Frankfurt: ein unendlich wachsender Markt?

Der Frankfurter Rechenzentrumsmarkt: ein Markt, der sich als Basis für den digitalen Wandel ständig an Veränderungen anpasst

Frankfurt gehört seit Jahrzehnten zu den globalen Top-10-Colocation-Ökosystemen, doch seit 2018 steht die Stadt noch stärker im Fokus der Rechenzentrumsbranche: Frankfurt wird vermutlich Anfang 2020 zum größten Cluster Europas werden.

Marc Fröse 19. Februar 2020

Im Jahr 2017 verfügte Frankfurt über 96 Rechenzentren. Im Jahr 2018 gibt es nun 107 Rechenzentren, 530 Service Provider und 13 Network Fabrics laut „Cloud Scene“. Und die Nachfrage ist nach wie vor groß: 60 % der Baugenehmigungsanträge betreffen Rechenzentren, und eine Vielzahl von Rechenzentrumsanbietern fordert vom örtlichen Energieversorger mehrere hundert MW als zusätzlichen Bedarf.

Die Treiber, die Frankfurt zum globalen Epizentrum für Colocation gemacht haben
Frankfurt erlebte eine große wirtschaftliche Entwicklung, die sich zu einer Finanz- und Handelsdrehscheibe in Deutschland, dann in Europa entwickelte. Die Europäische Zentralbank, die Deutsche Börse, die Deutsche Bundesbank, hunderte von Geschäftsbanken und Filialen ausländischer Zentralbanken unterstreichen die Position der Stadt als wichtigstes Finanzzentrum auf dem europäischen Festland. All diese Finanzinstitute haben den digitalen Wandel der Stadt gefördert.

Mit dem Deutschen Internet Exchange (DE-CIX), dem weltweit führenden Internet-Knoten, einem carrier- und rechenzentrumsneutralen Internet-Austauschpunkt, hat sich Frankfurt als internationale Drehscheibe etabliert. Der tägliche IP-Verkehr lag Mitte 2018 bei über 7 TB, derzeit bereits bei ca. 11TB. Der DE-CIX verbindet mehr als 800 Netze und verteilt sich auf mehr als 30 Rechenzentren in der Frankfurter Metropole.

Die Stadt bietet höhere Leistung, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit, was am digitalen „Edge“ sehr geschätzt wird.

Die Verfügbarkeit von Grundstücken machte Frankfurt insbesondere im Vergleich zu London sehr attraktiv. Die Stadt verfügte über eine Fülle von neuen Flächen, die für die Expansion im Stadtgebiet Frankfurt Rhein-Main zur Verfügung standen. Für 2018 wurde für Frankfurt ein Wachstum von über 34.000 m2 Doppelbodenfläche - oder ca. 60 MW DCCP (Data Center Customer Power) – prognostiziert, aber langsam wird es eng.

Aber (es gibt immer ein Aber)
Da jeder seine Daten in Frankfurt hosten möchte, werden die Preise für den Erwerb von Land immer höher. Auch die Sorge der Investoren, dass der Platz nicht ausreicht, um den bevorstehenden Bedarf an zukünftigen Serverkapazitäten zu decken, hat einen erheblichen Einfluss auf die Grundstückspreise. In der Folge erwerben Rechenzentrumsanbieter Grundstücke, die sich immer weiter vom Frankfurter Zentrum entfernen, und verlieren so allmählich den Vorteil des DE-CIX.

Auch die Nachfrage nach Strom in Frankfurt wächst exponentiell. Im Jahr 2015 war Frankfurt der erste Rechenzentrumsmarkt, der in weniger als einem Jahr eine Colocation-Nutzung von 30 MW erreichte. Laut Borderstep Institut wird der Energieverbrauch deutscher Rechenzentren bei einer Fortsetzung der aktuellen Trends in der IT-Nutzung weiter steigen und im Jahr 2020 mehr als 14 Mrd. kWh und im Jahr 2025 möglicherweise sogar 16,4 Mrd. kWh erreichen.

Seit dem Jahr 2000 hat Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft gesetzt, mit dem langfristigen Ziel, bis 2050 weitgehend treibhausgasneutral zu werden. Die Gesetze wurden seither mehrfach geändert, haben aber einen enormen Einfluss auf die Energiepreise gehabt, so dass die Strompreise um 50% höher sind als z.B. in Frankreich oder den Niederlanden. Je nach Umfang der Infrastruktur macht der Strom im Durchschnitt 60% bis 80% der Betriebskosten eines Rechenzentrums aus.

Bewältigung der Herausforderungen
All diese Herausforderungen treiben Rechenzentrumsanbieter dazu an, ihre Geschäftsmodelle ständig neu zu erfinden, um die Veränderungen in ihrem Ökosystem zu berücksichtigen, um schließlich die technische und kommerzielle Umgebung für ihre Kunden zu optimieren, um den Herausforderungen des digitalen Wandels gerecht zu werden.

Verschiedene Rechenzentrumsanbieter haben sich zu einem Verband, der "Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen", zusammengeschlossen und versuchen, von der Regierung eine teilweise oder vollständige Befreiung von der Standardabgabe für erneuerbare Energien, dem so genannten "EEG", zu erhalten, wie sie andere energie-intensive Industrie - z.B. Aluminiumhütten - erhält.

Eine weitere Möglichkeit für Rechenzentrumsanbieter wäre es, eine eigene Stromquelle vor Ort, neben ihrem Rechenzentrum, zu entwickeln und sich vom Netz zu trennen. Die Kunden des Rechenzentrums können Kosten für die Nutzung des Stromnetzes und Steuern für erneuerbare Energien sparen. Dennoch erfordert diese Lösung einen enormen Platzbedarf und enormen CAPEX.

Andere bauen eine kreative Partnerschaft auf, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Zum Beispiel eine Partnerschaft mit einem Energieversorger, wie sie zwischen Etix Everywhere und EVO eingegangen wurde. Main DC #1 wird auf dem Campus der EVO-Zentrale gebaut. Diese Partnerschaft wird reduzierte Netznutzungsgebühren, Unabhängigkeit vom Netz des Frankfurter Energieversorgers, beste Energieleistung und -verfügbarkeit sowie eine mögliche, zukünftige Wiederverwendung der überschüssigen Wärme aus dem Klimasystem sicherstellen.

Die Kunden des Main DC #1 profitieren somit von niedrigeren Tarifen für den Stromverbrauch, einer maximalen Redundanz als Backup-Standort für ein Frankfurter Primärrechenzentrum und einer sehr geringen Latenzzeit zum DE-CIX.

Der Autor: Dipl.-Oec. Marc Fröse ist seit 2016 Country Manager der Etix Everywhere GmbH in Deutschland, welche seit Februar 2020 zu Vantage Data Centers gehört. Er hat einen über 25-jährigen Erfahrungshorizont aus den verschiedenen Bereichen der IT-Industrie (Netzwerk, Data Center, Vernetzung, managed Services, etc.).

Der Autor
Marc Fröse

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