02.08.2019
Balazs Szathmary

Nachhaltige Geschäftsmodelle für Immobilienunternehmen

(Wie) Kann man mit altersgerechten Assistenzsystemen Geld verdienen?

Erfahrungen der BeHome Service GmbH zeigen, dass man durch gute Projektplanung und -durchführung auch in diesem Segment langfristige Geschäftsmodelle etablieren kann.

Demografischer Wandel, Vereinsamung im Alter, Urbanisierung und Landflucht, Fachkräftemangel im ärztlichen und Pflegebereich sowie die Digitalisierung haben große Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft. 8 Millionen deutsche Haushalte werden von Personen über 65 Jahre bewohnt. Viele sind noch fit und können sich selbst versorgen, es gibt aber auch knapp 3 Millionen Pflegebedürftige, die auf Hilfe angewiesen sind. Beide Zahlen werden in den nächsten Jahren stark steigen.

Gleichzeitig sind Immobilienunternehmen nicht ausreichend auf die Bedürfnisse dieser Gruppe ausgerichtet. Da lediglich 1% des Mietwohnungsbestandes barrierefrei ist, gibt es einen ständig wachsenden Bedarf nach innovativen Konzepten, die es älteren Menschen trotzdem ermöglichen, so lange wie möglich sicher und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben.

Eines dieser Konzepte ist Ambient Assisted Living (AAL), eine Kombination aus Produkten und Dienstleistungen zur Erhöhung der Lebensqualität älterer Menschen in ihrem Wohnumfeld. Die bisher größte Herausforderung für den großflächigen Einsatz von AAL in der Immobilienwirtschaft war jedoch das Fehlen tragfähiger Geschäftsmodelle.

BeHome bietet als erstes Unternehmen eine zuverlässige AAL-Lösungsplattform für altersgerechtes Wohnen mit digitalen Assistenzsystemen inklusive eines umfassenden Dienstleistungsangebotes aus einer Hand. Ganz wichtig ist die Klärung der Finanzierung und die Etablierung von langfristigen Geschäftsmodellen. Die offene Plattform ermöglicht die Einbindung weiterer Services wie Telemedizin, Mieterinformationen (digitales Schwarzes Brett), Schadensmeldungen, Energiemanagement, Quartiersvernetzung oder Einkaufsplattformen. Die Lösung kann kundenindividuell und bedarfsgerecht konfiguriert, jederzeit erweitert und ohne bauliche Maßnahmen schnell und einfach installiert werden.

Der Nutzen der BeHome-Lösung wurde im Rahmen eines einjährigen Projektes mit der Halleschen Wohnungsgenossenschaft Freiheit eG (HWF) aus Halle/Saale nachgewiesen. Neben AAL wurde auch die Telemedizin angeboten. Zum Konsortium gehörten die AOK Sachsen-Anhalt (Ko-Finanzierer), die Firma Casenio (Lieferant von AAL-Hard- und Software-Komponenten), die Teleclinic (Telemedizin-Dienstleister), der DRK Hausnotruf Sachsen-Anhalt sowie das Krankenhaus St. Elisabeth/St. Barbara für telemedizinische Sprechstunden. Die Evaluation wurde von der Hochschule Anhalt durchgeführt. Das Projekt stand unter der Schirmherrschaft von Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.

Das Projekt wurde von den Teilnehmern durchweg positiv bewertet:

  • 90% fühlten sich durch die Lösung sicherer.
  • 94% haben die Lösung als gut oder sehr gut bewertet.
  • 67% empfanden, dass sich durch den Einsatz der Lösung eine Verbesserung ihrer Lebensumstände eingestellt hat.
  • 83% befürworteten den Ausbau der Lösung.
  • 66% waren bereit, nach der Pilotphase für die laufenden Kosten der Lösung bis zu 30 EUR zu zahlen.

Es gab aber auch weitere Erkenntnisse:

  • Mit der Erhöhung des allgemeinen Sicherheits- und Komfortniveaus ist für die Bewohner ein längerer Verbleib in den Wohnungen möglich.
  • Die Möglichkeit, das System auch als Alarmanlage einzusetzen, wurde positiv bewertet.
  • Der Einbau von Wassersensoren, Rauchmeldern und Herdabschaltung vermindert das Risiko von Unfällen bzw. größerer Unfallfolgen (Bestandsschutz).
  • Wird der Hausnotruf-Service in Anspruch genommen, so können die Mieter – bei entsprechender Berechtigung – 23 € pro Monat von der Pflegekasse erstattet bekommen.
  • Um so viele Kunden wie möglich zu gewinnen, sollten dennoch die Mehrwerte Sicherheit, Komfort und Kommunikation gegenüber dem Hausnotruf herausgestellt werden.

Dirk Neumann, Vorstandssprecher der HWF fasste die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Das Projekt ist ein Innovationssprung und ermöglicht es, der Genossenschaft Wohnraum zu schaffen, in dem ein sicheres und selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter möglich ist.“

Bezüglich der Finanzierung hat BeHome ein dreistufiges Modell entwickelt. In der Einführungsphase (1.-12. Monat) ist eine Anschubfinanzierung durch das Immobilienunternehmen sinnvoll, um die Einstiegshürde für potenzielle Nutzer so niedrig wie möglich zu halten. In der Ausbauphase (12.-24. Monat) sorgt BeHome dafür, dass die Kosten weitgehend von den Mietern sowie von weiteren Ko-Finanzierungspartnern getragen werden (Versicherung, Kommune, Land, Stiftung, etc.). In der Skalierungsphase (ab dem 24. Monat) werden dann weitere Services wie Telemedizin, eRezept, Taxi-Bestellung, Essen auf Rädern, Einkauf von altersgerechten Produkten, haushaltsnahe Dienstleistungen, Concierge-Services etc. „aufgeschaltet“. Dabei profitiert das Immobilienunternehmen von den Nutzungsgebühren, die diese Dienstleister BeHome erstatten. Je mehr Wohnungen zu diesem Zeitraum angeschlossen sind, umso höher kann die Gewinnbeteiligung ausfallen.

Zur Demonstration der Motivation eines der möglichen Ko-Finanzierungspartner, hier die Bewertung des Projektes von Peter Klas, der das Projekt für die AOK Sachsen-Anhalt betreut hat: „Das Projekt leistet einen entscheidenden Beitrag dem speziellen Bedarf der älteren Versicherten noch besser gerecht zu werden. Es ist auf die Erhaltung persönlicher Lebensqualität durch eine hohe und lang anhaltende Selbständigkeit ausgerichtet und enthält durch die Verhinderung bzw. Verringerung der Pflegebedürftigkeit gesundheitsökonomische Effekte.“

Ende Juli 2019 besuchte der Schirmherr Dr. Haseloff das Projekt und gab damit den Startschuss für die nächste Projektphase unter Einbindung der lokalen Hausärzte (Telekonsultation) und Apotheken (eRezept).

Abschließend lässt sich feststellen, dass mit diesem Projekt die ökonomische Nachhaltigkeit der BeHome Lösung unter Beweis gestellt wurde und die Akteure nebenbei die eingangs erwähnten gesellschaftspolitischen Herausforderungen adressiert haben.

Mehr zum Thema:

https://www.mdr.de/mediathek/mdr-videos/a/video-320780.html

https://www.hallelife.de/nachrichten/aktuelles/details/von-der-televisite-zum-1-deutschen-e-rezept-projekt-haendel-ii.html

 

Der Autor
Dr. Balazs Szathmary
COO