Der Autor
Matthias MartinéVorstandssprecher, Volksbank Darmstadt - Südhessen eG
Diese Aussage wird eindrucksvoll dadurch unterstrichen, dass die Stadt Darmstadt im jährlichen Städteranking des „Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)“ in Zusammenarbeit mit der „Wirtschaftswoche“ auch in 2019, und damit zum fünften Mal (!) in ununterbrochener Folge als „Zukunftsstadt Nr. 1“ in Deutschland benannt wurde. Das Städteranking untersucht anhand verschiedener Indikatoren, wie gut deutsche Großstädte auf zukünftige, insbesondere wirtschaftliche und technologische Herausforderungen vorbereitet sind.
So wundert es nicht, dass Darmstadt in den letzten Jahren viele Menschen und Unternehmen neu angezogen hat. Seine Bevölkerung stieg in den letzten 10 Jahren um gut 10% (zur Veranschaulichung: entspricht 5 Personen pro Kalendertag) auf zuletzt rund 160.000, die Zahl der Beschäftigten sogar um 16% auf gut 102.000 Personen.
Die positive Entwicklung dürfte absehbar weitergehen. Die im Dezember 2019 vom Statistischen Landesamt veröffentlichte Modellrechnung zur Bevölkerungsentwicklung aller Landkreise und kreisfreien Städte in Hessen bis zum Jahr 2040 geht für die Stadt Darmstadt von einem nochmaligen Wachstum um 15% oder 24.000 Menschen aus (nur Frankfurt wird mit 16% ein leicht höheres Wachstum zugetraut). In den umliegenden, südhessischen Landkreisen wird in Summe ein Bevölkerungszuwachs bis 2040 von rund 14.000 Personen prognostiziert.
Zur positiven Bevölkerungsentwicklung tragen sicherlich auch die drei Darmstädter Hochschulen mit ihrer Vielzahl von Studiengängen, der engen Zusammenarbeit mit den vielen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und ihrem guten Ruf in Wissenschaft und Wirtschaft maßgeblich bei. Rund 40.000 Studierende halten die Stadt jung. („Schwarmstadt“).
Was bedeutet das alles jetzt für Immobilienentwicklung in und um Darmstadt?
Zunächst ganz einfach: Darmstadt wird weiter wachsen. Denn unabhängig von der Frage, ob eine politische bzw. administrative Begrenzung des absehbaren Bevölkerungswachstums überhaupt sinnvoll wäre, sie wäre praktisch gar nicht bzw. nur mit einem unverhältnismäßig starken Eingriff in die Freiheitsrechte der Menschen durchführbar.
Daher gilt es für die Verantwortlichen in Darmstadt, also für Politik, Verwaltung und Immobilienwirtschaft, sich frühzeitig und vorausschauend auf das – im Grunde ja begrüßenswerte – weitere Wachstum von Bevölkerung und Beschäftigung nicht nur einzustellen, sondern die Rahmenbedingungen hierfür aktiv zu gestalten.
Eine Zuwanderungsregion wie Darmstadt braucht bezahlbaren Wohnraum für seine Bürger und für diejenigen, die es zukünftig noch werden wollen, und zwar jeweils in vertretbarer Entfernung zum Arbeits- bzw. Studienplatz. Gleichzeit benötigt eine dynamisch wachsende Wirtschaft weitere, schnell verfügbare Industrie-, Gewerbe- und Büroflächen und die verkehrlichen und technischen Infrastrukturen müssen mitwachsen und zudem ökologisch und technologisch zukunftsfähig gestaltet werden.
Was die Möglichkeiten zum Ausweis neuer Flächen für Wohnen und Gewerbe betrifft, ist Darmstadt in einer recht komfortablen Ausgangslage, da größere innerstädtische Frei- oder Konversionsflächen vorhanden sind.
Beim Ausbau der technologischen Infrastruktur besteht die Chance, dass Darmstadt mit der Auszeichnung als „Digitalstadt“ durch den Digitalverband bitkom in 2017 und vor allem durch die Umsetzung der in Folge entwickelten und noch zu entwickelnden Digitalisierungsprojekte ganz weit nach vorne kommt.
Bleibt schließlich die verkehrliche Infrastruktur – das schwierigste Thema, nicht nur wegen der damit verbundenen, bisweilen konkurrierenden ökologischen Ziele. Insbesondere der deutliche Ausbau des schienengebundenen, öffentlichen Personenverkehrs ist unabdingbar – eine Erkenntnis, die schon Jahrzehnte alt ist. Trotzdem erfolgte in den letzten Jahren so gut wie kein Ausbau. Weil Genehmigungs- und Planungsrecht in Deutschland zu einem Verhinderungsrecht verkommen ist. Politische Differenzen, Kirchturmdenken beteiligter Gebietskörperschaften, aufwändige und langjährige Planungsverfahren, fehlende Finanzierungszusagen sowie langwierige, rechtliche Einspruchs- und Klageverfahren verhindern in vielen Fällen die rechtzeitige Umsetzung von ÖPNV-Projekten oder ersticken sie manchmal sogar schon im Keim.
Genug Gesprächsstoff also für ein interessantes Panel „Stadtentwicklung im Spannungsfeld von Nachfrage und Knappheit“ im Rahmen des Immobilien-Dialogs Darmstadt.