Der Autor
Prof. Phillip GoltermannPartner, Drees & Sommer SE
Heute sind viele Gebäude technisch gesehen bis zu ihrer Fertigstellung schon wieder veraltet. Und das, obwohl viele Tools wie die Buchung elektronischer Ladestationen per Smartphone oder intelligente Desk- und Raumreservierung schon lange verfügbar sind. Gelingt es der Bau- und Immobilienbranche mit digitalisierten Gebäuden aus alten Denkmustern auszubrechen und den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten? Und wenn ja, wie tragen sie dazu bei, dass sich Nutzer langfristig wohlfühlen und Gebäude auch zukünftig ihren Ansprüchen gerecht werden?
Mit dem „Brain“ einen Schritt voraus
Zu oft fehlt Bauprojekten momentan noch eine Digitalisierungsstrategie, Technologien werden nicht strategisch eingesetzt und vernetzt. So kommt es in der fertiggestellten Immobilie durch unterschiedliche Zutrittskontrollen, unabhängige Sensoriksysteme oder heterogene immobilienwirtschaftliche Daten und Steuerungstools zu Problemen bei der täglichen Nutzung. Im Smart Commercial Building oder in ganzen digital vernetzten Quartieren und Städten hingegen ist eine clevere und bedienerfreundliche Verknüpfung von Planungs-, Gebäude- und Nutzer-Daten möglich und von Beginn an eingeplant. Allerdings bevorzugen wir den Überbegriff „Customized Smart Building“, weil wir digitalisierte Gebäude an den jeweiligen Bedarf des Kunden anpassen und weil er zudem etwa auch öffentliche Bauten wie die im Gesundheitswesen, die ja auch smart ausgerüstet werden sollten, abdeckt. Was Gebäude dafür brauchen, ist ein sogenanntes „Brain“. Eine selbstlernende und selbstoptimierende Künstliche Intelligenz (KI) und vernetze Sensorik, die Immobilien mit digitaler Intelligenz ausstattet. Das Brain stellt eine gewerkeübergreifende Kommunikation der Gebäudetechnik sicher und vernetzt alle eingesetzten Technologien. In der Praxis werden so beispielsweise ungenutzte Räume gar nicht vom Reinigungspersonal gesichtet oder die Verkehrssteuerung erfolgt digital. Die Kosten für Ressourcen und Energieverbrauch sinken.
Sicherheit geht vor
Wie all diese Faktoren in einem Gebäude oder einem ganzen Quartier zusammenkommen, kann man inzwischen in verschiedenen Projekten in Deutschland mitverfolgen. Dazu zählen der Hammerbrooklyn.DigitalCampus in Hamburg, das Quartier Heidestrasse in Berlin, Springpark Valley bei Frankfurt am Main oder cube berlin inmitten der Hauptstadt. Experten von Drees & Sommer beraten zur Digitalisierung und prüfen genau, welche Digitalisierungsbausteine eingesetzt werden und ob diese im Zusammenspiel harmonisieren. Schon während der Planungsphase eines Customized Smart Buildings gilt es außerdem, Sicherheitsanforderungen an Soft- und Hardware zu berücksichtigen und eine entsprechende Cyber Security-Strategie zu entwickeln. Nur so können Sicherheitslücken und Angriffsflächen für Hacker verhindert werden. Vor der Inbetriebnahme des Gebäudes werden die technischen Applikationen deshalb fortlaufend geprüft, beispielsweise im Testcenter am Drees & Sommer-Standort auf dem Campus der RWTH Aachen.
Im Mittelpunkt steht der Nutzer
Bei Bau- und Immobilienprojekten setzen wir nur auf Digitalisierung, wenn digitale Tools Sinn machen und dem Nutzer einen klaren Mehrwert bieten. Langfristig muss sich daher auch die Denkweise des Immobilienbetreibers in diese Richtung verändern. Er wird in Zukunft wie Uber oder Airbnb agieren, neue Geschäftsmodelle aufbauen und Gebäude noch mehr nach den Anforderungen der Nutzer ausrichten und steuern. Fest steht: Nur eine rechtzeitig und sinnvoll aufgesetzte Digitalisierungsstrategie verspricht Mehrwerte für die verschiedenen Stakeholder wie Investoren, Betreiber und Nutzer. Sie zeigen sich etwa durch eine einheitliche Datenbasis sowie verbesserte Funktionen und Prozesse, die Zeit einsparen und die Nutzerfreundlichkeit verbessern. Zusätzlich steigen Energieeffizienz und Sicherheitsstandards, Immobilien bleiben flexibel und wandelbar durch Softwareupdates und lernen vom Nutzerverhalten.
Auch wenn Digitalisierung in der Immobilienbranche momentan als absolutes Must-have gilt, darf sie nicht zum Selbstzweck werden. Im Fokus muss immer der Nutzer mit seinen Bedürfnissen stehen. Die einzige Konstante in der Schnelllebigkeit der Digitalisierung bleibt also der Mensch.