe ich Restwerte", wie ist das Verhältnis zwischen "Kapitalkosten und Instandhaltungskosten" oder "wie kann ein Gebäude tatsächlich ein Problem lösen oder zusätzliche Qualität für die Umwelt schaffen". Im Prinzip stelle ich fest, dass wir oft "Angst" vor einer (politischen) Diskussion über Qualität und den Wert von Qualität haben. Und eines wissen wir alle: Qualität zahlt sich immer aus. 

Justin Alexander Gerndt: Zum Abschluss noch ein kurzer Ausblick in die Zukunft. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis das Konzept C2C einen signifikanten Anteil bei der Planung und Umsetzung neuer Bauvorhaben einnehmen wird?

Michel Weijers: Wir stehen erst am Anfang einer neuen industriellen Revolution, in der Aspekte wie zirkulare Wertschöpfung, Gesundheit, ROI und Verantwortungsübernahme eine zentrale Rolle spielen werden. Ich bin überzeugt, dass wir mit Gebäuden Probleme lösen und einen Mehrwert schaffen können. Dies erfordert jedoch eine andere Sicht auf die Funktionsweise von Gebäuden für Mensch und Umwelt, eine andere Sicht auf die Verwendung von Materialien und ein Nachdenken darüber, was wir mit einem Gebäude am Ende seines Lebenszyklus machen. Wir erleben derzeit einen Wandel in unserer Gesellschaft, in der die Übernahme von Verantwortung, der Fokus auf Qualität und das Thema Gesundheit immer wichtiger werden. Das merke ich auch in Deutschland sehr deutlich. Letztendlich werden die Kunden von Gebäuden andere Fragen stellen oder eine andere Definition von "was ein gutes Gebäude ist" haben. Wir stehen am Anfang dieses Prozesses, aber er ist nicht aufzuhalten. Vor 15 Jahren wurde das Thema Energie langsam aber sicher wichtig, und jetzt spielt es eine wichtige Rolle bei Investitionsentscheidungen. Ich bin überzeugt, dass in den nächsten 10 Jahren Themen wie Restwert, Gesundheit, Kreislauf und Mehrwert zu den Leitthemen werden. Die Grundlage dafür ist die C2C-Philosophie.

Die Autoren
Michel Weijers
Geschäftsführer, C2C Expo LAB
Justin Alexander Gerndt
Projektleiter, Heuer Dialog GmbH

Das Event zum Thema

Dienstag, 13.April.2021
VIRTUELL: Future Real Estate Cradle to Cradle
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